Der Kosmopolit unter den Dirigenten

Von Wolfgang Schreiber · 21.10.2012
Kaum einer reiste mit seinen Engagements so viel durch die Welt wie Georg Solti. Bereits mit 35 Jahren hatte der Dirigent einen lebenslangen Vertrag mit der Plattenfirma Decca geschlossen. 1972 wurde er nach zehn Jahren Tätigkeit für das Royal Opera House in London in den Adelsstand erhoben.
Georg Solti zählt zum berühmten Dirigenten-Jahrgang 1912, mit Sergiu Celibidache und Kurt Sanderling, mit Günter Wand und Erich Leinsdorf. Geboren am 21. Oktober 1912 in Budapest, war Solti der weltläufigste von allen, der arbeitsamste – so technikgläubig wie nur Karajan. Und wie dieser ein Schallplattenkrösus. Bestes Beispiel: Solti stemmte, von 1958 an, die erste Studioproduktion von Wagners "Ring"-Epos, klangästhetisch die optimale Einspielung mit den Wiener Philharmonikern und den besten Wagner-Sängern der Zeit. Aber Solti war nicht mit Wagner aufgewachsen, sondern mit der herben Musik Bela Bartóks, seines Lehrers.

Wie so viele Dirigenten hat Georg Solti seine Karriere am Klavier begonnen. Als Zwölfjähriger bezog er in Budapest die Liszt-Akademie, wurde dort Korrepetitor an der Oper und bekam eine einzigartige Chance bei den Salzburger Festspielen - als Assistent des großen Arturo Toscanini. Wo er auch Furtwängler begegnete. Von Toscanini, sagte Solti später, habe er die Disziplin gelernt, von Furtwängler, sie wieder zu vergessen.

Als Jude musste Solti 1939 aus Ungarn fliehen, in die Schweiz. Nach dem Krieg verschafften die deutschen Opernhäuser gute Arbeitsplätze, so stieg der junge ehrgeizige Solti auf zum Musikchef der Bayerischen Staatsoper, im kriegszerstörten München. Wo er dem greisen Richard Strauss begegnete - der seinen Dirigierstil kritisierte: "Sie fuchteln zuviel".

"Mein Besuch in Garmisch bei Strauss, der ein zauberhafter Mann war, mit einem enormen Charme ... Und ein erfahrener Operndirigent, wundervoll. Ich habe an einem Vormittag, als ich bei ihm in seinem Haus war, mehr gelernt als wahrscheinlich in meinem ganzen dirigentischen Leben vorher. Er sagte: 'Es soll nicht Ihnen gefallen, sondern lassen Sie es draußen dem Publikum gefallen.’ Weil, ich war damals noch so draufgängerisch.."

Georg Solti blieb noch lange bei der Oper. Von München aus ging er ans Frankfurter Opernhaus, wo das Gespräch mit dem Musikphilosophen Adorno ihm die Welt Mahlers und Bruckners öffnete. Zehn Jahre später wurde Solti Musikdirektor am Royal Opera House in London, die Karriere großen Stils begann. Der britische Staatsbürger wurde mit dem Adelstitel Sir geehrt.

Schon 1947 hatte Solti einen lebenslangen Vertrag geschlossen mit der Plattenfirma Decca. Seine Verdi-, Wagner-, Mozart- und Strauss-Aufnahmen wurden weltbekannt. Aber die Schallplatte schlug ihm quasi ein Schnippchen später: Als Solti erstmals in Bayreuth dirigierte, 1983 den "Ring", waren manche, die seinen Wiener Plattensound liebten, von seinem Wagner live enttäuscht. Der Maestro blieb nur einen Sommer in Bayreuth. Aber der Oper hatte er nach der Londoner Zeit sowieso Adieu gesagt. Solti wechselte 1969 zum Chicago Symphony Orchestra – in zweiundzwanzig Jahren dirigierte er hier rastlos das große klassisch-romantische Repertoire: Orchesterbrillanz, Präzision, Hochspannung ließen die Musik von Beethoven, Brahms oder Bruckner, Debussy, Strauss, Mahler oder Schostakowitsch nur so funkeln. Solti, der gestrenge, von Musikern auch gefürchtete Weltstar am Pult.

Nach Karajans Tod 1989 dirigierte Georg Solti auch in Salzburg, übernahm das Orchestre de Paris, dann das London Philharmonic. Und kurz vor seinem Tod am 5. September 1997 kehrte Sir Georg Solti in die Heimatstadt Budapest zurück. Das Konzert mit der ernsten Musik seiner alten Lehrer Weiner, Kodaly und Bartók hat die Platte verewigt.