Der Playboy als Fotokünstler?

Von Jochen Stöckmann · 08.05.2011
Am 7. Mai 2011 hat sich der Fotograf, Dokumentarfilmer und Kunstsammler Gunter Sachs das Leben genommen. Mit seinem Freitod wollte der frühere Jetset-Star und Ex-Ehemann von Brigitte Bardot einer "ausweglosen Krankheit" zuvorkommen.
Als Modefotograf, Dokumentarfilmer und Kunstsammler hat Gunter Sachs versucht, ein ganz eigenes Bild von sich zu entwerfen. Das wurde deutlich, als das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe 2003 erstmals eine Gunter-Sachs-Ausstellung präsentierte. Der damalige Direktor Wilhelm Hornbostel:

"Ein zurückhaltender, angenehmer Mann, der sofort bestrickte durch seine Augen. Nachdenklich, freundschaftlich der Welt zugewandt – zweifellos ein Freund des Lebens, jemand, der die Welt wirklich in allen Facetten kennt."

Ein Apartment in Sankt Moritz war für die Hamburger Ausstellung rekonstruiert worden, die intime Wohnwelt, in der Gunter Sachs die Träume befreundeter Pop-Artisten Wirklichkeit werden ließ: Mit den Warhol-Porträts von Brigitte Bardot und schrillen Comics von Roy Lichtenstein, mit einer Herde ausgestopfter Schafe als Sitzgelegenheit am Glastisch von Allan Jones, der auf einem barbusigen und mit Lederfetischen drapierten Mannequin ruht. Eine Galerie mit großen Künstler-Namen - für Gunter Sachs aber waren es allesamt auch gute Freunde. Er hatte sie zu Beginn ihrer Karriere gefördert. Als Fotograf versuchte er nun, es ihnen gleichzutun.

"Ich mache gerne etwas surreale Bilder, die also etwas abgehoben sind. Dafür suche ich mir meist außergewöhnliche Landschaften - und stelle dann ein Mädchen rein oder nicht."

Der Umgang mit der Kamera war dem Playboy ein Jungbrunnen, garantierte das nie abreißende Erlebnis von Schwung, Elan und beschleunigter Leichtigkeit. Für sein Bilderbuch "T" startete er 1987 mit dem Model Tanja zu einer Fotoreise um die Welt in 28 Tagen, quer durch Ägypten und Kenia, dann auf die Seychellen. In Paris inszenierte Sachs die Tänzerinnen des "Crazy Horse" mit surrealem Schwarz-Weiß-Effekt als Schachfiguren oder ließ das langbeinige Frauen-Bataillon im knappen Nahkampf-Dress aufmarschieren. Wer daran etwas auszusetzen fand, dem antwortete der Fotograf mit einem Bonmot des Moralisten La Rochefoucauld:

"Ein Soldat ist lächerlich - eine Parade umwerfend."

Doch die Jagd nach neuen Schönheiten ähnelte am Ende dem Versuch, eine perfekt polierte Billardkugel von allen Seiten zu beschreiben. Austauschbar, ohne Charakter oder gar Eigensinn wirkte Claudia Schiffer auf Fotos, die sie doch eigentlich als "Brigitte Bardot der Neunziger" präsentieren sollten. Dabei hatte Gunter Sachs alles versucht: Er setzte das Model als tänzerische Wiedergeburt einer Isadora Duncan mit rotem Schal auf schwarzem Grund ins Bild, steckte ihr unterm Zobelpelz eine eiskalt schillernde Träne ins Knopfloch oder pflanzte der Schiffer in Arcimboldo-Manier jahreszeitlich variierte Krautwickel aufs Haupt. Aber das reichte nur zur blassen Wiedergängerin der Bardot. Die war mit ihrem Schmollmündchen eine wirkliche Erscheinung gewesen, deswegen hatte Sachs ja mehr als nur ein Auge auf die französische Schauspielerin geworfen. Drei Jahre lang waren die beiden verheiratet.

Zur Obsession für makellose Körper gesellte sich das Verlangen nach perfekter Technik: Bereits 1972 hatte Gunter Sachs bei den Olympischen Winterspielen mit einer Hochleistungskamera gedreht, 10.000 Aufnahmen in der Sekunde. Mit "Happening in White" war er Slow-Motion-Könnern wie Willy Bogner um Jahrzehnte voraus. Die brausenden Bildersymphonien von akrobatischen Ski-Abfahrten oder Düsenjets, die über verschneite Gipfel donnern, verdankten sich dem befreundeten Industriellen Marcel Dassault. Aus dessen Ballistik-Labor kam die Kamera, die Mirage-Kampfflugzeuge waren eine Leihgabe aus seiner Waffenschmiede. Abseits aller moralischen oder politischen Fragen beflügelte allein die pure Technik den Lebemann hinter der Kamera. Diesem Impuls überließ sich Gunter Sachs zuletzt auch vor den Computer, als er per Mausklick einen nackten Frauenkörper mit einem Lackschwall überschüttete - tiefblau das Ganze. Das war vielleicht eines Yves Klein würdig, ganz bestimmt war es konsequent. Christian Diener, der Gunter Sachs bei der Gründung des Modern Art Museum in München als Künstlermäzen kennenlernte, hält daran fest:

"Der Begriff seines Lebens hat ja mit Schönheit zu tun. Die Welt ist halt einfach schön, sie ist nicht nur Elend. Dass man das durchaus fotografisch belegen kann, hat nichts mit Playboy-Dasein zu tun, sondern ist halt große Lebensart."
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