"Der Mann ist ein zentrales Beweismittel"

Peter Gauweiler im Gespräch mit Nana Brink · 05.11.2013
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler hat sich dafür ausgesprochen, den Whistleblower Edward Snowden in Moskau zu vernehmen. Zugleich zeigte er sich irritiert über die "windelweiche Handhabung" des Falles durch die Generalbundesanwaltschaft.
Nana Brink: Die Kanzlerin war gestern unmissverständlich, bei allem Ärger über die amerikanische Spionage und ihrem abgehörten Handy: Das transatlantische Bündnis wird für uns Deutsche von überragender Bedeutung bleiben, so ließ sie ihren Sprecher verlauten. Und dieser Satz ist eine Warnung an den Bundestag, vor allem an Grüne und Linke, die erwähnen, den Whistleblower Edward Snowden vor einem Ausschuss anzuhören.

Seit der grüne Bundestagsabgeordnete Ströbele Snowden in Moskau besucht hat, wird ja über eine Befragung spekuliert. Die USA bestehen auf eine Auslieferung Snowdens, und ebenso unmissverständlich haben die Amerikaner auch klargemacht, dass Deutschland im Umgang mit dem Whistleblower die momentan laufenden Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen beeinflussen werden. Und diesen ganzen Machtpoker sortieren will ich jetzt mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler. Einen schönen guten Morgen, Herr Gauweiler!

Peter Gauweiler: Grüß Gott!

Brink: Bevor wir über das Geheimdienstabkommen sprechen, noch ein Wort zu Snowden: Im Sommer haben Sie erklärt, der Mann ist ein Beweismittel und muss nach Deutschland. Meinen Sie das noch immer?

"Der Anfangsverdacht ist mit den Händen zu greifen"
Gauweiler: Der Mann ist ein zentrales Beweismittel. Entweder wird er in Deutschland vernommen oder, das war damals mein alternativer Vorschlag, der Generalbundesanwalt, der für die Verfolgung derartiger Spionagedelikte zuständig ist, entsendet einen Bundesanwalt und lässt den Betreffenden in der deutschen Botschaft vernehmen. Wir haben ja in Deutschland Gewaltenteilung. Das eine, was die Regierung tut, tun muss und abwägen muss – Sie haben vorhin von der Bundeskanzlerin gesprochen –, ist das eine.

Das andere, das Legalitätsprinzip, das Prinzip der Strafverfolgung, das, was Sache der Justiz ist, ist das andere. Und ich bin, offen gesagt, irritiert über die windelweiche Handhabung dieses Falles durch die Generalbundesanwaltschaft. Der Anfangsverdacht ist hier mit den Händen zu greifen, ob der Snowden Zeuge ist oder möglicherweise Mittäter - bei ihm ist ja die Telefonnummer des Handys der Bundeskanzlerin aufgefunden worden –, das wird sich finden. Aber selbstverständlich muss diesem Verdacht jetzt nach dem Legalitätsprinzip nachgegangen werden.

Brink: Aber ich glaube, die Frage ist ja unstreitig, dass man dem nachgeht. Die Frage bleibt ja, wo passiert das? Zwischen Deutschland und den USA besteht ja ein Auslieferungsabkommen, Sie sind Rechtsanwalt, Sie glauben doch nicht, dass die USA sich auf ein solches juristisches Spielchen einlassen werden?

Gauweiler: Die Frage, wo passiert es, ist die zweite Frage. Die erste Frage, passiert überhaupt etwas, werden Ermittlungen aufgenommen, ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, dazu ist der Generalbundesanwalt nach unserer Gesetzeslage verpflichtet. Und er muss alle Zeugen oder alle Auskunftspersonen vernehmen, denen er habhaft werden kann.

Der Betreffende hat sich offensichtlich bereit erklärt, dass er auch an seinem jetzigen Aufenthaltsort in Moskau vernommen wird, und ich erwarte, dass dies zumindest versucht wird. Was die USA dazu sagen, ist eine weitere Frage. Es gibt das dringende Ersuchen der amerikanischen Regierung, den auszuliefern, das ist nicht nur an uns gerichtet, sondern auch an Russland.

Russland hat dem Mann vorläufig Asyl gewährt, und die russische Regierung hat auch erklärt, dass sie ihrerseits gegen eine Befragung des Mannes durch deutsche Behörden nichts einzuwenden hat. Und dies muss geschehen.

