"Der Euro ist und bleibt ökonomischer Quatsch"

Max Otte im Gespräch mit Christopher Ricke · 24.11.2010
Der Wirtschaftsprofessor Max Otte hat sich für eine Abschaffung des Euro ausgesprochen. Der Ökonom sagte, der Euro sei gefährlich, weil verschiedene Volkswirtschaften sich nicht unter ein Währungsdach zwingen ließen. Das frühere System der festen Wechselkurse sei viel besser gewesen.
Christopher Ricke: Eine Wirtschaftskrise ist in den nächsten fünf Jahren sehr wahrscheinlich, der Aufschwung war zu großen Teilen einen Scheinblüte, getragen durch eine Aufblähung der Geldmenge, und zwar auf Kosten immer ungesunderer Wirtschaftsstrukturen. Das steht in dem Buch "Der Crash kommt" aus dem Jahr 2006, und das liest sich heute wie eine Vision dessen, was jetzt in Europa passiert: Die Blase platzt. Erst die Rettungsaktion für Griechenland im Frühjahr, jetzt ist Irland unter den Rettungsschirm geschlüpft und heute will die Regierung ihren Sanierungsplan vorlegen, und in Portugal – auch so ein Pleitekandidat – ist heute Generalstreik gegen den harten Sparkurs, mit dem die Regierung die Krise irgendwie noch aufhalten will.

Hätte man es besser wissen müssen und vor allem, was nützt uns das jetzt? Darüber spreche ich mit Max Otte, Wirtschaftsprofessor, Autor von "Der Crash kommt" und seitdem so eine Art deutscher Krisenprophet. Guten Morgen nach Köln!

Max Otte: Guten Morgen!

Ricke: Sie haben sich ja auch schon vor "Der Crash kommt" als Prophet betätigt und schon 1998 den Euro als "politischen und ökonomischen Wahnsinn" beschrieben. Ist der Euro sozusagen das Grundübel dieser Krise?

Otte: Der Euro ist nicht das Grundübel, das waren in der Tat die amerikanischen Hypotheken, aber in Europa ist der Euro eine absolute Fehlkonstruktion, die uns die Krise in Europa verschärft hat, und zum Beispiel den spanischen Immobilienboom erst ermöglicht hat, indem Spanien die niedrigen deutschen Zinsen bekam.

Ricke: Sie haben gesagt, der Euro ist potenziell gefährlich, schon damals. Warum ist er gefährlich?

Otte: Weil man – und das sagt eigentlich die ökonomische Theorie, die ist auch eindeutig –, weil man verschiedene Volkswirtschaften nicht unter ein Währungsdach zwingen kann, dazu brauchen Sie Mobilität von Arbeit, Kapital und Waren, und in Europa haben wir nur Mobilität von Kapital und Waren, aber nicht von Arbeit. Das heißt, das EWS, was wir vorher hatten, feste Wechselkurse, die man aber in Krisen dann anpassen konnte, das wäre viel besser gewesen als der Euro.

Ricke: Hilft uns das jetzt, sollen wir den Euro wieder abschaffen?

Otte: Im Prinzip ja, aber das ist natürlich schwierig. Die gesamte politische Klasse Europas hat ihr Schicksal damit verknüpft. Frau Merkel sagt, es ist absolut notwendig. Das ist natürlich Quatsch – der Euro ist und bleibt ökonomischer Quatsch, nur: Wir kommen so leicht nicht mehr da raus. Was schon helfen würde, wäre, wenn wir die Randstaaten, also die Volkswirtschaften, die wirklich anders ticken, wieder aus der Eurozone entlassen. Sie sind ja dann noch in Europa, der europäische gemeinsame Markt funktioniert ja auch weiter, das ist ja auch wirklich eine Schutzbehauptung, dass man also die Eurozone mit Europa gleichsetze, mit der Europäischen Wirtschaftsunion und so weiter. Das eine hat mit dem anderen nur sehr indirekt zu tun, und ich sage es noch mal: Der Euro ist eigentlich schädlich.

Ricke: Der Euro und damit auch die EU sind in Gefahr, das hat zum Beispiel Ratspräsident Herman Van Rompuy gesagt. Ist das ein wirklich realistisches Szenario, oder ist das nur der Versuch, die Staaten auf eine gemeinsame Linie einzuschwören?

Otte: Das ist in gewisser Weise realistisch, weil wenn der Euro fällt, dann kriegt diese EU, so wie wir sie jetzt haben, Probleme. Die Frage ist natürlich, ob wir eine solche undemokratische EU der Lobbyisten wollen. Und insofern hat er zwar recht, dass die EU in Gefahr ist, aber für mich ist da auch ein kleiner Hoffnungsschimmer dabei, denn wenn der Euro irgendwann auseinanderbrechen sollte, bekommen wir vielleicht ein wirklich demokratisches Europa, ein Europa, das auch den Bürgern nützt.

