Der Libanonkrieg im Comic-Format

Vorgestellt von Anke Leweke · 05.11.2008
In "Waltz with Bashir" verarbeitet Regisseur Ari Folman seine Erlebnisse als Soldat der israelischen Armee im Libanonkrieg 1982. Folman wählt dabei eine eigenwillige Ästhetik und kreiert den ersten Dokumentarfilm im Animationsformat. "Die Tränen meiner Mutter" zeigt die Geschichte einer Emigrantenfamilie aus Argentinien im Westberliner Alternativ-Milieu der achtziger Jahre.
"Waltz with Bashir"
Israel / Deutschland / Frankreich 2008. Regie: Ari Folman. FSK: ab 12. Länge: 87 Minuten

Nach 113 Jahren Filmgeschichte endlich noch einmal etwas, was man noch nie gesehen hat: Einen Dokumentarfilm im Animationsformat! Dabei wird die autobiographische Spurensuche zum Ausgangspunkt.

Eines Nachts wird der Regisseur, der auch im Film Ari heißt, von einem Freund angerufen. Dieser erzählt ihm von einem immer wieder kehrenden Albtraum, der eng mit den Erlebnissen seines Kampfeinsatzes im Libanon verknüpft ist. Und plötzlich, zum ersten Mal nach 25 Jahren erinnert sich auch Ari Folman an seine Zeit als Soldat. Er will wissen, warum er die Ereignisse so lange verdrängen konnte und sucht ehemalige Kameraden auf. Statt sprechende Köpfe vor neutralem Hintergrund zu zeigen, statt unpersönliches Archivmaterial zu zitieren, werden die Aussagen und Berichte mit schroffen, grellen, surrealistisch anmutenden Trickfilmsequenzen illustriert.

Die beeindruckende Animation lässt nicht nur Angst und Gewalt bedrückend gegenwärtig erscheinen, sondern macht die zögernd Redenden zu Geiseln ihrer eigenen Geschichte. "Waltz with Bashir" zeigt, wie die Erinnerung versucht, Ereignisse zu verdrängen, in ein anderes Licht zu rücken, Details verschiebt und verändert. Denn nicht immer sind die Berichte deckungsgleich, vor allem, was die Rolle angeht, die die Soldaten beim Massaker in den Flüchtlingslagern von Sabra und Shatila spielten, bei denen mehrere Tausend Palästinenser von christlichen Milizen ermordet wurden. Ari Folman bringt den Schrecken des Krieges auf die Leinwand, ohne in die Banalität der Nachstellung zu kippen.


<im_47411>"Die Tränen meiner Mutter" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTASRT)</im_47411>"Die Tränen meiner Mutter"
Deutschland/Argentinien 2008. Regie: Alejandro Cardenas-Amelio. Darsteller: Adrian Goessel, Fabian Busch, Erica Rivas, Rafael Ferro, Alice Dwyer, Joachim Paul Assböck u.a. Länge: 93 Minuten

Plötzlich ist es wieder ganz gegenwärtig, das WG- und Kommunenleben im Westberlin der achtziger Jahre mit seinen ungespülten Geschirrbergen und offenen Türen. In einer Fabriketage findet eine junge argentinische Familie, die vor der Militär-Junta in ihrer Heimat geflohen ist, eine neue Bleibe. Hier trifft man auf Lebenskünstler, Tagediebe und Punkerinnen.

In seinem zweiten Spielfilm verarbeitet Regisseur Alejandro Cardenas-Amelio die eigene Biographie: Die Emigration nach Berlin, die Ehekrise der Eltern, die erste Liebe und den unorthodoxen Alltag einer Westberliner WG. Gerne lässt man sich auf die Perspektive des kleinen Alex im Frottee-Pyjama ein.

Zunächst gestaltet sich sein Leben als einziges Abenteuer, die Stimmung in der Fabriketage ist locker und er hat alle Freiheiten. Doch gerät die permanente Ferienstimmung aus dem Lot, als sein frustrierter und arbeitsloser Vater eine Affäre beginnt, während seine Mutter, eine gefragte Journalistin, immer mehr auf Reisen geht.

Leider will dieser Film zuviel. Statt sich auf das Drama des kleinen Jungen einzulassen, versucht Cardenas-Amelio einen seltsam anmutenden Stilmix. Alex stellt fest, dass er magische Kräfte besitzt, mit seinen Gedanken kann er Gegenstände verrücken. Es mag sein, dass der Regisseur den magischen Realismus des lateinamerikanischen Kinos zitieren möchte, doch wirken die "Zauberszenen" unfreiwillig komisch und letztlich auch überflüssig, weil sie der Handlung keine neue Sichtweise hinzufügen. Obwohl gut besetzt und schön ausgestattet, bleibt "Die Tränen meiner Mutter" ein handelsübliches Familiendrama.