Der Dresdner Theologe Frank Richter

Priester, Bürgerrechtler, Moderator

Bundeszentrale für Politische Bildung, Sachsen, Dresden
Bundeszentrale für Politische Bildung, Sachsen, Dresden © Arno Burgi/dpa
Von Josefine Janert · 29.01.2017
Als Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen hat Frank Richter jede Menge Kritik einstecken müssen, weil er den Dialog mit der islamkritischen Pegida-Bewegung gesucht hat. Nun gibt er sein Amt auf – und wird Geschäftsführer der Frauenkirche. Ein Porträt.
"Ich halte von Frank Richter sehr viel. Ja, weil er sehr ausgleichend gewirkt hat hier bei verschiedenen Konflikten in Dresden", sagt ein Passant vor der Dresdener Frauenkirche. "Gerade Leute in offiziellen Ämtern sollten darauf achten, dass Dresden offen bleibt einfach, dass man eben nicht Pegida die Tür öffnet", meint hingegen eine Passantin. "Mit den Leuten reden schon, aber nur wenn es halt ein wechselseitiger Diskurs ist. Also, wenn die sagen: Nein, wir weichen von unseren Meinungen nicht ab, und wir sagen: Wir weichen von unseren Meinungen nicht ab, dann führt das nirgendwohin."
Frank Richter ist in Dresden umstritten – wie diese Aussagen belegen. Die einen lehnen den 56-jährigen Theologen ab, weil er in den vergangenen Monaten den Dialog mit der islamkritischen Pegida-Bewegung gesucht hat. Die anderen bewundern ihn für seine Fähigkeit, das Gespräch mit Andersdenkenden in Gang zu halten.

"Pegida als eine große Gefühlsstau-Blase"

"Ich habe Pegida mal als eine große Gefühlsstau-Blase bezeichnet, die subkutan herangewachsen war, die dann an die Oberfläche getreten ist, geplatzt ist und langsam abgeflossen ist", sagt Richter selbst. "In der Sache geht es darum, dass Menschen gehört werden wollen, dass sie andererseits aber auch lernen müssen, zuzuhören. Und dass sie aus den Fängen von Populisten oder vielleicht sogar Rechtsextremisten rausgeholt werden müssen. Gleichwohl möchte ich darauf hinweisen, dass Menschen, die Montagabend demonstrieren, von einem Grundrecht Gebrauch machen. Und das hält unsere Demokratie aus."
2016, als Pegida mehr Anhänger hatte als heute, moderierte Frank Richter in der Dresdner Kreuzkirche sechs sogenannte Bürgerversammlungen. An jeder beteiligten sich zwischen 200 und 800 Menschen, viele von ihnen Pegida-Sympathisanten, um über Themen wie innere Sicherheit und Zuwanderung zu diskutieren.
"Wir haben an der Landeszentrale ein Projekt aufgelegt, das heißt 'Kommune im Dialog'", erzählt Frank Richter. "Da arbeiten eine Reihe von Kollegen, ich arbeite auch gelegentlich auch vor Ort in diesem Projekt mit. Und die bieten die Moderation und auch die Organisation und auch die inhaltliche Bestückung von solchen Bürgerversammlungen an. Das geschieht ausschließlich nachfrageorientiert. Das heißt, der Oberbürgermeister gemeinsam mit dem Superintendenten haben uns angesprochen, ob wir diese Bürgerversammlung moderieren. Das haben wir ja dann auch getan."

