Der sechste College-Spion

29.01.2013
Ein insolventer britischer Historiker recherchiert um sein Leben. Für ein Sensationsbuch, das ihn sanieren soll, fängt er an, in einer Kalten-Krieg-Geschichte zu graben. Plötzlich sterben um ihn herum jede Menge Menschen. Ein unterhaltsamer Roman mit ironischem Unterton, der weder triefernste politische Enthüllung noch Klamauk ist.
Der Kalte Krieg ist längst Geschichte, sein literarischer Wegbegleiter, der Polit-Thriller beziehungsweise der Spionageroman, dagegen blüht und gedeiht prächtig. Zwar laufen die Konfliktlinien nicht mehr so eindeutig zwischen Ost und West, aber hin und wieder gibt es historische Reste, die in die Gegenwart hineinreichen und die perfekter Stoff für einen Polit-Thriller sind. Schon alleine deshalb, weil man das fiktionale Erzählen für Hypothesen braucht, die man nicht hieb- und stichfest belegen kann, die aber dennoch irgendwie "wahr" sind oder es zumindest sein könnten.

Mit einer solchen prekären Konstellation spielt Charles Cummings Roman "Die Trinity Verschwörung", die im englischen Titel einen wesentliche Bezugspunkt schon andeutet: Da heißt das Buch "The Trinity Six". Das verweist darauf, dass es außer den berühmten fünf sowjetisch-britischen Doppelagenten um Kim Philby (über dessen Rolle hat fast gleichzeitig Robert Littell einen grandiosen Roman geschrieben: "Philby. Porträt des Spions als junger Mann"), den sogenannten "Cambridge Five", noch einen bisher unbekannten Spion gegeben haben könnte, der wie die anderen am Trinity College vom KGB rekrutiert worden war. Und von den Briten "umgedreht" worden war? Und dann wieder von den Sowjets?

Ein von der Pleite bedrohter britischer Historiker fängt an, für ein Sensationsbuch, mit dem er sich sanieren will, zu graben. Plötzlich sterben um ihn herum die Leute, und wie bei einer der russischen Matroschka-Puppen - seit jeher die Leitmetapher sui generis für gute Spionageromane - setzt jede Enthüllung ein noch brisanteres, darin verborgenes Geheimnis frei. Da kommt dann eine Figur mit dem fiktiven Namen Platow ins Spiel, der gegen Ende des Kalten Krieges KGB-Mann in Dresden war, dann eine zeitlang verschwand und später als lupenreiner Demokrat in den Kreml zog, wo er bis heute als eine Art neuer Zar herrscht.

Unser nicht so ganz unschuldiger reiner Historiker-Tor rutscht also in eine internationale politische Großwetterlage, in der niemandem etwas an peinlichen Details von damals liegt. Er muss um sein Leben recherchieren und hat Glück, dass ihn eine britische Agentin süß findet. So beginnt eine fröhlich-makabre Slapstick-Jagd, die teilweise auch in einem gut getroffenen Berlin spielt. Der ironische Unterton, die vielen Brechungen, Anspielungen und Zitate, die dabei pragmatische Einschätzung von Realitäten und die fast surreale Überzeichnung von Standard-Action-Situationen bewahren das Buch dafür, triefernste politische Enthüllung sein zu wollen, ohne dabei nur als Klamauk zu enden.

Der Epilog zum Kalten Krieg als Spionage-Komödie, als Prolog zur Restitution alter Machtstrukturen in Russland und als heitere Hommage an die Klassiker des Kalter-Krieg-Genres: An John Le Carré, Len Deighton oder Brian Freemantle, die ja auch allesamt realistische Ironiker oder ironische Realisten waren. Charles Cummings unterhaltsamer, eher leichtgewichtiger Roman mit einer sehr ungewöhnlichen Wendung am Schluss, erfreut uns mit heiterer Skepsis, auch gegenüber Romanen.

Besprochen von Thomas Wörtche

Charles Cumming: "Die Trinity Verschwörung"
Aus dem Englischen von Walter Ahlers
Goldmann, München 2012
446 Seiten, 9,90 Euro