Der imperiale Präsident

Von Nicolas Hansen · 29.10.2008
Die Väter der amerikanischen Verfassung schufen ein Prinzip gegenseitiger Kontrolle von Exekutive, Legislative und Judikative. Doch seit Inkrafttreten der Verfassung 1789 haben amerikanische Präsidenten die Machtfülle des Amtes ausgebaut. Auch der noch amtierende Präsident George W. Bush hat das verfassungsmäßige Gleichgewicht mehrfach auf die Probe gestellt.
Nach den Anschlägen vom 11. September verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz, das es der Regierung erlaubt, jedes Telefongespräch abzuhören, jede E-Mail mitzulesen, jede Wohnung und jedes Büro zu durchsuchen, ohne dass ein Richter dies genehmigt hatte und ohne dass der Betroffene jemals etwas davon erfährt. Der offizielle Name dieses Gesetzes: Vereinigen-und-Stärken-von-Amerika-durch-Bereitstellen-angemessener-und-notwendiger-Werkzeuge-zur-Beendigung-und-Aufhaltung-des-Terrorismus-Gesetz. Die Worte dieses sperrigen Titels wurden in seiner englischen Version so gewählt, dass sie als Abkürzung USA PATRIOT Act ergeben. Das Signal ist klar: wer dagegen ist, ist unpatriotisch. Aber, wer dafür stimmt, segnet den weitestreichenden Eingriff in die Bürgerrechte seit der McCarthy Ära ab.

Musik: Toby Keith: "Angry American (Courtesy of the Red, White and Blue)”
"American Girls and American Guys
We'll always stand up and salute
We'll always recognize
When we see Ole Glory Flying
There's a lot of men dead
So we can sleep in peace at night
When we lay down our head"


Durch den Patriot Act können Bankkonten durchleuchtet werden - wer bekommt wie viel Geld woher - , bei Ärzten und Versicherungen können medizinische Unterlagen eingesehen werden und Interessensprofile sind durch die Kontrolle von Ausleih- und Lesegewohnheiten bei Bibliotheken und Online-Buchversendern möglich. Selten wurden die Bürgerrechte in Amerika so unter Druck gesetzt wie nach den Angriffen vom 11. September. Bürgerrechtsorganisationen protestierten gegen den Patriot Act, Kritik wurde laut, doch das Gesetz wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. Kein Abgeordneter wollte als unpatriotisch gelten, nur ein Jahr später waren Wahlen und dies war die Stunde der Patrioten.

Musik: Toby Keith:
"Hey Uncle Sam
Put your name at the top of his list
And the Statue of Liberty
Started shaking her fist
And the eagle will fly
And there's gonna be hell
When you hear Mother Freedom
Start ringing her bell
And it‘ll feel like the whole wide world is raining down on you
Brought to you Courtesy of my Red White and Blue"


George W. Bush: "Our grief has turned to anger, and anger to resolution. Whether we bring our enemies to justice, or bring justice to our enemies, justice will be done."

Im Oktober 2001 begannen die Angriffe auf Afghanistan, im März 2003 der Krieg gegen den Irak. Präsident Bush fasst alle Maßnahmen zusammen - unter dem Begriff "Krieg gegen den Terror".

Der Begriff ist entscheidend. In Kriegszeiten ist der Präsident laut Verfassung der Oberbefehlshaber über die Streitkräfte. In Kriegszeiten schart sich das Volk um den Präsidenten und in Kriegszeiten werden seine Entscheidungen und Maßnahmen weniger in Frage gestellt. Unter diesen Umständen kann der Präsident mehr Macht als üblich ausüben. Der Terror als diffuses Feindbild lässt nicht nur alle möglichen Formen der Bekämpfung zu, sondern der sogenannte "Kampf gegen den Terror" ist weder geografisch noch in seiner Dauer festgelegt.

