Der "Knochen"-Klassiker

Deutschlands Pflasterstein Nummer eins

Ein Parkplatz mit Doppel-T-Verbundpflastersteinen
Ein Parkplatz mit Doppel-T-Verbundpflastersteinen © EHL AG
Von Marietta Schwarz · 27.09.2016
Er prägt das Stadtbild, aber kaum einer nimmt ihn wahr: der Doppel-T-Verbundpflasterstein, auch "Knochen" genannt. Unsere Autorin Marietta Schwarz ist dem Geheimnis seines stillen Erfolges auf den Grund gegangen.
Kenner nennen ihn einfach Knochen – den Stein, der Anfang der 60er-Jahre das bundesdeutsche Pflaster revolutionierte. Weil er wie ein Knochen aussieht. Oder wie ein H, oder eben ein Doppel-T: Nicht rechteckig, sondern oben und unten breiter. Offiziell heißt er Doppel-T-Verbundpflasterstein und ist aus Beton. Schauen Sie mal hin, dann werden Sie ihn überall sehen!
"Der H-Stein taucht in allen deutschen Bundesländern in jeder guten Garagenvorfahrt auf. Auf landwirtschaftlichen Grundstücken, in Zufahrten, in Feuerwehrflächen und dergleichen. Also ein Betonstein, der ab den 60er-Jahren das Natursteinmaterial versucht zu verdrängen und fast vollständig ersetzt."
Neudeutsch würde man das "Disruption" nennen. Tatsächlich hat sich der Knochenstein relativ schnell gnadenlos verbreitet, sagt Regine Keller, Landschaftsarchitektin mit Professur in München. Die Hersteller, die ihn bis heute produzieren, bestätigen das.
Sven Jordan zum Beispiel, Vertriebsleiter bei der Betonsteinfirma EHL, 1000 Mitarbeiter, Hauptsitz: Kruft. Der Knochen, sagt er, ist ein Klassiker.
"Das ist das Embryo in der Betonindustrie. Das ist der Grundstein, wo das alles so los ging, diese ganze Betonindustriegeschichte."

Patent für 30 D-Mark

Man muss sich vorstellen: 50er-, 60er-Jahre, Wirtschaftswunder. Der Glaube an die Technik ist ungebrochen, der Verkehr auf deutschen Straßen nimmt zu. Ein Tüftler fängt an zu zeichnen: Grundriss und Aufriss eines Steines. Kräfte-Pfeile. Er meldet für 30 D-Mark ein Patent für einen Betonstein an, der sich beim Verlegen mit den Nachbarsteinen ineinander verkeilt und so fast wie eine Beton-Fläche wirkt. Regine Keller spricht von einer hohen "Scherfestigkeit".
"Die Problematik alter Beläge war immer, dass sie durch die Verkehrsbelastung aus den Fugen geraten sind im wahrsten Sinne des Wortes und deswegen ein Fugenstein entwickelt wurde, der sich nicht so leicht gegeneinander verschiebt."
10 Euro pro Quadratmeter, billiger geht’s nicht. Wo der Knochen einmal liegt, da liegt er bis in alle Ewigkeit. Deshalb werfen Werke wie das von Herrn Jordan diesen Stein bis heute auf den Markt.
"Zeit ist Geld, und Geld hat niemand, und dieser Knochenstein ist vom Verlegen relativ einfach, weil man den mit einer Verlegezange maschinell verlegen kann."
Aber jetzt mal ehrlich, Herr Jordan. Finden Sie den schön?
(lacht) "… wird das aufgezeichnet gerade? ich finde den Stein nicht schön, aber ich finde ihn funktional."

Funktioniert nur im rechten Winkel

Bei Kurven und Bögen hört die Funktionalität allerdings schnell auf. Denn da kommt das Doppel-T nicht rum. Eigentlich funktioniert dieses Pflaster nur im rechten Winkel. Aber der hört bei jeder Abbiegung auf.
"Richtig, wenn ich da Kurven reinmachen will muss ich schneiden. und das kostet wiederum Zeit. Zeit ist Geld. Und Geld wollen wir sparen."
Regine Keller, Berufsästhetin, nennt den Knochenstein spießig. Im Gegensatz zum Natursteinpflaster, das um die Kurve kam und das er trotzdem verdrängt hat, altert er nicht gut und schafft monotone Flächen. Aber ein bisschen schlägt ihr Herz auch für ihn.
"Ich finde die Invention, die Entwicklung sehr interessant, ich finde die Struktur fast schon wieder retrochic."
Für die Sanierung des Olympischen Frauendorfs in München hat Regine Keller mit ihrem Büro sogar einen Knochenstein 2.0 entwickelt.
"Und im Sinne der 70er-Jahre und flower-power-beseelten Kultur haben wir die Form zeichnerisch gemorpht."
Er sieht organischer, verspielter aus, heißt jetzt auch nicht mehr Knochen-, sondern "Sinus"-Stein und ist sogar auf dem Markt erhältlich. Tendenziell bewegt sich der Markt allerdings vom Verbundpflaster weg. Das wiederum hat mit unserem Öko-Bewusstsein zu tun. Wir wollen wieder größere Fugen, in denen Regenwasser versickern kann. Die Industrie stellt dafür Betonsteine im Naturstein-Look her. Eine Art Laminat für die Straße. Doch das ist wieder eine ganz andere Geschichte...
Mehr zum Thema