Der Musik-Fotograf Stefan Malzkorn

Wie ein Teil der Band

Von Vincent Neumann · 22.05.2015
Wenn er Rockstars wie Björk oder die Foo Fighters fotografiert, spielt er nicht Gitarre, sondern Kamera - so beschreibt Stefan Malzkorn seine Arbeit. Dabei muss der Musik-Fotograf oft mit wenig Licht und auch mit einigen Star-Allüren fertig werden.
"Wir sind zu diesem Termin verabredet, die Halle ist ausgeleuchtet, und dann hat man eine Stunde Zeit – und das eben an einem schwarz-dunklen Dezembertag, und draußen stürmt es und es schneit."
"Womit ich mich persönlich immer sehr schwer getan hab, das sind reine Studiotermine, also wirklich eine weiße Wand und jemanden davor stellen. Das gibt mir nicht viel Raum und viel Strukturen, an denen ich mich ausrichten kann. Zum Apocalyptica-Bild: Das ist ja nicht in einem Studio entstanden, sondern der Raum spielt in dem Bild noch eine große Rolle. Das heißt also man sieht, dass es im Prinzip dieser Renaissance-Palast der Hamburger Handelskammer ist."
Mit Kettensäge, Cello und diabolischem Grinsen inszenierte Stefan Malzkorn im Jahr 2002 die drei Finnen von „Apocalyptica" für das Cover eines Heavy Metal-Magazins – trotz widriger Umstände und einem allzu engen Zeitplan.
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Die Rockband Apocalyptica, fotografiert von Stefan Malzkorn
Die Rockband Apocalyptica, fotografiert von Stefan Malzkorn© Stefan Malzkorn
"Das Ganze ist entstanden am allerletzt-möglichen Tag, um dieses Bild zu produzieren, also das heißt: Da ist viel, viel Koordination drin, aber auch ganz viel Improvisation."
"Also Björk hab ich 1995 mal fotografiert. Der Termin selber war unglaublich speziell, weil es wirklich eine Eins-zu-Eins-Begegnung war in einem alten Gewächshaus in Dresden. Alles war improvisiert, und wir haben eigentlich gar nicht viel gesprochen, sondern wir haben uns gegenseitig begleitet durch diese eine Stunde – ohne Art Direction, ohne PR-Menschen an der Seite und Ähnliches."
Die Chemie mit den Musikern
Ob Metal-Image mit Kettensäge oder intime Schwarz-Weiß-Inszenierung wie bei der isländischen Sängerin Björk – wichtig bei dieser Art der Bild-Komposition ist in den Augen von Stefan Malzkorn vor allem die Chemie mit den jeweiligen Musikern. Eine gewisse Offenheit für neue Ideen spielt dabei ebenso eine Rolle wie Spontanität – auf beiden Seiten.
"Alles ist improvisiert und trotzdem funktioniert es, weil man tatsächlich zusammenspielt. Und ich glaube, das ist schon ein Faktor, der mich eigentlich immer Musiker hat gerne portraitieren lassen, weil es immer einen Moment gab von Improvisation und auch, dass meine Gegenseite, oder die Leute, die mit mir zusammen gespielt haben an der Stelle, sich auch auf mein Spiel eingelassen haben."
Diesen Status als Spielpartner zahlreicher Musikgrößen wie Björk, Garbage oder den Red Hot Chili Peppers musste sich der Fotograf allerdings zunächst erarbeiten: Die Musik sei die Passion, die Konzertfotografie der Einstieg in die Profession, stellte Stefan Malzkorn einst fest, und so war er gerade in den Anfangsjahren seiner Karriere fast jeden Abend vor den kleinen und großen Hamburger Bühnen zu finden.
"Das kann natürlich anstrengend sein, in so einem Pogo-Mob vorne zu stehen. Das ist äußerst energiegeladen, und gerade diese Schnittstelle zwischen Bühne und Publikum – da ballt sich einiges."
Zehn Minuten für die Ewigkeit
Mittendrin statt nur dabei – diese vielzitierte Phrase müsste bei einem Konzert-Fotografen also in der Stellenausschreibung zu finden sein; ein Leben, immer auf der Suche nach dem e i n e n Moment.
"Das Spannende ist natürlich diese kurze Zeit, das heißt also in drei Songs ein gutes Ergebnis abzuliefern und zu bekommen. Das heißt also, man hat meistens nicht mehr als 10 Minuten Zeit, etwas zu umzusetzen. Dann ist es der begrenzte Raum – das heißt, es ist eng. Das dritte ist, man darf kein zusätzliches Licht einsetzen; man muss mit dem vorhandenen Licht zu Recht kommen. Und das kann teilweise äußerst schwierig sein, also die Lichtbedingungen können sich kürzer als in Sekunden verändern – und dann bewegen sich die Leute noch!"

Stefan Malzkorn - Fotografie
Weitere Fotos finden Sie auf der Website des Fotografen unter www.malzkornfoto.de

Er selber fühle sich – so schrieb es Stefan Malzkorn mal im Begleittext zu einer Ausstellung – inzwischen als „Teil des Rock ‚n' Rolls", als Künstler, der mehr durch Musik als durch bildende Kunst sozialisiert wurde – eine für einen Fotografen durchaus untypische Sichtweise. Und doch ist auch er nicht immer gefeit vor den Schattenseiten des Musik-Business – ob Star-Allüren oder schlechtes Zeitmanagement, wie bei einem Shooting mit den Foo Fighters beim "Hurricane Festival":
"Das sollte ein Halbstunden-Termin werden, und ich musste damals zwei-, dreimal neu einleuchten, und die Zeit wurde immer knapper, und irgendwann hießt es dann: Du musst das Foto auf der Bühne machen. Da hab ich dann tatsächlich dreimal draufhalten dürfen und dann ist die Band auf die Bühne gegangen. Und ich hab mich rasend geärgert, weil es so viel Einsatz war – es war so viel Spannung drin, es war so viel, was hätte schief gehen können, und es ist in gewisser Weise auch schiefgegangen, weil ich nichts mehr für dieses Portrait bestimmen konnte. Da bin ich von der Bühne gegangen, hab die Promoterin angeguckt, hab die Kamera aufgemacht, hab den Film rausgerissen und gesagt: 'Hier hast Du Deine Bilder!'"
"Ich bin der sechste Mann und spiele Kamera"
Dass so etwas allerdings als Ausnahme betrachtet werden kann, das zeigt ein Blick in das inzwischen prall gefüllte Heim-Archiv von Stefan Malzkorn. In den letzten Jahren konnte er Teile daraus immer mal wieder öffentlichkeitswirksam präsentieren. Und da er selbst sich und seine Bilder als Teil des Rock ‚n' Rolls sieht, ist es nur konsequent, dass auch eine solche Ausstellung mit Konzertbildern und Portraits von Live-Musik begleitet wir. Denn ob im Studio oder auf der Bühne – für das authentische Bild wird der Fotograf zum Teil der Band.
"Ich hab mal behauptet, dass ich bei einer Fünf-Mann-Band der sechste auf der Bühne bin, oder vor der Bühne, und ich eben nicht Gitarre spiele, sondern ich spiele dann Kamera. Das heißt also: Ich folge dem Ganzen, und ich folge auch tatsächlich der Taktung und wie sich der Sänger bewegt, wie sich die Gitarristen bewegen und was da passieren wird. Und es gibt Dinge, die sich ankündigen, und die sich auch wiederholen – und wenn man da mitmacht, wenn man sozusagen dieses sechste Instrument ist, dann kann man das auch fotografieren."
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