Der die Geige zum Klingen bringt

Von Marén Balkow · 02.03.2010
Keine Töne ohne Bogen! Dafür gibt es einen eigenen Beruf: den Bogenbauer. Aus Tropenholz, Pferdehaar, Ebenholz und Perlmutt fertigt Johannes Miething seine filigranen Kunstwerke. Der junge Deutsche widmet sich in Brüssel diesem seltenen Handwerk.
"Hier werden die Bögen hergestellt und repariert, so wie oben die Geigen, das sind zwei getrennte Werkstätten."

Das Maison Bernard in Brüssels bourgeoiser Altstadt, unweit vom Place Grand Sablon. Ein renommiertes Geigengeschäft mit 150-jähriger Tradition. Hinter den prächtigen Geschäftsräumen finden sich die Werkstätten zweier Meister: des Geigenbauers Jan Strick und des Bogenmachers Pierre Guillaume – und Lehrmeister von Johannes Miething:

"Ich hab bei Herrn Guillaume doch einiges dazugelernt und hoffe, es doch heute zu einer gewissen Fähigkeit beim Bogenbau zu bringen und würde aber nicht mit dem Eifer dabei sein, wenn ich nicht immer noch weiterlerne. (…) Es ist doch ein Beruf, der viel auf Erfahrung beruht. Dass man das Gespür hat, wie der Bogen funktioniert, und man muss schon hinhören, wenn ein Musiker spielt. Man möchte den nächsten Bogen besser als den letzten bauen."

Ein ernsthafter Mann ist Johannes Miething. Ungewöhnlich ernst und nachdenklich für einen 35-Jährigen. Aber wahrscheinlich braucht es diese unbedingte Haltung, um in einem Beruf wie dem seinen Fuß zu fassen, ja, sich einen Namen zu machen.

Johannes Miething fertigt seit einem Jahrzehnt schon unter dem Namen seines Meisters, Pierre Guillaume, der, ganz nach Art des etablierten Künstlers mit Schülerwerkstatt, nur noch seinen Stempel auf die Arbeiten seiner Eleven brennt. Seit einiger Zeit jedoch stempelt Miething einige seiner Bögen auch selbst und verkauft sie - weitab vom Meister - in einem Instrumentengeschäft in Köln. 14 Jahre ist es her, da beendete er seine Gesellenzeit im bayrischen Mittenwald:

"Das war eine Wahl, die eigentlich in dem Beruf oft von Vater auf Sohn übertragen wird, aber das war bei mir nicht der Fall. Ich hab vielleicht aus damaliger Revolte mich gegen ein Studium entschieden, weil ich aus einer reinen Lehrerfamilie komme, und wollte gerne ein Handwerk lernen, von dem es heute im klassischen Sinn ja nicht mehr viel gibt."

Die richtige Wahl. Miething ist kein zarter Typ: Er trägt kariertes Hemd und Latzhose. Die kräftigen Unterarme und Hände sind die eines Handwerkes, keines Musikers. Drei Lehrjahre Geigenbau – dann die Disziplin, die ihn weit mehr faszinierte – der Streichbogenbau. In der belgischen Hauptstadt brachte der gebürtige Freiburger, der in Münster aufwuchs, sein seltenes Handwerk zur Perfektion. Gründete in Brüssel eine Familie mit einer brasilianischen Studentin und kehrte seiner Heimat Deutschland endgültig den Rücken.

"Hier bin ich zur Untermiete und hab mein eigenes kleines Reich."

Was wohl früher nur eine Abstellkammer war, ist heute Miethings winzige Werkstatt. Hier ist er sein eigener Herr. Unter der Decke stapeln sich dünne, rotbraune Leisten, Fernambuk – brasilianisches Tropenholz, das bevorzugte Rohmaterial für Geigenbögen. Es klingt einfach am besten.

"Das ist eine nicht vorgehobelte Stange, die ausgesägt ist. Ich kann sie mal anhobeln, damit wir sehen, was das für ein Holz ist ... "

Mit dem Hobel bringt Miething das Holz in Form, den Kopf des Bogens schnitzt er mit einem Messer, erhitzt ihn über einer Gasflamme, um ihn in einer Kerbe der Werkbank zu biegen. Erneutes Hobeln und Biegen, Feilen und Schleifen. Schon ein halbes Gramm mehr oder weniger gibt dem Violinenspiel einen anderen Klang.

"Wenn man gut organisiert einen Bogen aus dem rohen Material und den ganzen Frosch, das Beinchen, alles von Hand herstellt, dann braucht man drei bis vier Tage, wenn man sehr schnell ist. Meine Bögen baue ich von A bis Z von Hand."

Miething greift nach dem weißen Pferdeschweif, der neben seinen Werkzeugen an der Wand hängt:

"Das weiße Haar ist viel feiner und dadurch für eine Geige besser geeignet. Die beste Qualität kommt aus der Mongolei für den Geigenbezug."

Von mongolischen Hengsten! 140 bis 200 einzelne Haare für die Bespannung. Schweifhaare von Stuten kommen nicht infrage:

(Lacht) "Ein etwas delikates Detail. Da eine Stute in die Haare uriniert, sind deren Haare nicht zu gebrauchen."

Zwischen 1500 und 3500 Euro kostet ein Bogen. Miething fertigt aber nur zwei, höchstens drei im Monat. Viel Zeit verbringt er mit Neubespannen – denn bei Profimusikern müssen die abgespielten Haare ein-, zweimal im Jahr erneuert werden – oder der Reparatur historischer, besonders wertvoller Bögen.

"Ein Bogen kann gut und gerne mehrere Musikerleben halten. Allerdings kann ein Bogen auch innerhalb weniger Jahre aufgebraucht werden, das hat viel mit dem Handschweiß der Musiker zu tun, weil der ist sehr aggressiv."

Auch weil ein Musiker, wie Gidon Kremer, wie ein Berserker spielt?

"Ich hab schon mal einen Bogen von ihm bezogen, ich kann sagen, er geht sehr sorgfältig mit seinen Bögen um. Auch wenn es den Eindruck macht, dass es eher ein wüster Umgang ist."

Der Bogen – ein Instrument! Johannes Miething hält Geigen und Bögen für gleich wichtig.

"Ja, natürlich ist es auch ein Musikinstrument. Wo auch nicht allen bewusst ist, dass der Bogen genauso für den Klang einer Geige wichtig ist, was halt oft vergessen wird."