Der erste weibliche Blick aus dem All auf die Erde

Von Guido Meyer · 16.06.2013
Die Sowjetunion hatte in der bemannten Raumfahrt jahrelang eine Vorreiterrolle. Mit Walentina Tereschkowa beförderte sie am 16. Juni 1963 auch die erste Frau ins Weltall - sie blieb für zwei Jahrzehnte auch die einzige.
Ein Piepsen aus dem All, das im Oktober 1957 die Welt verändert hat. Mit dem Start des ersten Satelliten Sputnik 1 hatte sich die Sowjetunion die Führungsrolle im Kalten Krieg gesichert.

"Einen Monat nach Sputnik 1 schickten die Sowjets mit der Hündin Laika an Bord von Sputnik 2 das erste Lebewesen ins All. Das war natürlich der absolute Tiefpunkt. Es war schon peinlich genug, nur Zweiter zu werden. Aber nun waren wir noch nicht einmal Zweiter, weil unsere eigenen Raketenstarts in der Anfangszeit ständig fehlschlugen. Das war eine sehr peinliche Erfahrung für Amerika."

Ted Spitzmiller ist Weltraumhistoriker in Washington, D.C. Die "peinlichen Erfahrungen" sollten andauern – 1961 mit dem Start des ersten Menschen ins All – dem sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin -, dem zwei Jahre später die erste Frau folgte: Walentina Tereschkowa, eine ehemalige Büglerin und Fallschirmspringerin von 26 Jahren aus der Kleinstadt Tutajew, ungefähr 300 Kilometer nord-östlich von Moskau gelegen.

Am 16. Juni 1963 hob die die Mission Wostok 6 vom sowjetischen Raketenbahnhof Baikonur ab. Walentina Tereschkowa war überhaupt erst der zwölfte Mensch, der in den Weltraum flog, und der sechste aus der UdSSR.

Lotte Ulbricht, die Frau des damaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, erklärte in einem Interview einen Tag nach dem Start, warum es – nach ihrer Meinung – selbstverständlich sei, dass eben nicht die USA die ersten waren, die eine Frau in eine Erdumlaufbahn geschossen haben.

"Mir scheint, dass der Flug einer Frau ins Weltall, dieser erste Flug, darauf begründet ist, dass eben in der Sowjetunion der Sozialismus herrscht. Das heißt, eine Weltordnung, eine Gesellschaftsordnung, in der die Frauen den Männern wirklich gleichgestellt sind."
Schon seit dem Flug von Juri Gagarin ins All im Jahre 1961 wollte die sowjetische Staatsführung auch Kosmonautinnen ausbilden. Doch es gab nur wenige weibliche Piloten, sodass sich auch Fallschirmspringerinnen bewerben konnten. Walentina Tereschkowa sollte ursprünglich erst als dritte Frau ins All starten. Nachdem jedoch eine Kosmonautenkollegin ihre Prüfung nicht bestanden hatte und eine weitere krankheitsbedingt ausschied, fiel die Premierenrolle Walentina Tereschkowa zu.

"Hier spricht das kosmische Schiff Wostok 6. Ich berichte dem Leninschen Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, dem teueren Nikita Sergejewitsch Chruschtschow: Alle Systeme des Schiffes arbeiten ausgezeichnet. Ich selbst fühle mich sehr gut."

Drei Tage dauerte die erste Reise einer Frau ins All. Sie sollte für die kommenden zwei Jahrzehnte auch die einzige bleiben. Erst 1982 folgte eine weitere Kosmonautin und ein Jahr später auch die erste Frau des Westens: Sally Ride wurde die erste Astronautin im All. 1983 flog sie mit dem US-Space-Shuttle Challenger in den Weltraum.

"Während unserer Flugvorbereitungen spielt es keine Rolle, ob Frauen unter den Teilnehmern sind oder nicht. Frauen und Männer absolvieren die gleichen Übungen und führen später im All auch die gleichen Aufgaben durch. Man muss nicht körperlich stark sein, um dort oben zu arbeiten. Es gibt wirklich keinen Unterschied.”"

Drei Jahre nach Sally Rides Flug mit der Challenger explodierte die Fähre beim Start. Bei dieser Mission starben neben fünf Astronauten auch eine Astronautin sowie eine Lehrerin. Es folgten weitere Astronautinnen und Kosmonautinnen an Bord der amerikanischen Raumfähren, der russischen Raumstation Mir und später der Internationalen Raumstation (ISS). Der Vormarsch der Frauen ins All gipfelte 2006 im Flug der ersten Weltraumtouristin. Die amerikanisch-iranische Multi-Millionärin Anousheh Ansari zahlte 16 Millionen Euro für einen gut einwöchigen Flug zur ISS. Das hätte sich die Pionierin Walentina Tereschkowa fast ein halbes Jahrhundert zuvor noch nicht träumen lassen.

""Auf ein baldiges Wiedersehen auf der heimatlichen Erde."