Afghanistan 2001. Nach den Anschlägen vom 11. September nehmen Eliteeinheiten der US-Armee im ganzen Land Menschen fest, die sie des Terrorismus verdächtigen. Etwa 770 von ihnen werden auf die US-Marinebasis in Guantanamo Bay auf Kuba gebracht.

George W. Bush: "We've captured and detained thousands of terrorists and enemy fighters in Afghanistan, in Iraq, and other fronts of this war on terror. These are enemy combatants."

New York. Broadway, Lower Manhattan. Hier sind die Büros des Center for Constitutional Rights, einer Bürgerrechtsorganisation zur Sicherung der Verfassungsrechte. Die Anwälte der Organisation vertreten einige der sogenannten illegalen oder feindlichen Kämpfer, die "enemy combatants", die in Guantanamo festgehalten werden. Genau wie beim Patriot Act und dem Krieg gegen den Terror, ist auch hier der Begriff entscheidend. Shayana Kadidal ist einer der Anwälte.

"Enemy Combatant ist ein frei erfundener Begriff, der vielleicht dreimal in der Rechtsgeschichte vor dem 11. September aufgetaucht ist. Die Bush-Administration vermischt damit Konzepte des Terrorismus mit denen von Kriegsgefangenen. Kriegsgefangene werden normalerweise nicht vor ein Gericht gestellt, aber man muss sie sehr gut behandeln, sie dürfen nicht gegen ihren Willen verhört, nicht in Einzelhaft gehalten werden und so weiter. Die Regierung nimmt nun den Teil, dass sie nicht vor Gericht gestellt werden und lässt den Rest weg. Den Rest ersetzen sie durch die Art, wie man Kriminelle behandelt, dass man sie verhören darf, sie in Einzelhaft halten und als geheim eingestufte Information der Öffentlichkeit vorenthalten darf."

Mit der Definition war es möglich, Menschen willkürlich festzuhalten, zu verhören, unter Druck zu setzen, ohne Anklage, ohne Anwalt, ohne Aussicht auf Freilassung. Auch ein Haftprüfungsverfahren wurde ihnen verwehrt. Dieses Recht auf das in Aritkel 1 der Verfassung festgeschriebene Prinzip "habeas corpus" hatte zuletzt Abraham Lincoln zu Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs in Maryland außer Kraft gesetzt.

Shayana Kadidal: "Diese Republikaner hatten die Kontrolle über den Kongress während der ersten sechs Jahre der Amtszeit von Präsident Bush und man würde annehmen, dass der Kongress eine Vielzahl an Gesetzen verabschiedet hat, die die Bürgerrechte einschränken. Das ist aber nicht passiert. Stattdessen ist der Präsident losgegangen und hat gesagt, ich kann das auch alleine, das gehört zu meinen rechtmäßigen Kriegsrechten, ich brauche den Kongress nicht, mir diese Rechte zu geben, Leute zu inhaftieren oder abzuhören. Das ist wirklich der Kern seit 9/11, dieses vermehrte, einseitige Geltendmachen von präsidialer Macht. Der Präsident sieht sich mehr wie ein gewählter Diktator, der den Kongress und die Gerichte nicht achtet."

1776, zum Zeitpunkt der amerikanischen Unabhängigkeit, galt der englische König in der Neuen Welt als die Verkörperung der Tyrannei. Nie wieder sollte ein Mensch die alleinige Macht über Amerikaner ausüben und so wagten sie die Revolution gegen England und erklärten sich für unabhängig. Sie waren stolz, selbstbestimmt und frei. Bis heute prägt dieser Gedanke ihr Selbstbewusstsein.

Sie gründeten die Vereinigten Staaten von Amerika, einen Staatenbund, keinen Bundesstaat, zusammengehalten von einer Art Satzung, den Konföderationsartikeln. Das System offenbarte schnell seine Schwächen in der Innen- und Außenpolitik, der Finanzpolitik und der Gerichtsbarkeit. Herbert Sloan, Historiker am Barnard College in New York.

