Der Schriftsteller Berthold Auerbach

49 Auflagen zu Lebzeiten, doch heute vergessen

Der Tübinger Schriftsteller Berthold Auerbach (1812-82)
Der Tübinger Schriftsteller Berthold Auerbach (1812-82) © dpa / picture alliance / Bifab
Von Uschi Götz · 24.02.2015
Er war ein berühmter Schriftsteller im 19. Jahrhundert, aber nicht mehr danach. Berthold Auerbach begründete eine Erzählgattung, die Dorfgeschichte – Balzac, Turgenew und Tolstoi bezogen sich auf den schwäbischen Erfolgsautor. Auch in seiner Wahlheimat Tübingen kennen ihn nur noch Spezialisten.
Berthold Auerbach kam im schwäbischen Nordstetten bei Horb am Neckar zur Welt. Er war das neunte Kind seiner Eltern. Berthold, der eigentlich Moses Baruch hieß, sollte Rabbiner werden. Doch es kam ganz anders, Auerbach wurde ein weltberühmter Schriftsteller. Aus der Not heraus.
Der Durchbruch gelang ihm mit seinen "Schwarzwälder Dorfgeschichten". In der ganzen Welt las man die Geschichten aus der schwäbischen Provinz.
Andrea Bachmann: "Das wird dann zu einer Art provinziellen Welttheater, wo dann die menschlichen Leidenschaften aufeinander prallen, in dieser dörflichen Enge, wo jeder jeden beobachtet, wo alle alles voneinander wissen, wo eine junge Frau erst nicht heiraten darf, dann unbedingt heiraten muss. Es ist auch die Zeit der Amerika-Auswanderungen, Anfang des 19. Jahrhunderts. Da gibt es dann auch Geschichten, wie der Xaverie eigentlich nach Amerika auswandern will, aber es nicht aushält, seine Mutter so zu betrügen. Das waren wirklich ganz tolle Romane."
Findet Andrea Bachmann, Germanistin, Journalistin und Tübingen-Kennerin. Auerbach studierte in Tübingen, etwa 20 Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt, zunächst Rechtswissenschaften.
Bachmann: "In der Neckargasse, die damals sozusagen wie die Hauptstraße durch Tübingen war, jeder der nach Tübingen rein wollte oder durch wollte, musste hier hoch mit eisenbeschlagenen Holzrädern, diese Steige hoch und in dem Haus hat Berthold Auerbach Anfang des 19. Jahrhunderts als Student gewohnt."
Radikal und liberal
Nur wenige Meter von Auerbachs Bleibe entfernt stand und steht bis heute das Haus der Burschenschaft Germania. Dieser Verbindung hatte sich Auerbach in Tübingen angeschlossen, in der Folge wurde er wegen staatsfeindlicher Umtriebe als radikalliberaler Burschenschafter verurteilt und 1836, zwei Monate lang auf der berühmt-berüchtigten Festung Hohenasperg bei Ludwigsburg eingesperrt.
Vorbestraft wie er nun war, konnte er nicht mehr Rabbiner werden, so wurde Auerbach halt Schriftsteller...
Bachmann: "... schreibt Romane, die unglaublich erfolgreich sind. Also der war nach Ludwig Uhland der bekannteste deutsche Schriftsteller und wirklich einer, der auch wirklich rezipiert worden ist. Sein Roman 'Barfüssele' hat 49 Auflagen erlebt. Das wird sich heute der eine oder andere schon wünschen, dass er so viel gelesen wird."
Dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland stand er am Ende seines Lebens verbittert gegenüber und stellte fest: "Es ist eine schwere Aufgabe, ein Deutscher und ein deutscher Schriftsteller zu sein, und noch dazu ein Jude". Er starb 1882 in Cannes.
Versponnen und rührend
Berthold Auerbach geriet in Vergessenheit. Ein kleines Museum in seinem schwäbischen Heimatdorf erinnert noch an den einst weltberühmten Schriftsteller. Doch warum verschwand er aus den Buchläden? Vielleicht...
Bachmann: "Zu kompliziert, zu verstrickt, zu versponnen und deshalb ist der echt in Vergessenheit geraten, was echt schade ist. Der lohnt sich wirklich, wiederentdeckt zu werden. Er rührt ein bisschen, das merkt man schon, er schreibt sehr auf Wirkung, möchte auch die Menschen bewegen, aber das haben andere ja auch gemacht und die hat die Literaturwissenschaft nicht vergessen."
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