Der Geist von Syd Barrett

04.07.2011
Er war der Erfinder einer der bedeutendsten Bands der Rockgeschichte. Syd Barrett gründete Pink Floyd und verließ die Band nur ein Jahr später. Sein Ruhm und seine Genialität wirkten fort - bis heute, da er als Hauptfigur eines bemerkenswerten Romans wieder auf der Bühne erscheint.
Er erfand den Namen, war Gründer und Kopf von Pink Floyd: der Sänger und Gitarrist Syd Barrett. Mit seinen skurrilen Songs, seinen Vorstellungen von Licht und Klang brachte er völlig neue, "psychedelische" Ideen in die Rockmusik und schuf mit Pink Floyds erstem Album "The Piper at the Gates of Dawn" von 1967 die Grundlage für den späteren weltweiten Erfolg der Band.

Im Jahr darauf verließ Syd Barrett Pink Floyd und verschwand im Nirwana psychopathologischer Schizophrenie. Die verbliebenen Mitglieder der Gruppe hielten weiter zu ihm, unterstützten ihn finanziell und schrieben - für das Album "Wish you were here" – eines ihrer bekanntesten Stücke zu seinen Ehren, das schöne Lied "Shine on, you crazy Diamond". Vor fünf Jahren, im Juli 2006, starb Syd Barrett im Alter von nur 60 Jahren.

Vielleicht war es dieser überraschende Tod, der den italienischen Romancier und Literaturwissenschaftler Michele Mari dazu brachte, Syd Barrett ein Buch zu widmen: "Mr. Pink Floyd". Mit einer Vielzahl von Stimmen, in kurzen Kapiteln von wenigen Seiten, entwirft der Autor eine Art romanhafter Biographie über den Musiker, die sich im Fortgang zu einer kompletten Geschichte von Pink Floyd und ihrem sagenhaften Erfolg ausweitet. Zu Beginn treten etwa die Namensgründer auf, die längst verstorbenen Blues-Musiker Floyd Council und Pink Anderson, die von ihrer Wolke aus kommentieren, was da in ihrem Namen geschieht. Weitere verblichene Rock-Legenden wie Brian Jones und Jimi Hendrix haben ihren Auftritt sowie eine Vielzahl von Managern, Roadies, Licht-Designern und Studiotechnikern, die alle ihre partielle Sicht auf Syd Barrett und Pink Floyd beisteuern. Im Zentrum jener Stimmen stehen jedoch die Band-Mitglieder.

Zwar tauchen die Namen von Roger Waters, David Gilmour Rick Wright und Nick Mason – vermutlich aus rechtlichen Überlegungen, um Klagen abzuwehren – nur verfremdet auf, aber auch der Nicht-Pink-Floyd-Kenner spürt sofort, wie groß Einfluss, Wirkung und Rolle von Syd Barrett für den Fortgang der Band-Geschichte waren. Klug und kenntnisreich "spekuliert" Michele Mari darüber, wie vor allem das Führungs-Duo Waters/Gilmour sich bei fortlaufender Popularität immer mehr entfremdete und wie der Geist von Syd Barrett dabei stets über allem schwebte.

Zugleich gewährt das Buch schöne Einblicke ins innere Getriebe jener musikalischen Supermacht, zu der sich Pink Floyd über die Jahre entwickelte. Man liest, was der gigantische Erfolg des Albums "The Dark Side of the Moon" im Detail bedeutete, erfährt von dem schon fast grotesken technischen Aufwand der Live-Konzerte und den psychologischen Kosten des Ruhms, die schließlich zur verzweifelten Stimmung von "The Wall" führten, jener finalen Ego-Orgie Roger Waters’, die dann zur Trennung führte.

Michele Mari, geboren 1955, ist in Italien ein anerkannter Romancier und Literaturwissenschaftler. Seine Erzählungen, Lyrik und bis dato vier Romane wurden mit Preisen ausgezeichnet, auch "Mr. Pink Floyd" wurde bereits preisgekrönt. Für jeden Fan ist das Buch ein Fest, für alle anderen Leser zumindest ein spannendes Kapitel Pop-Geschichte, vergnüglich zu lesen, literarisch geschickt, wie eben ein Roman über eine der größten Bands der Welt.

Besprochen von Joachim Scholl

Michele Mari: Mr. Pink Floyd. Roman
Aus dem Italienischen von Birte Völker
Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, München 2011
299 Seiten, 19,95 Euro