Der Kaiser und sein Seelenheil

Von Adolf Stock · 08.09.2012
Im Kloster Memleben entführt eine neue Ausstellung ihre Besucher in die Zeit der deutschen Kaiser im 10. Jahrhundert: Heinrich der I. und Otto der Große sind beide hier gestorben. Der Tod war zu ihrer Zeit ein allgegenwärtiger Begleiter, der viel über den Glauben und die Theologie dieser Epoche verrät.
Am Ufer der Unstrut liegt das Kloster Memleben, oder besser, die Reste eines Klosters, das 1548 infolge der Reformation geschlossen wurde.

Andrea Knopik ist die Leiterin des dortigen Museums. Sie erzählt den Besuchern von bedeutenden Herrschern, einem Kloster und einer nicht mehr vorhandenen Kaiserpfalz.

"Otto starb 973 in Memleben, seine Eingeweide wurden hier entfernt und wurden im Memleben beigesetzt. Sein übriger Leichnam wurde nach Magdeburg überführt und dort im Magdeburger Dom beigesetzt."

Wie schon sein Vater Heinrich ist auch Otto der Große in Memleben gestorben. Ihm zu Ehren stiftete sein Sohn Otto II. ein Benediktiner-Kloster, denn es war heilige Pflicht der Lebenden, sich um das Seelenheil der Toten zu kümmern. Das Kloster wurde mit beachtlichen Ländereien ausgestattet, um vor allem der Memoria zu dienen, dem Totengedenken, sagt Ottonen-Experte Matthias Puhle, der bis Ende August Leiter der Magdeburger Museen war.

"Es ist sicher mehr als ein Zufall, dass Otto der Große hier gerade gestorben ist. Aber der Zufall wird auch eine Rolle gespielt haben. Wer weiß schon, wann seine letzte Stunde geschlagen hat? Auch Otto wird das nicht gewusst haben, aber es hat ihn hier tatsächlich dann erwischt."

"Wann haben Sie selber das letzte Mal aktiv über Ihren eigenen Tod nachgedacht?"

Mit dieser rhetorischen Frage will Andrea Knopik darauf hinweisen, dass im Mittelalter jeder tagtäglich an den Tod dachte. Niemand wollte unvorbereitet ins Jenseits gehen. Alles stand auf dem Spiel, denn es gab nur zwei Möglichkeiten: Hölle oder Paradies.

"Der Besucher erfährt etwas über die Vorbereitung eines Herrschers auf seinen eigenen Tod, von der zu treffenden Nachsorge, den Jenseitsvorstellungen der Hölle. Alles Themen, die sich in der Ausstellung wiederfinden und die die Ursachen für die Klostergründung in Memleben sind."

Ein kleines Skalpell aus dem 8. oder 9. Jahrhundert, das im Kloster Lorsch gefunden wurde, wird wie eine kostbare Ikone präsentiert. Doch an dem Skalpell ist nichts anbetungswürdig, es dient nur als Hinweis, was es praktisch bedeutet, wenn die Eingeweide getrennt von der Körperhülle bestattet werden. In der Ausstellung berichtet der fiktive Mönch Adelach davon.

"Noch immer klingen die leisen Fürbitten und Psalmen durch die Wände des Raumes, indem wir ihm die Innereien aus dem Leib schneiden. Es ist dunkel, die Kerzen geben nicht sehr viel Licht, vielleicht ist es besser so. Wie viel doch in einem menschlichen Körper versteckt ist. Das Skalpell leistet jetzt gute Dienste. Sonst schneiden wir damit Abszesse, hier habe ich durch die Bauchwand eines Imperators geschnitten."

Die Religionsausübung im Mittelalter darf man nicht nur metaphysisch verstehen. Es gab auch körperliche Aspekte. Gläubige geißelten sich bis aufs Blut oder begannen zu hungern, um Buße zu tun.

In Memleben werden auch Reliquien gezeigt, Körperteile von Heiligen, oder Gegenstände, mit denen die Heiligen in Berührung kamen. Die Reliquien vom Grab der Gottesmutter Maria stammen aus ottonischer Zeit. Als sie vor 15 Jahren auf dem Dachboden des Frauenstifts zu Gandersheim gefunden wurden, waren sie in kostbare byzantinische Seide gehüllt. Es sind kleine Reliquien-Päckchen, die zwischen Gott und den Menschen vermitteln. Und man sieht Grabbeigaben: Schläfenringe, Gürtelschnallen und Perlen. Weiter werden kostbare Handschriften und spätmittelalterliche Sterbebücher gezeigt. Das wertvollste Exponate ist die Gründungsurkunde des Klosters.

Ein Film zeigt die Geschehnisse im Memleben von der Ankunft Ottos im Mai 973 bis zu seiner Überführung als toter Kaiser in den Dom nach Magdeburg. Verwandte, Freunde und Priester begleiteten den Herrscher beim Sterben und auf seinem vorerst letzten Weg.

Im Moment des Todes kam es zu erbitterten Kämpfen zwischen den himmlischen Heerscharen und den Dämonen.

Im Zentrum der Ausstellung ist eine begehbare Schatzkammer aufgebaut. Die Wände sind feuerrot, und Bilder und Gegenstände malen die Hölle in schaurigen Farben. Auf einem gemeißelten Sandstein begrüßt Luzifer einen Verdammten am Höllentor.

Götz Ulrich ist Bürgermeister von Memleben. Er stemmt ein schweres Gewicht auf die rechte Schale einer mannshohen Waage. Das rote Stück Blei drückt sie bedrohlich nach unten. Es steht für Hochmut, eine schwere Verfehlung, die zu den sieben Todsünden zählt. Jetzt hat Götz Ulrich große Schwierigkeiten, genügend blaue Gewichte zu finden, die seine Sünde auf der anderen Seite wieder ausgleichen könnten. Vielleicht müssen noch seine Nachfahren für den Bürgermeister sühnen, um die Unversehrtheit seiner Seele zu garantieren, sonst droht das Fegefeuer oder die Hölle, warnt Andrea Knopik.

"Hier können die Besucher Sünden wie Mord, Diebstahl oder auch Ehebruch gegen Bußleistungen aufwiegen und sich dadurch einfach den damaligen Relationen dieser beiden Sachen wesentlich besser nähern."

Mit viel Geld und mildtätigen Werken versuchten die wohlhabenden Christen in den Himmel zu kommen. Eine Klosterstiftung wog auf der Waagschale des Lebens etliche Sünden auf. Wie das einfache Volk im Mittelalter in den Himmel kam, weiß keiner so genau. Es fehlt an historischen Quellen. Wahrscheinlich blieb armen Leuten nur das Fasten und Beten, um tätige Reue zu zeigen und Buße zu tun.

Links:
Museum Kloster und Kaiserpfalz Memleben