"Der Rettungsschirm funktioniert"

Markus Ferber im Gespräch mit Ute Welty · 18.01.2011
"Die Finanzmärkte wollen klare Botschaften und nicht breite Diskussionen", sagt der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber und sieht deshalb auch keinen Bedarf an Nachbesserungen am Euro-Rettungsschirm. Dieser funktioniere und man solle "die Sache nicht kaputtreden".
Ute Welty: So flexibel wie möglich den vorhandenen Rahmen besser ausnutzen - oder dann doch den sogenannten Euro-Rettungsschirm weiter ausbauen? Der Vorschläge sind viele, und wahrscheinlich hat auch noch Markus Ferber eine Idee, schließlich sitzt er für die CSU im Europaparlament und ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Guten Morgen, Herr Ferber!

Markus Ferber: Guten Morgen, Frau Welty!

Welty: Wie würden Sie sich denn verorten wollen in diesem vielstimmigen Chor der Meinungen?

Ferber: Ich glaube, zunächst mal sollten wir aus diesem vielstimmigen Chor der Meinungen eine klare Linie herauskristallisieren.

Welty: Das würde helfen, ja.

Ferber: Das würde sehr helfen. Die Finanzmärkte wollen klare Botschaften und nicht breite Diskussionen. Das ist sicherlich eine Krankheit, die wir in Europa haben, deswegen wäre eine klare Linie, ein klarer Kurs der richtige Ansatz, wenige, die wissen, wo es langgeht, und nicht viele, die meinen, auch darüber reden zu müssen.

Welty: Ja, aber Kommissionspräsident Barroso hat die Aufstockung gefordert, Bundesfinanzminister Schäuble verhält sich erst ablehnend, jetzt abwartend, und den Krach in der Regierungskoalition, den kann man sich ja auch schon wieder ausmalen. Das wird aber doch keineswegs dazu beitragen, die Märkte zu beruhigen.

Ferber: Ja, drum habe ich schon Herrn Barroso nicht verstanden. Wir haben einen Rettungsschirm aufgespannt im letzten Jahr, mit 750 Milliarden Euro dotiert, davon ist jetzt weniger als 10 Prozent ausgegeben worden für Irland, und jetzt sagt man schon, wir haben kein Geld mehr. Was soll denn das für ein Signal sein?

Ich halte hier die Position des Bundesfinanzministers für richtig, in der jetzigen Zeit geht es nicht darum, über Aufstockung zu reden, sondern dafür zu sorgen, dass in diesem Jahr alle Staatsanleihen gut platziert werden können. Das ist bisher gut gelungen, sowohl in Portugal als auch in Spanien, und auch wir Deutschen haben einen großen Kapitalbedarf in diesem Jahr. Wir sollten also auch daran interessiert sein, dass es stabil geht, und deswegen meine ich auch, Herr Barroso hätte sich in diesen Reigen derer, die hier mitreden, ohne was zu sagen zu haben, nicht einreihen sollen.

Welty: Geeinigt haben sich die Finanzminister der Eurozone auf ein umfassendes Maßnahmenpaket, so wörtlich. Das kann ja bekanntlich alles und nichts heißen. Haben Sie eine konkretere Vorstellung vom Inhalt dieser Formulierung?

Ferber: Sie haben ja nichts neues erfunden, sondern wir reden ja über eine Reihe von Dingen. Thema Nummer eins: Änderung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, das heißt, wie können wir dafür sorgen, dass schon frühzeitig erkannt wird, wenn ein Land in Schieflage kommt, und dass wir auch nicht mehr betrogen werden können, wie es die Griechen leider mit uns gemacht haben?

Thema Nummer zwei: Wie können wir Mitgliedsstaaten auch verpflichten, rigide Sparmaßnahmen durchzusetzen, wie wir es jetzt bei Griechenland, wie wir es bei Portugal, bei Spanien, bei Irland schon getan haben, wie es die Italiener selber gemacht haben, wie es wir Deutschen ja auch aus eigener Kraft getan haben, wie wir das auch kontrollieren können?

Thema Nummer drei ist: Wie können wir den Rettungsschirm, der jetzt für drei Jahre angelegt ist, dauerhaft installieren, um auch hier ein Zeichen der Stabilität an die Finanzmärkte zu geben?

Und Thema Nummer vier ist: Wie können wir in der Abstimmung, in der Koordination von wirtschaftspolitischen Eckpunkten dafür sorgen, dass der Euroraum ein einheitlicherer, nicht ein komplett einheitlicher, aber ein näher zusammenwachsender Wirtschaftsraum wird, damit hier diese Unterschiede, die wir haben, auch innerhalb der Eurozone, abgebaut werden?