Das, was wir jetzt verfolgen, ist ein Streit in der Politik, ob man hier in Deutschland ihn aufnehmen soll oder nicht. Da spricht was dafür, spricht aber auch was dagegen. Das sind politische Interessen. Aber jeder muss seines Amtes walten, und dies trifft auch die Justiz. Und die muss sich hier langsam in Bewegung setzen.

Edward Snowden
Wird Edward Snowden in Moskau befragt?© picture alliance / dpa / The Guardian Newspaper / FILE
"Das darf man nicht bagatellisieren"
Brink: Es ist ja auch ein Machtpoker, die Chefs vom Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz sind gerade in Washington, um das No-Spy-Abkommen zwischen den USA und Deutschland zu verhandeln. Angeblich sind ja die Amerikaner schon bereit, auf Industriespionage zu verzichten. Aber wesentliche Forderungen der deutschen Seite sind noch nicht beantwortet, nämlich keine Spionage auf deutschem Boden und keine Überwachung von Regierungschefs. Werden die Amerikaner sich darauf einlassen?

Gauweiler: Ich halte es für richtig, dass wir hier möglicherweise vertragliche Bindungen anstreben. Aber das soll die Dimensionen des Geschehenen nicht verdunkeln. Dass ein deutscher Bundeskanzler unmittelbar ausspioniert wird, in seinem unmittelbaren, persönlichsten Bereich, das hat es seit Guillaume in Deutschland nicht mehr gegeben.

Und das darf man nicht bagatellisieren, auch wenn es Bundesgenossen getan haben. Weil sonst in der Bevölkerung ein ganz falscher Eindruck entstehen kann. Die Amerikaner haben das nicht gemacht, weil sie der Meinung sind, dass Frau Merkel mit einem Terroristen telefonieren möchte, sondern sie haben es offensichtlich auf dem Höhepunkt der Euro-Krise gemacht, weil sie, für wen auch immer, die höchst geheimen Überlegungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Euro-Rettung, die ja dann für die weltweite Spekulation, auch für die Spekulation des Dollar von größter Bedeutung sind, erfahren wollten. Wenn wir uns dies gefallen lassen, dann ist unsere Position in der Welt dauerhaft geschwächt.

Brink: Na ja, gefallen lassen wollen wir uns das ja wahrscheinlich nicht, zumindest hat die Bundeskanzlerin sich ja nicht amused gezeigt. Aber es ist ja eine Sache, das Handy von Merkel von der Liste zu streichen, das ist ja wohl auch passiert, aber eine andere, die Arbeit von 16 US-Geheimdiensten zu kontrollieren. Welche Handhabe hat denn die deutsche Seite überhaupt?

Gauweiler: Die deutsche Seite hat erstens mal die Handhabe, die jeder Rechtsstaat hat, dass sie Straftaten, die geschehen sind, konsequent verfolgt und ihnen nachgeht und eben deutlich macht, dass hier eine rote Linie überschritten worden ist. Das andere ist im Graubereich der Geheimdienste.

Eigentlich sind wir ja davon ausgegangen, dass wir dem gleichen Bündnis angehören und unsere Geheimdienste, insbesondere der Bundesnachrichtendienst und der militärische Abschirmdienst mit den amerikanischen Diensten zusammenarbeiten und nicht die Kapazitäten unserer Beamten darauf verwendet werden, sich wechselseitig auszuspionieren.

Brink: Nun sind wir alle ganz erschrocken, aber kann man die Sache dann nicht umdrehen und vielleicht sagen, warum bauen wir dann nicht eine deutsche Spionageabwehr auf, auch gegen die Amerikaner, die diesen Namen wirklich verdient?

Gauweiler: Zunächst mal war ich der offensichtlich naiven Auffassung, dass es zu den Aufgaben des Bundes gehört, eine solche Spionageabwehr schon bisher zu gewährleisten. So Begriffe wie "ja, fangen wir dann damit mal an", das lässt es einem ja eher kalt den Rücken herunterlaufen.

Selbstverständlich gehört es zu den Aufgaben des Bundes nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes, dieses auch zu tun, aber zunächst muss mal geklärt werden, haben wir hier im Westen immer noch die gleichen Interessen, ziehen wir am gleichen Strang? Wenn dies durch ein Abkommen präzisiert werden kann, soll es mir recht sein, das ändert aber nichts daran, dass die Dinge, die bisher falsch gelaufen sind, aufgeklärt werden müssen.

Brink: Sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler. Schönen Dank, Herr Gauweiler, dass Sie mit uns gesprochen haben!

Gauweiler: Dankeschön!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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