"Viele Leute kamen sehr gut mit dem System zurecht. Aber dann gab es noch eine entscheidende Gruppe von Leuten, die mit dem System unzufrieden waren. Das waren Leute wie George Washington, James Madison, Alexander Hamilton, diese Leute, die später als die Gründungsväter bezeichnet wurden."

Im Mai 1787 traf sich in Philadelphia eine hochkarätige Runde. 55 Delegierte waren aus zwölf Bundesstaaten angereist und trafen sich im Pennsylvania State House. Sie entwickelten Konzepte, wälzten Ideen, diskutierten und stritten über Formulierungen und sie waren dabei eine neue, nie dagewesene Form von Regierung zu schaffen. Eine Regierung zentralistisch und föderal zugleich, bestehend aus drei Gewalten, die sich gegenseitig überwachten.

Ein erstes Dokument wurde entworfen, beraten, dann ein zweites. Das Dokument sah einen Präsidenten als Regierungschef vor. Es gab Widerstand, das Misstrauen war groß, die Erfahrungen mit einem König waren noch nicht überwunden. Weitere Wochen verstrichen. Mit der Struktur der Verfassung machten die Autoren deutlich, wie sie die Rangfolge der drei Gewalten sahen.

Herbert Sloan: "Es gibt einige Hinweise in der Verfassung und der offensichtlichste Hinweis ist, dass der Artikel, der mit der Legislative zu tun hat, mit dem Kongress, Artikel 1 ist. Es ist der Erste, weil der als das Wichtigste angesehen wurde. Die Exekutive ist Artikel 2 und dann die Judikative, ein sehr kurzer Artikel, der nicht viel aussagt, ist Artikel 3. Die Legislative hat die Macht, den Präsidenten zu kontrollieren und die letztliche Kontrollmacht ist die der Amtsenthebung. Der Kongress kann den Präsidenten entfernen, aber der Präsident nicht den Kongress. Im Sinne der Verfassungsväter kommt dem Parlament eine Schlüsselfunktion zu. Der Präsident ist wichtig, aber er ist dem Parlament untergeordnet."

Für einige Abgeordnete kam die Schaffung eines Präsidentenamtes der Errichtung einer neuen Monarchie gleich. Gegner der neuen Verfassung versuchten eine Ablehnung herbeizuführen. Doch das Dokument war gut durchdacht, bis heute ist sie die älteste Verfassung der Welt und grundlegend geändert wurde sie nie, nur hier und da den Erfordernissen einer modernen Zeit angepasst.

In einigen Zeitungen erschienen Artikel, unterzeichnet mit dem Pseudonym Publius. In ihnen erklärten drei der Verfassungsväter, was sich die Delegierten bei den einzelnen Artikeln der Verfassung gedacht hatten. Hinter Publius verbargen sich der spätere vierte Präsident James Madison, der erste Finanzminister Alexander Hamilton und der erste Oberste Bundesrichter John Jay. Ihre Zeitungsartikel stellen bis heute den wichtigsten Verfassungskommentar dar. Sie werden herangezogen, wenn es zu bestimmen gilt, was die Verfassungsväter wollten. Und in Bezug auf die Macht des Präsidenten schreibt James Madison:

"Die Ballung aller Gewalten, der gesetzgebenden, vollziehenden und rechtsprechenden in einer Hand, sei es einer einzigen Person, mehrerer oder vieler Menschen, sei es durch Erbe, Selbsternennung oder Wahl, kann man zu Recht als die eigentliche Definition von Tyrannei bezeichnen."

