Der Komponist Joseph Elsner

Im Schatten seines Meisterschülers Chopin

Eine Lithografie zeigt das Porträt des polnisch-französischen Komponist Frédéric Chopin (1810-1849).
Frédéric Chopin (1810-1849): Joseph Elsner spielt als Lehrer und Vertrauter eine besondere Rolle in der Biografie des Komponisten. © imago / United Archives International
Von Philipp Quiring · 20.01.2017
Frédéric Chopin war noch keine 20, als er in Warschau seine ersten größeren Werke schrieb. Dabei begleitete ihn als Kompositionslehrer Joseph Elsner. Dieser blieb eine wichtige Bezugsperson, auch nachdem Chopin im Jahr 1830 seine Heimat verließ - und nie wieder heimkehrte.
Joseph Anton Franz Elsner oder Joseph Xaver Elsner.
Klaus Harer: "Da tauchte dieser Name auf und wir sind ja immer auf der Suche nach interessanten Komponisten aus der Region. Und dann im Zusammenhang mit dem Chopin-Jubiläum - da fiel der Name dann wieder auf, weil er eben als Lehrer von Chopin bekannt ist - aber eben kaum mit seinen Kompositionen."

Von der Musikforschung nicht beachtet

Klaus Harer ist als Musikwissenschaftler für das Deutsche Kulturforum östliches Europa immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Entdeckungen des Musiklebens: Vergessene Komponisten wie Theophil Richter, Franz Xaver Gebel und aktuell Joseph Elsner geraten in seinen Fokus.
Während eines E.T.A Hoffmann-Kammermusikprojektes stieß Harer das erste Mal auf Joseph Elsner. Der romantische Schriftsteller, der auch Komponist war, gründete während seiner Warschauer Zeit, 1804/1805, zusammen mit Joseph Elsner die "musikalische Ressource". Eine deutsch-polnische Gesellschaft, die sich um ein aktives bürgerliches Musikleben bemühte.
Während Elsner in der Musikforschung nicht beachtet wurde, ist er in der Gesellschaft Polens durchaus ein Begriff. Durch Abbildungen und Büsten ist sein Gesicht ebenso bekannt wie die Messen aus seiner Feder, die häufig aufgeführt werden.

Besondere Rolle in Chopins Biografie

Als Lehrer und Vertrauter nimmt er eine besondere Rolle in der Biografie Chopins ein. Elsner beriet ihn vor allem in jungen Jahren bei ersten großen kompositorischen Schritten – wie etwa auch bei seinem Klaviertrio in g-Moll, das eine deutlich andere Tonsprache als Elsners Trio besitzt.
Klaus Harer: "Es ist natürlich schon interessant, dass Chopin dieses Trio, eines der ersten großen Werke, er hat es Elsner vorgespielt und Elsner hat es auch gut geheißen. Und wenn man die beiden Stücke so nebeneinander hört, kann man sich das eigentlich nicht vorstellen, ja. Mein Eindruck war, dass Elsner, wenn er so einen Schüler gefördert hat, eben auch einfach ein sehr kluger Lehrer gewesen sein muss, der eben auch Projekte würdigen kann, die sehr weit von seiner Tonsprache weg sind."
Der Tanz des Krakowiak im Werk des 19-jährigen Chopin. Ebenso wie sein Lehrer Elsner greift er auf polnisch-folkloristische Elemente zurück – zudem ist auch "das vom Gesang ausgehende Denken" eine Gemeinsamkeit innerhalb ihrer kompositorischen Sprache. Grundprinzipien bei Chopin, die in seinem Op. 8 bereits angelegt sind, auch wenn dieses noch nicht die melodische Sogkraft späterer Werke besitzt.

Auf der Suche nach den Noten

Chopins Werk, das zur Zeit seines Studiums in Warschau in den Jahren 1828-1829 entstand, gehört innerhalb der Klaviertrio-Literatur zu den Raritäten des Repertoires. Von dem rund 30 Jahre früheren Triowerk seines Kompositionslehrers Elsner gab es zunächst hingegen nicht einmal die Noten.
Klaus Harer: "Wir hatten doch Problemchen, das ist eine ganz lustige Geschichte. Ich weiß nicht mehr ganz genau, wo das unvollständige Exemplar herkam. Ich glaube aus der Dresdner Staatsbibliothek, also aus der Sächsischen Staatsbibliothek und dort gab es dann plötzlich auch eine Stimme, die hieß Cembalo II und das sind die Streicherstimmen sozusagen auf die rechte und linke Hand verteilt. Und daraus haben wir es dann rekonstruiert."
Das Trio in B-Dur von Joseph Elsner konnte nach der Rekonstruktion vom Trio Margaux erstmals eingespielt werden. Um der Klangsprache Elsners möglichst nahe zu kommen, wählte die Pianistin Beni Araki eine Kopie eines auf das Jahr 1805 datierten Hammerflügels des Wiener Klavierbauers Michael Rosenberger.
Beni Araki: "Also das Aussehen ist genau wie ein Cembalo. Der Ton verschwindet sehr schnell wieder. Und Joseph Elsner hat bestimmt in seiner Kindheit nur Cembalo gekannt. Damit hat er seine Ausbildung bekommen, also fürs Klavier überhaupt. Und dann natürlich kam diese Mode Hammerklavier - mit Bezug zum Cembalo. Also von daher finde ich, dass diese Musik als Sprache wunderbar zu Elsners Musik passt."
Elsner wurde 84 Jahre alt und er erlebte verschiedene musikalische Epochen und überlebte zahlreiche seiner Schüler: Chopin ebenso wie Ignacy Feliks Dobrzyński. Neben seinem Klaviertrio in B-Dur, das Elsner mit Ende 20 komponierte, und das von der Tonsprache noch an Haydn angelehnt ist, umfasst sein Oeuvre zahlreiche Messen, Kantaten, Opern, Sinfonien und eine geringe Anzahl an Solokonzerten.

Innovator der Musikwelt Polens

Das polnische Musikleben prägte er nicht nur durch seine rege kompositorische und pädagogische Tätigkeit, sondern auch als revolutionärer Innovator.
Rund um die Wende zum 18. Jahrhundert eröffnete er die erste Notenstecherei in Warschau und publizierte eine musikalische Monatsschrift unter dem Titel "Auswahl schöner Musikwerke und polnischer Lieder". Der Schlesier verfasste Schriften über den polnischen Gesang, er trat als Begründer der polnischen Gesangsschule in Erscheinung, bemühte sich darum, Deklamation und Gesang in polnischer Sprache als Teil der Musikausbildung zu etablieren. Zudem war Joseph Elsner Mitbegründer der zentralen Musikschule in Warschau, die immer auch ein Politikum gegenüber der russischen Krone darstellte - solange es in Petersburg und Moskau kein Konservatorium gab. Bis zum Polnischen Aufstand 1830 konnte sie sich halten.
Trotz seiner Verdienste um die polnische Musikkultur blieb Elsners musikalisches Vermächtnis nur Kennern ein Begriff – zumindest bis jetzt.
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