Der Sound der Lebensmittel

Von Dieter Wulf · 05.08.2007
Produktdesign gehört seit langem zum erfolgreichen Marketing. Nur was gut aussieht, lässt sich auch gut verkaufen. Aber nicht nur die farbliche Gestaltung, sondern auch der Klang zählt. Angelo D´Angeliko designt den Sound von Lebensmitteln und Verpackungen und ist überzeugt, dass Geräusche beim Marketing eine zunehmende Rolle spielen werden.
"Das ist jetzt die Standardverpackung im oberen Drittelbereich. Und das ist unsere modifizierte Packung an derselben Stelle gegriffen."

Erklärt der Tonmeister Angelo D´Angeliko, während er auf zwei Packungen Cornflakes herumdrückt. Vor zwei Jahren gründeten er und sein Kollege Jan Dietrich in Berlin die Firma "Sound Consult" und spezialisierten sich auf den Klang von Verpackungsmaterial. Wie eben bei Cornflakes. Man greift im Supermarkt ins Regal und spürt nicht nur, sondern hört auch sofort, dass die Packung bei weitem nicht voll ist. In diesem Fall aber ist nicht der Hersteller Schuld. Bei der Abfüllung sind die Packungen randvoll. Dann aber, beim Transport auf der Autobahn schütteln sich die Flakes so ineinander, dass es eben unten knusprig und oben hohl klingt. Ein typisches Problem für die Berliner Sound Designer, meint Angelo D´Angeliko.

"Die Aufgabenstellung für uns war, kann man denn nicht diesen knusprigen Klang des unteren zwei Drittel nicht auch verbessern im oberen Drittel Teil?"

Jan Dietrich hat eigentlich Orgelbau studiert und letztlich, meint er, gehe es ja auch hier nur darum mit einem Klangkörper das gewünschte Geräusch zu erzeugen. Da wird dann solange gefaltet, geknickt und probiert, bis die Cornflakes sich knusprig genug anhören.

"Die Modifikation besteht eigentlich in speziellen Faltungen. Das ist jetzt ´ne balgartige Struktur, die in den Karton selber eingebracht wurde. Und wenn man oben drückt, dann geht der Falz bis nach unten und drückt unten gegen das Produkt."

Überhaupt sind Pappschachteln und Verpackungsmaterialien für die beiden Sounddesigner nichts anderes als Musikinstrumente. Nur klingen manche eben besser als andere, findet Jan Dietrich.

"Der Spieler ist in unserem Fall also der Kunde, der Konsument. Derjenige, der ´ne Schachtel in die Hand nimmt, der ´ne Flasche öffnet. Ich sorge eigentlich nur dafür, dass das Instrument, das er in die Hand kriegt, leicht spielbar ist, dass es intuitiv begreifbar ist."

Die Hersteller hatten bei der Vermarktung von Reis, Nudeln oder Müsli bisher meist nur auf Farbe und Design ihrer Produkte geachtet. Dabei spielt gerade der Klang oft eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel bei Babynahrung. Öffnet man ein Glas, gibt es diesen Plopp, der anzeigt, dass ein Vakuum existiert hat. Früher wurde Babynahrung hoch erhitzt und durch Vakuum Haltbarkeit erzeugt, erklärt Jan Dietrich.

"Jetzt ist es aber so, muss man wissen, dass dies Abfüllverfahren die Erhitzung gar nicht mehr unbedingt notwendig macht. Das ist heute so steril, dass es nicht mehr unbedingt notwendig wäre, erhitzt abzufüllen und dann den Deckel zu schließen, sondern man könnte es auch kalt abfüllen, was einiges an Energiekosten sparen würde."

Aber Energie sparen hin oder her. Ohne den Plopp, da sind sich offenbar alle Hersteller von Babynahrung einig, wären ihre Fläschchen völlig unverkäuflich. Das Geräusch ist zum Qualitätssiegel geworden. Also wird weiter erhitzt, oder aber man simuliert einfach das Vakuumgeräusch, wie Angelo D´Angeliko vorführt.

"Wenn man jetzt den Deckel sehen würde, dann sieht man auch, dass es nicht irgendein Deckel ist, sondern er ist speziell dafür gestaltet worden, ausschließlich um den Klang erzeugen, der inhaltlich vom Produkt her überhaupt keinen Sinn ergibt. Es ist ausschließlich dazu getan, um einen Link zu bekommen zu den klassischen Glasöffnungsverfahren."

Für viele Hersteller aber sind die Geräusche nebensächlich. Teilweise mit erheblichen Folgen, erklärt Jan Dietrich mit Hilfe einer Packung Katzenfutter.

"Der Konsument zu Hause hat die Verpackung gerüttelt. Oder auch nur angefasst und war ganz glücklich, dass die Katze kommt und weiß es gibt Futter."

Irgendwann aber funktionierte das nicht mehr, weil der Hersteller auf Kunststoffverpackungen umgestellt hatte.

"Die haben den Vorteil wiederum visuell gesehen, dass man sie farbiger bedrucken kann, das heißt die Möglichkeiten des Glanzes sind ausgeprägter. … Und die klingt jetzt aber so."

Und welche Katze würde sich davon schon hervorlocken lassen. In solchen Fällen entwickeln die Berliner Sounddesigner Ideen, wie eine Packung nicht nur ansprechend aussieht, sondern auch interessant klingt. Momentan experimentieren sie mit Bierflaschen erzählt Angelo D´Angeliko.

"Kronkorken das ist einer der meist verwendeten Massenprodukte, die es gibt und dann haben wir uns überlegt, wieso klingen die alle gleich beim öffnen."

Egal welche Bierflasche, ob Billigprodukt oder Edelmarke, beim öffnen des Kronkorkens klingt ein Bier wie das andere. Das wollen die beiden Berliner Sounddesigner ändern und haben sich ihre Ideen auch schon patentieren lassen.

"Und da haben wir uns den sogenannten Champaign einfallen lassen. Das heißt, einen Öffnungsklang, der simulieren soll Öffnung einer Champagner-Flasche … und den können wir auch mal vorführen."

Dabei hat er tatsächlich nur den Kronkorken einer Bierflasche geöffnet. Genauso wie in diesem Fall.

"Wir nennen den auch Crush, diesen Verschluss und der trägt einfach diesen Klang von brechendem Eis."

Bis diese Klänge in unseren Supermärkten angekommen sind, wird es vermutlich noch einige Jahre dauern, weil die Hersteller sehr langfristig planen. Die Geräusche der Verpackungen, da sind sich die Berliner Sounddesigner jedoch sicher, werden bei der Vermarktung immer wichtiger.