James Monroe, Amerikas fünfter Präsident, war der erste, der nicht an diesen Geist der Gründungsväter anknüpfen konnte. Er hatte als junger Politiker im Parlament von Virginia noch gegen die Annahme der Verfassung gestimmt, da er gegenüber der Macht des Präsidenten Misstrauen hegte. Als er dann selbst dieses Amt inne hatte, trat er allerdings entschiedener als seine Vorgänger auf. In einer Rede vor dem Kongress warnte er alle europäischen Mächte vor einer weiteren Kolonisierung des amerikanischen Kontinents. Jede europäische Einmischung in die Angelegenheiten eines unabhängigen Landes in Amerika würde als feindlicher Akt gegen die Vereinigten Staaten verstanden. Diese Erklärung ging als Monroe Doktrin in die amerikanische Geschichte ein. Alan Brinkley, Professor für amerikanische Geschichte an der Columbia University in New York.

"Nun, ich denke, wenn Präsidenten eine Doktrin äußern, handelt es sich immer um eine Erweiterung präsidialer Macht. Eine Doktrin, im Gegensatz zu einem Gesetz, hat keine verfassungsmäßige Grundlage. Die Monroe-Doktrin basierte nur auf dem Prinzip der öffentlichen Zustimmung. Doch sie wurde zu einer Äußerung von amerikanischem Machtanspruch und Nationalismus und sie hatte nachhaltigen Einfluss auf die Art, wie wir Lateinamerika sehen. Also, das war schon ein bedeutender Ausdruck von Macht durch den Präsidenten. Und von allen Doktrinen, die Präsidenten geäußert haben, war dies wohl die erfolgreichste."

Ursprünglich war sie lediglich als Ausdruck moralischer Opposition gegen jegliche Form der Kolonialpolitik gedacht, doch sie entwickelte eine Eigendynamik. Andere starke Präsidenten nahmen diese Erklärung zur Grundlage für ihre Außenpolitik und ihren Machtanspruch.

Anfang des 20. Jahrhunderts amtierte Theodore Roosevelt als Präsident und einige mittelamerikanische Staaten waren wirtschaftlich in eine Schieflage geraten. England und Deutschland liehen großzügig Geld und erweiterten damit, sehr zum Missfallen der Vereinigten Staaten, ihren wirtschaftlichen Einfluss in diesen Ländern. Die Monroe Doktrin und ihr Zusatz von Theodore Roosevelt sind die Basis für den amerikanischen Anspruch, eine internationalen Polizeigewalt zu sein. Roosevelt fasste seine Haltung selbst einmal so zusammen: sprich warmherzig und trage dabei einen großen Knüppel.

Musik: Battle of New Orleans
"In 1814 we took a little trip
Along with Colonel Jackson down the mighty Mississip.
We took a little bacon and we took a little beans
And we caught the bloody British in the town of New Orleans."


Präsidenten traten aber nicht nur nach außen mit Bestimmtheit auf. Auch innenpolitisch setzten sie Zeichen und erweiterten ihren Einfluss. Andrew Jackson, der als Held aus dem Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812 hervorging, wurde 1829 Präsident. Unter seinen Truppen wurde er bewundert, er galt als hart wie Hickory-Holz und bekam daher den Spitznamen "Old Hickory".

Mit gleicher Härte und militärischem Anspruch regierte er auch als Präsident. Was er sagte, war Gesetz. Für ein Land mit demokratischem Anspruch eine Herausforderung. In der die Indianer betreffenden Umsiedlungspolitik ignorierte er einfach die Entscheidungen des Obersten Bundesgerichts. Und als South Carolina für sich entschied, dass es selbst über die Gültigkeit von Bundesgesetzen befinden könne, ließ er sich vom Kongress ermächtigen, notfalls die Armee gegen South Carolina einsetzen zu können. Erste Vorzeichen auf einen größeren Konflikt: den amerikanischen Bürgerkrieg.

Es war tatsächlich South Carolina, das den Bürgerkrieg auslöste. Das Parlament von South Carolina erklärte im Dezember 1860 den Austritt aus der Union. Noch bevor Lincoln Präsident wurde, folgten sechs weitere Staaten. Sein Vorgänger James Buchanan sagte:

"Der Süden hat kein Recht zur Sezession, aber ich habe keine Macht, das zu verhindern."