Dresdner Kirche als Dialogsforum

Als Moderator in der Kreuzkirche erinnerte Frank Richter an die friedliche Revolution in der DDR, die in Sachsen ihren Ausgang genommen hatte. "Diese Kirche hat einen Ruf zu verlieren", sagt er zum Beispiel am 3. März 2016. "Den soll sie bitte nicht verlieren, den soll sie behalten, es ist nämlich der Ruf der Revolution für Meinungsfreiheit, es ist aber auch der Ruf der friedlichen Revolution. Damals ist es uns gelungen, den Andersdenkenden auszuhalten und ihn nicht auszulachen. Meine Damen und Herren, das sollte uns doch heute auch gelingen können."
Im Wendeherbst 1989 lebte Frank Richter als katholischer Priester in Dresden, wo er Kaplan der Hofkirche war. Am 8. Oktober stand alles auf Messers Schneide. Züge mit Ausreisewilligen passierten den Hauptbahnhof, Dresdner versuchten aufzuspringen, um auch in den Westen zu gelangen. Sicherheitskräfte machten Jagd auf sie.
Der damals 29-jährige Richter beteiligte sich an diesem Abend an einer DDR-kritischen Demonstration. Zusammen mit einem befreundeten Theologen sprach er spontan Polizisten an und begann so einen Dialog über Veränderungen in der DDR. Gemeinsam mit anderen Bürgerrechtlern sorgte Richter dafür, dass die Dresdner Kirchen geöffnet wurden, damit dort die dringend nötigen Gespräche über Reformen stattfinden konnten. "Ein Kirchenraum ist geeignet, Menschen innerlich zu befrieden", sagt Richter. Das heißt, sie vielleicht von ihren schlechten Emotionen auch etwas runterzuholen und ins Gespräch zu führen."

Im Zickzack-Kurs durch das Leben

Privat hat Frank Richter in den vergangenen Jahren einen Zickzack-Kurs hinter sich. 2005 gab er sein Amt als Priester der römisch-katholischen Kirche auf und heiratete eine Frau. Er wandte sich der Altkatholischen Kirche zu, einer christlichen Gemeinschaft mit weltweit rund 70.000 Mitgliedern. Sie lehnt das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit ab und respektiert es, wenn Geistliche mit einer Partnerin zusammenleben wollen.
Richter wurde zunächst altkatholischer Priester in Hessen. Er habe die Pfarrstelle in Offenbach am Main nicht so ausfüllen können, wie die Gemeinde dort das von mir erhofft und gewünscht hat, sagt er rückblickend. "Offenbar traute man einem solchen Ostdeutschen das nicht zu."
Nachdem Unbekannte in das Wohnhaus der Familie eingebrochen waren, packte sie 2007 endgültig ihre Koffer und zog in eine andere Stadt in Hessen. Frank Richter begann, als Latein- und Ethiklehrer an einem Gymnasium zu arbeiten. Er konvertierte noch einmal und ist seitdem evangelischer Christ.

Christlicher Glauben jenseits konfessioneller Ausprägungen

"Aber dieser Übertritt ist nun nicht damit verbunden, dass ich der einen Konfession absolut den Rücken kehre und die andere Konfession nun hundertprozentig toll finde", sagt Richter. "Sondern ich glaube, die Wahrheit unseres christlichen Glaubens liegt jenseits der konfessionellen Ausprägungen."
2008 machte ihn ein Bekannter auf eine Ausschreibung aufmerksam – die Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen suchte einen Direktor. So zog er zurück nach Dresden. Zum 1. Februar gibt Frank Richter nun auch dieses Amt auf und wird einer von drei Geschäftsführern der berühmten Frauenkirche.
"Diese Frauenkirche ist ein ganz hervorragender Ort, um Menschen anzusprechen, die möglicherweise wenig mit christlichem Glauben oder mit Religion zu tun haben, die aber eine Sehnsucht haben, nämlich die Sehnsucht nach etwas Größerem und Schöneren, vielleicht auch etwas Wahrem, was sie in dieser Welt nicht mehr finden oder eben auch eine Sehnsucht nach Frieden haben, in einer Welt, die voller Krieg ist", sagt Richter. "Der christliche Glaube ist im Innersten ein Vorgang des Friedens und der Versöhnung. Und auch wer jetzt keine persönliche Gottesvorstellung hat oder keinen Zugang zu Religion hat, kann aber mit Frieden und Versöhnung was anfangen."
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