Welty: Im Umkehrschluss und beim Umfang dieser To-do-Liste, die Sie da aufgezählt haben, stellt man sich ja schon die Frage, was die bisherige Arbeit gebracht hat, vor allen Dingen, wenn man berücksichtigt, dass von den 750 Milliarden Euro des Rettungsschirms nur tatsächlich 440 Milliarden zur Verfügung stehen? Das klingt doch nach einem ziemlichen Armutszeugnis.

Ferber: Nein, aber da ist man natürlich genauso ein Finanzakteur, wie wir es von Banken auch verlangen. Wir sagen von Banken ja auch, wenn ihr Geld ausgebt, müsst ihr über Eigenkapital verfügen, mit dem ihr das ausgeliehene Geld zum bestimmten Prozentsatz absichern könnt, um eine gewisse Ausfallwahrscheinlichkeit darstellen zu können. Nichts anderes muss auch ein Euro-Rettungsfonds tun, und das ist ein ganz normales Verhalten, wie es auf Finanzmärkten üblich ist. Alles andere würde bedeuten, dass es für uns, auch für den deutschen Steuerzahler, teurer werden würde, und darum war diese Konstruktion von Anfang an richtig so gewählt, auch im Interesse der deutschen Steuerzahler.

Welty: Wenn man jetzt daran arbeitet, mehr Geld als diese 440 Milliarden zu nutzen, die es ja de facto sind, wo ist denn dann noch ein Unterschied zu einer Aufstockung? Im Prinzip läuft es doch auf dasselbe hinaus?

Ferber: Das ist sicherlich eine spannende Frage, aber noch mal: ...

Welty: Kriege ich auch eine spannende Antwort?

Ferber: Ja. Auch von den 440 Milliarden Euro haben wir ja nur einen Bruchteil bisher ausgegeben, also es ist nicht so, dass wir jetzt bei 430 stehen und noch riesige Anforderungen haben, sondern wir haben eben einen zweistelligen Milliardenbereich an Irland gegeben, die 85 Milliarden kommen ja nicht allein aus diesem Fonds, sondern auch die Briten und die Schweden geben einen großen Betrag mit dazu, Irland schultert selber einen größeren Betrag. Wir sind also auch nicht hier schon am Ende des Topfes angelangt, und drum ist es müßig, darüber zu spekulieren, ob jetzt reales Geld eingespritzt werden soll, ob über Bürgschaften doch aufgestockt werden soll, ob das Rating reduziert werden soll und was ich da alles an klugen Ratschlägen vorfinde.

Der Rettungsschirm funktioniert, der Rettungsschirm war in der Lage, Irland zu helfen, der Rettungsschirm ist nicht notwendig momentan für Portugal oder für Spanien. Und deswegen sollten wir die Sache nicht kaputtreden.

Welty: Aber lassen Sie uns doch mal bei dem Beispiel Spanien bleiben: Wenn diese Riesenvolkswirtschaft von mehr als 1000 Milliarden Euro tatsächlich dann Hilfe braucht, dann nutzen mir weder 440 Milliarden, noch 750 Milliarden.

Ferber: Die Spanier haben in diesem Jahr einen realen Finanzierungsbedarf von 91 Milliarden Euro. Das ist das, was Spanien in diesem Jahr an Anleihen auf den Märkten platzieren muss, und nicht die gesamte Volkswirtschaft muss an den Märkten platziert werden, sondern nur der reale Kapitalbedarf der öffentlichen Hand. Spanien ist ein Land, das bisher keine Probleme hatte, solche Pakete zu platzieren, sodass ich nicht davon ausgehe, dass wegen Spanien der Rettungsschirm zum Ende seiner Leistungsfähigkeit kommt.

Welty: Wovon gehen Sie denn aus, wie das jetzt weitergeht?

Ferber: Wir haben festgestellt, dass es mittlerweile Investoren gibt im asiatischen Bereich, die ein Interesse daran haben, nicht nur in Dollaranleihen Geld anzulegen, sondern das jetzt auch in Eurobonds zu tun, und das haben sie in Portugal bewiesen, das haben sie jetzt in Spanien bewiesen, und das zeigt, dass wir durchaus ein interessanter Anlagemarkt sind. Wenn sich das in diesem Jahr stabilisiert, dann brauchen wir aus dem Fonds keinen einzigen Cent mehr, und dann brauchen wir auch nicht über Aufstockungen oder sonst was zu reden.

Welty: Trotzdem geht die Diskussion über den Euro-Rettungsschirm heute erst einmal weiter, beim Treffen der EU-Finanzminister, dazu der Europapolitiker Markus Ferber von der CSU. Ich danke fürs Gespräch hier in der "Ortszeit"!

Ferber: Gerne, Frau Welty!