Er bezog sich damit auf die Truppen der US-Armee. Ein Großteil war in Texas stationiert und wurde mit der Sezession in den Dienst der Südstaaten überstellt. Nachdem Abraham Lincoln das Amt übernommen hatte, griff er hart durch. Er forderte Truppen aus allen Nordstaaten an, Freiwilligenarmeen. Da die Hauptstadt Washington an der Grenze zu Virginia lag, das zu den Südstaaten zählte, befürchteten Lincolns Berater, dass die Südstaaten die Hauptstadt einnehmen könnten. Truppen aus dem nördlichen Massachusetts kamen zur Unterstützung. Als diese von Sympathisanten des Südens in Maryland angegriffen wurden, setzte Lincoln dort die Bürgerrechte außer Kraft. Alan Brinkley:

"Der schockierendste Ausdruck von Machtausübung durch Lincoln war das Außerkraftsetzen von habeas corpus, was der Regierung die Macht gab, Menschen einzusperren - ohne Anklage, ohne Verfahren. Die Bush-Regierung hat sich das gleiche Recht genommen, allerdings ohne das formell zu erklären. Das ist wirklich eine außergewöhnliche Steigerung von Macht durch einen Präsidenten und extrem umstritten und auch nicht lange durchhaltbar."

Amerika sah sich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts stets als eine von Europa isolierte und neutrale Nation an. Doch mit dem wirtschaftlichen Wachstum, mit dem Aufkommen von großen Konzernen und Monopolstrukturen wurde Amerika zwangsläufig auch internationaler. Es war die Zeit der Rockefellers, der Carnegies, der Vanderbilts. In seiner Innenpolitik versuchte Theodore Roosevelt, die großen Monopolstrukturen zu zerschlagen und so kämpfte er während seiner ersten Amtszeit gegen das Ölimperium von Rockefellers Standard Oil Company.

Alan Brinkley: "Ich denke die moderne Präsidentschaft begann mit Theodore Roosevelt, der wirklich an die Wichtigkeit von präsidialer Macht glaubte, an die Wichtigkeit des Präsidenten als Individuum, der bedeutende Macht ausübt. Aus seiner Sicht war es ein Unglück, dass er zu einer Zeit Präsident war, als es keine größere Krise gab. Und er bedauerte, dass seine Fähigkeit, der Präsidentschaft zu mehr Macht zu verhelfen, durch die relativ friedliche Zeit eingeschränkt war, obwohl es diese Finanzkrise 1907 gab."

Ganz anders ging es da seinem Namensvetter Franklin D. Roosevelt, der 1933 Präsident wurde. Die USA steckten mitten in einer Wirtschaftskrise, in Europa waren gerade die Nationalsozialisten an die Macht gekommen und im Zweiten Weltkrieg griff Japan Pearl Harbor an. Seine ersten hundert Tage im Amt sind legendär. Er nutzte die Zeit für eine Reihe von Gesetzen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise.

Alan Brinkley: "Roosevelt nutzte seine Macht in erster Linie durch das Gesetzgebungsverfahren in einer Zeit, als er annähernd die absolute Kontrolle über den Kongress hatte. In seinem ersten Jahr gelang es ihm, eine Reihe von Gesetzen umzusetzen, die ihm zusätzliche Macht gaben - Macht, Geld auszugeben, Macht, die Infrastruktur auszubauen, Macht, in den Wirtschaftsprozess einzugreifen. Es gab selten einen Präsidenten, der mehr Macht auf sich vereinigt hatte als Roosevelt in seinen ersten Monaten im Amt. Und er hat diese Macht auch sehr aggressiv genutzt, bis der Kongress Widerstand leistete."

