Der Schriftsteller Karsten Krampitz

Selbstironie schützt vor Wehleidigkeit

Karsten Krampitz
Der Schriftsteller und Historiker Karsten Krampitz © Foto: Nane Diehl
Karsten Krampitz im Gespräch mit Klaus Pokatzky · 13.07.2016
Als Stadtschreiber von Klagenfurt entwendete Karsten Krampitz das Gästebuch einer Jörg-Haider-Ausstellung, um es zu rezensieren. Zurzeit sorgt der Autor mit dem Buch "1976" für Wirbel: Es legt seine These dar, dass dies das Schicksaljahr der DDR war.
Einst gewann er mit seiner Novelle über einen Pfarrer, der sich in der DDR auf spektakuläre Weise das Leben nahm, den Publikumspreis des Bachmann-Wettbewerbs. Außerdem war der Schriftsteller und Historiker Karsten Krampitz gemeinsam mit Peter Wawerzinek Initiator der satirischen "Wewelsflether Trinkerklappe", engagierte sich mit vollem Ernst jahrelang für Obdachlosenzeitschriften in Berlin und wäre um ein Haar Kandidat für den Vorsitz der Linkspartei geworden.
Als Stadtschreiber in Klagenfurt und machte er mit dem Diebstahl des Gästebuchs der Jörg-Haider-Ausstellung Schlagzeilen. "Ich hatte den Auftrag einer Zeitung über Klagenfurt zu schreiben, und hatte keine Ahnung", sagt Krampitz. "Dann ging ich zur Ausstellung, da war das Buch, ich hab’s geklaut."
Er rezensierte es wie eine Novelle, wurde von der Polizei verhört und gab es nach Tagen medialer Aufregung zurück. "Jurek Becker hat schon gesagt: Die Aufgabe eines Schriftstellers ist es, Remmidemmi zu machen. Das mache ich."

Buch über das DDR-Schicksalsjahr 1976

Grundsätzlich aber hätten es literarische Stoffe aus der DDR, die nicht nur aus der Opferperspektive berichten, in Klagenfurt schwer. "Die deutschen Kritiker oder Juroren dort sind alle aus dem westdeutschen Feuilleton. Für die ist die DDR abgeschlossen."
Nun hat Karsten Krampitz wieder mit einem Buch für Wirbel gesorgt. In "1976" legt er seine These dar, dass dies das Schicksalsjahr der DDR war. Die Biermann-Ausbürgerung, Havemanns Hausarrest, Tote an der Mauer, ein Parteitag mit Beteiligung Kommunistischer Parteien aus Westdeutschland: "Viele Menschen, die später in der Opposition aktiv geworden sind, haben da zum ersten mal gesehen, dass man den Kommunismus auch kritisieren kann, ohne dass man gleich Staatsfeind ist."
Am Ende führten, so Krampitz, die Ereignisse und Weichenstellungen des Jahres 1976 dazu, dass die DDR 13 Jahre später nicht mehr zu retten war und die Mauer fiel. Ihm ist wichtig, dass die geschichtliche Aufarbeitung der DDR nicht einseitig ist, sondern auch aus dem Blickwinkel derer geschieht, die sie erlebt haben. "Das Bewusstsein der eigenen Geschichte gehört ja auch zur Identität. Und ein Leben, das nicht erzählt werden kann, macht Menschen krank."
Krampitz' Buch hat alte ideologische Gräben wieder geöffnet, ehemals Oppositionelle wie Vera Lengsfeld oder DDR-Regierungsmitglieder wie Egon Krenz meldeten sich – nicht immer wohl erzogen – zu Wort.
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