Der Fadosänger Telmo Pires

Die Sehnsucht nach Schwermut

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Deutschlands einziger Fado Sänger Telmo Pires © picture alliance / dpa / XAMAX
Von Camilla Hildebrandt · 28.01.2016
Der Fado zählt seit dem Jahr 2011 zum Weltkulturerbe. Und es gibt in diesem Musikgenre auch männliche Fadistas. Dennoch sind bei uns vor allem Sängerinnen bekannt. Eine Ausnahme: Telmo Pires, aufgewachsen im Ruhrgebiet.
"Es gibt eine versteckte Liebe
In den dunklen Räumen meines Seins
Wo die Ängste wiederkehren
Und wo die Sonne nicht erscheinen will
Ein beinahe verrücktes Geheimnis
Das gegen das Schicksal ankämpft
Tausend Versprechungen, aber alles ist zu wenig."
"Ich bin die ersten zweieinhalb Jahre in einem winzigen Dorf im Norden Portugals aufgewachsen, und dann plötzlich innerhalb eines Tages der Schlag: Ruhrgebiet. Und ich hab mich immer, seit ich klein war, danach gesehnt zurückzugehen."
Abends, erzählt Telmo Pires, wurde zuhause immer der portugiesische Radiosender eingeschaltet. Dort hört er zum ersten Mal Dulce Pontes und - Amália Rodrigues, die Stimme des Fado.
"Estranha forma de vida, ein Text, den sie mit Mitte dreißig geschrieben hat, die seltsame Art zu leben. Der Text mit dieser Musik, mit dieser Frau ist für mich, wie sie es singt, wirklich die komplette Essenz, ist für mich die Fado-Bibel."
Als Jugendlicher gründet er eine Rockband, entdeckt den französischen Chanson für sich und bringt sich selbst Fado-Singen bei, nimmt Meisterklassen und seine erste CD erscheint. 2010 hat Telmo Pires in Deutschland bereits einen Namen als Fadista, ein Publikum und mehrere CD-Aufnahmen. Aber er beschließt trotzdem seinen Traum zu leben - und zieht nach Lissabon. Er ist zweisprachig aufgewachsen, und das perfekte Beherrschen der Sprache ist alles, was er dorthin mitnimmt.
"Im ersten Jahr als ich da war und Leute kennenlernte, auch den Gitarristen, mit dem ich heute spiele, und ihm zum Beispiel erzählte, ich bin in Deutschland aufgewachsen und so, da sagte er: Was? Pack mal schön deine Sachen und geh wieder zurück! Ich hab wirklich bei Null angefangen. Hier alles stehen und liegen lassen."
Pires lernt den musikalischen Leiter von Dulce Pontes kennen, Davide Zaccharia. Ein Italiener, der seit Jahren in Lissabon lebt, in der Fadoszene fest integriert ist, aber dennoch einen offenen Blick auf den Fado hat, sich von der traditionellen Weise Fado zu singen auch lösen kann und neue Interpretationen zulässt. Mit ihm und einem Team ausschließlich portugiesischer Musiker nimmt er seine nächste CD auf, die erste in Portugal: Fado Promessa, Fado Versprechen.
"Er hat mich mit Musikern zusammengebracht, die mich dann auch gut fanden und in Fadohäuser eingeladen haben zum singen, was ich ja in Deutschland nie gemacht habe, diese Tradition gibt es ja nicht, A Capella sich in die Kneipe zu stellen und einfach zu singen. Das machen dort Unbekannte und Bekannte."
Große Auszeichnung - Einladung in das Fadomuseum
Einfach ist es nicht, sagt Pires in einer Szene akzeptiert zu werden, die er als verschlossen empfindet, in der alle mit dem Fado aufgewachsen sind außer ihm, in der jeder jeden kennt und langjährige Kontakte fast die einzige Möglichkeit sind, um Erfolg zu haben.
"Durch meine permanente Präsenz und dadurch, dass die Kollegen mitbekommen haben, dass ich im Ausland Konzerte gebe, was sie zum Beispiel nicht haben, das ist es, was sie dann aufhorchen lässt. Nach dem Motto, was im Ausland funktioniert, muss ja gut sein."
Männliche Fadistas gibt es in Portugal viele, aber sie lassen sich nicht gut ins Ausland verkaufen, meinen zumindest die Produzenten, erklärt Pires. Seine Platte "Fado Promessa", dort aufgenommen, kommt sehr gut an. Das Fado-Radio "Radio Amália" spielt seine Stücke, und die größte Auszeichnung für ihn ist die Einladung in das Fadomuseum in Lissabon.
"Das ist die Institution ist Lissabon, die offizielle Heimat des Fado, und ich wurde eingeladen mit dieser Platte, obwohl ich mit denen nichts zu tun hatte. Nach dem Konzert kam die Direktorin und sagte: Schade, dass wir uns erst jetzt kennengelernt haben. Und deswegen sind sie jetzt bei der zweiten CD mit im Boot."
Dieses zweite Album, das er gerade in Portugal aufgenommen hat, nur mit portugiesischen Musikern - "Ser Fado"- Fado Sein" - kommt jetzt im März bei uns raus.
Auf diesem Album singt Pires Stücke genau so, wie er sie machen will. Texte neuer Dichter, ältere Lieder, die aber in den Fadohäusern so gut wie nie zu hören sind, eigene Schriften.
Und Pires vertont Amálias "Estranha forma de vida" – mit seinem Text: "Silencio no meu coração", "Stille in meinem Herzen."
"Man plant so viel im Leben, ich finde, man kann nicht alles kontrollieren. Und die Letzte Strophe bezieht sich genau da drauf: 'Schicksal, oder auch Fado, du hast mich in der Hand. Sag mir die Verse, die ich schreiben soll, um endlich diese Stille in meinem Herzen zu brechen.'"
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