Während Roosevelts Amtszeit brach der Zweite Weltkrieg aus. Der Präsident war bereits einmal wiedergewählt worden, doch Franklin D. Roosevelt blieb überzeugt davon, niemand außer ihm sei in der Lage das Land in Zeiten einer Krise führen zu können. Und so brach er mit dem Prinzip der zwei Amtszeiten und stellte sich ein drittes Mal zur Wahl. Er wurde gewählt - und er wurde sogar noch ein viertes Mal gewählt.

Roosevelt starb während seiner vierten Amtszeit und Truman wurde sein Nachfolger. Nach seinem Tode verabschiedete der Kongress einen Verfassungszusatz, der durch die Bundesstaaten angenommen wurde. Die Präsidentschaft wurde definitiv auf zwei Amtszeiten begrenzt. Roosevelt hatte zweifellos Großes für Amerika geleistet, aber er hatte seine Macht im Rahmen der Verfassung und der Gesetze auch bis zum Anschlag ausgenutzt - allerdings ohne sie zu brechen. Anders Richard Nixon.

Herbert Sloan: "Nixon weigerte sich anzunehmen, dass es irgendwelche Grenzen seiner Macht gibt. Die geheimen Kriege, die er in Kambodscha und so weiter führte, waren weit von den Vorstellungen der Verfassungsväter entfernt."

Der Vietnamkrieg rief während seiner Amtszeit zunehmend Widerspruch in der Öffentlichkeit hervor und Kritik war etwas, womit Richard Nixon gar nicht umgehen konnte. Er ließ in seinem persönlichen Kampf gegen die Kritiker abhören, infiltrierte Friedensgruppen mit FBI-Agenten, ließ Briefe von Aktivisten öffnen und Häuser und Wohnungen durchsuchen. Doch im Interview mit David Frost von der BBC zeigt er kein Unrechtsbewusstsein:

Frost: " Was Sie sagen ist, dass der Präsident im Interesse des Landes auch etwas Illegales tun kann?"
Nixon: " Nun, wenn der Präsident das tut, ist das nicht illegal."
Frost: "Per Definition."
Nixon: " Genau. Genau. Wenn der Präsident eine Entscheidung trifft im Sinne der Nationalen Sicherheit oder wie in diesem Fall im Sinne der inneren Sicherheit und Stabilität, dann müssen diejenigen, die diese Aktionen ausführen, sich sicher sein, nicht gegen das Gesetz zu verstoßen."

Präsident Nixon war skrupellos, was die Methoden und auch was die Wahrheit anging, als man ihm auf die Schliche kam. Er sah sich eher als Opfer derjenigen, die ihm Machtmissbrauch vorwarfen. Er, der Sohn eines einfachen Lebensmittelhändlers, hatte es geschafft und war Präsident der Vereinigten Staaten geworden. Das, was er erreicht hatte, hatte er sich selbst verdient. Und so war er misstrauisch gegenüber allen und jedem.

Richard Nixon: "People have got to know wheater or not their President is a crook. I'm not a crook. I earned everything I got."

Ich bin kein Verbrecher, versicherte Richard Nixon bei einer Pressekonferenz. Wahlkampfhelfer seiner Republikanischen Partei waren in die Wahlkampfzentrale der Demokraten im Watergate Bürokomplex eingebrochen und hatten dort Unterlagen ausspioniert. Der Präsident behauptete anschließend, von all dem nichts gewusst zu haben. Wenn jemand das Gegenteil behauptet, würde Aussage gegen Aussage stehen, aber ihm könne nichts nachgewiesen werden.

Der Kongress untersuchte die Vorfälle und stieß dabei auf einen Zeugen, der von einer Abhöreinrichtung im Oval Office des Präsidenten berichtete, die Nixon selbst hatte installieren lassen. Nun wurde ihm seine eigene Abhöranlage zum Verhängnis. Nach außen tat er so, als ob nichts wäre. Lasst die nur machen, sagte er im Garten des Weißen Hauses gegenüber seinen Mitarbeitern, wir haben einen Job zu erledigen.

Richard Nixon: "I always use a phrase that my Ohio father used to use. That's just playing papica. We're gonna stay on this job until we get the job done."