Ricke: Jetzt ist ja viel die Rede von der Bedrohung durch einen Flächenbrand, dass sich die Krise also von Griechenland über Irland nach Portugal, Spanien und möglicherweise sogar Italien ausweitet. Ist das realistisch, oder herrschen in diesen Ländern, von denen ich gerade geredet habe, nicht jeweils völlig unterschiedliche Bedingungen?

Otte: Es ist teilweise realistisch, und unterschiedliche Bedingungen herrschen auch. Die Griechen haben einen ausufernden Staatssektor gehabt und auch Korruption, die Iren haben laxe Regulierung gehabt und niedrige Steuern, die Spanier haben eine Immobilienblase gehabt, genauso wie die Portugiesen. Also es waren in jedem Land unterschiedliche Blasen.

In diesen drei Ländern ist es realistisch, hoffen wir, dass – oder in diesen vier –, hoffen wir, dass die Krise nicht auch Italien erreicht, dann wird es wirklich schwierig, denn Italien ist eine größere Volkswirtschaft als zum Beispiel Spanien. Da kann man aber guter Hoffnung sein, denn Italien hatte zum Beispiel keinerlei Immobilienblase. Der Wirtschaft ging es eigentlich kontinuierlich so, wie es ihr immer gegangen ist, der italienischen Wirtschaft, aber es waren keine Übertreibungen in dem Markt.

Das heißt, wir bekämen Griechenland, Irland, Portugal, das macht zusammen unter 25 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung, bekämen wir locker gerettet, Spanien bekämen wir wahrscheinlich auch noch gerettet, das sind noch mal 50 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung, aber wenn es dann auf Italien übergreifen würde, wozu ich im Moment keinen Grund sehe, dann würde es kritisch. Das ist meine Einschätzung.

Ricke: Jetzt ist es ja beeindruckend, wenn Prophezeiungen wie Ihre zutreffen, aber wir müssen natürlich auch lernen für die Zukunft. Was sind denn die Hausaufgaben, die die europäischen Staaten jetzt machen müssen als erstes?

Otte: Ach ja, muss man lernen? Also, die Fakten liegen klar auf dem Tisch, die lagen auch 1998 klar auf dem Tisch. Wenn Sie eine Währungsunion schaffen, dann müssen Sie in der Tat auch eine Union der Wirtschaftspolitik schaffen, dann müssen Sie Steuersätze harmonisieren, dann müssen Sie die Wirtschaftspolitik in der Union harmonisieren. Das wusste man als Ökonom im Prinzip auch schon in den Neunzigern, es hat aber keiner gemacht. Also deswegen bin ich da etwas skeptisch, ob die jetzige Krise uns dann dazu führt, unser Handeln tatsächlich zu verändern.

Das könnte tatsächlich erst der Fall sein, falls der Euro auseinanderbricht. Das sehe ich aber noch nicht, denn wie gesagt, die deutsche Wirtschaft kann noch einiges schleppen, die österreichische, die nordischen Wirtschaften, da können noch Schulden drauf, das ist zwar auf Dauer auch dann sehr schädlich für uns, aber im Moment würde unsere Wirtschaftskraft reichen, um die Randstaaten zu retten, und dann den Einstieg in die Inflationsgemeinschaft und in die Transferunion sozusagen zu öffnen.

Ricke: Sie persönlich haben ja einen etwas seltsamen Weg eingeschlagen und Ihr Geld unter anderem in Ackerland angelegt. Ist das jetzt eher eine Marotte, oder Ihr ganz persönlicher Weg aus der Krise?

Otte: Also, mein Ackerland ist ein kleiner Teil meines Investments, ich habe auch Gold und Aktien und Immobilien und so weiter, man muss streuen, hat schon Kostolany gesagt. Aber natürlich, wer was davon versteht: Ackerland ist nicht das Verkehrteste, so sind zum Beispiel auch große Vermögen - ich will damit nicht sagen, dass ich ein großes Vermögen habe - aber die großen Vermögen sind zum Beispiel mit Land, Wald und Aktienpaketen auch über die Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen, also das kann schon Teil einer Vermögensstrategie sein. Aber man muss da aufpassen, dass man nicht unseriösen Anbietern da auf den Leim geht, denn da geht natürlich auch schon wieder die Spekulation los.

Ricke: Das meint der Wirtschaftsprofessor Max Otte, dessen Buch "Der Crash kommt" schon vor vier Jahren veröffentlicht wurde. Vielen Dank für das Gespräch!