Richard Nixon hatte seine Macht missbraucht und das konnte ihm auch nachgewiesen werden. Bevor er vom Kongress des Amtes enthoben werden konnte, trat er am 09. August 1974 zurück.

Richard Nixon: "I shall resign the presidency affective at noon tomorrow. Vice President Ford will be sworn in as President at this hour in this office."

Alan Brinkley: "Sie kennen bestimmt das Buch von Arthur Schlesinger, das 'Die Imperiale Präsidentschaft' heißt und das nach Watergate und der Nixon Regierung geschrieben wurde und in dem er diesen ständigen Zuwachs an präsidialer Macht beklagt, die er selbst während des New Deal und in den Kennedy- und Johnson-Jahren gutgeheißen hatte. Er hatte den Eindruck bekommen, dass der Präsident zu viel Macht hatte und dass die Politik das korrigieren sollte und dem Kongress wieder mehr Macht zukommen sollte."

Unter Nixons Nachfolger Gerald Ford wurde ein junger Mann namens Richard - genannt Dick - Cheney zum Stabschef des Weißen Hauses. Er war erst 34 Jahre alt und sah, wie Präsident Ford nach Nixons Machtmissbrauch die Hände gebunden waren und dieser als schwacher Präsident in die Geschichte einging. Eine prägendes Bild für Cheney. Seitdem setzt er sich für die Erweiterung präsidialer Macht ein.

Unter George W. Bush wurden diese Grenzen so stark erweitert, dass nicht wenige Beobachter die Vereinigten Staaten am Rande einer Verfassungskrise sahen. Das Konzept dieser Präsidentschaft, vermuten Wissenschaftler wie Herbert Sloan und Alan Brinkley, stammt aus der Feder von Dick Cheney. Demnach geht die Bush-Regierung davon aus, dass der Präsident in erster Linie alleine regiert, ohne den Kongress zu fragen oder die Meinung des Parlamentes zu respektieren. Das gleiche gilt für die Gerichtsbarkeit.

George W. Bush sieht sich selbst, den Präsidenten, als die letzte Instanz in Fragen der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. In der Politikwissenschaft heißt dieses Konzept "unitary presidency".

Herbert Sloan: "Die Verfassungsväter würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie davon erfahren würden. Ein Blödsinn. Es gibt keine historische Berechtigung dafür. Die hatten Bedenken vor zu viel Macht, wollten keine Konzentration von Macht und sie hatten bedenken, dass diese Macht missbraucht werden könnte und sie fürchteten Bevormundung."

Alan Brinkley: "George Bush, der jetzige George Bush, obwohl er so unglaublich unpopulär geworden ist, dass es so aussieht, als hätte er im Moment sehr wenig Macht. Aber für einen Großteil seiner Präsidentschaft hat er alle seine Vorgänger übertroffen in der Ausübung unkontrollierter und oft verfassungswidriger Macht. Er und seine Regierung haben alle möglichen Machtansprüche geltend gemacht, die kein anderer Präsident jemals vorher hatte. Aber der Erfolg, diese Macht tatsächlich zu nutzen, war weitaus geringer. Ich würde diese Regierung als eine bezeichnen, die ursprünglich mal vorhatte, eine imperiale Präsidentschaft zu werden, die aber letztlich gescheitert ist."

Viele Historiker sind sich einig: George W. Bush ist der schlechteste Präsident, den die Vereinigten Staaten jemals hatten. Der Schaden für das Amt ist angerichtet. Der nächste Präsident wird es schwerer haben, Macht auszuüben. Kongress und Medien, alle die, die in den vergangen acht Jahren versagt haben, werden in Zukunft besser hinhören, wenn da einer kommt, der behauptet, er wisse alles am besten, denn er sei der Entscheider.

George W. Bush: "I hear the voices and I read the front page and I know the speculation, but I'm the decider. And I know what's best."