Der deutschen Biene "geht es so lala"

Robin Moritz im Gespräch mit Andreas Müller · 03.09.2012
Parasiten und Umweltverschmutzung setzten auch in Deutschland den Bienen zu, klagt der Biologe Robin Moritz. Die Anzahl der Bienenvölker habe sich halbiert, doch der Trend zum Imkern in der Großstadt verspreche ein großes Potential.
Andreas Müller: Dem großen Albert Einstein wird dieses Zitat wohl fälschlicherweise zugeschrieben, es ist aber trotzdem eindringlich: "Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben – keine Bienen mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr." Die emsigen Insekten sind enorm bedeutend für unser Ökosystem, sie sind aber auch stark bedroht von Umweltverschmutzung und Krankheiten. Das akute Bienensterben wird eines der Themen sein beim EURBEE, einem internationalen Kongress der Bienenforscher, der heute in Halle an der Saale beginnt. Der Evolutionsbiologe und Bienenforscher Robin Moritz ist Präsident von EURBEE, der European Society for Bee Research und Organisator des diesjährigen Kongresses. Schönen guten Tag!

Robin F. A. Moritz: Ja, guten Tag, Herr Müller!

Müller: Das Bienensterben ist eines Ihrer Themen in diesem Jahr. Weltweit sterben die Völker, "Völkerkollaps" ist der Begriff für dieses Phänomen, das wird seit einigen Jahren beobachtet. Was weiß man inzwischen über die Ursachen?

Moritz: Nun, also Bienen sterben, das ist natürlich auf der einen Seite ein ganz normaler Prozess. Ein Bienenvolk lebt in der Regel drei Jahre lang, und dann stirbt es, das ist natürlich nichts Außergewöhnliches. Was mit dem Bienensterben gemeint ist, ist ein Prozess, der uns vor fünf Jahren aus den USA berichtet wurde, wo also kommerzielle Imker sehr, sehr große Bienenverluste hinnehmen mussten, und das hat damals die Medien erreicht und ist dann mit großem medialem Procedere über den Globus gegangen.

Das hat Europa in diesem Umfang – zum Glück, muss man sagen – nicht erreicht. Wir haben zwar auch immer wieder Honigbienenverluste, die treten ein, und die treten auch besonders dann ein, wenn die Völker von einer parasitischen Milbe, die heißt Varroa, geschädigt werden, und wenn Imker zu spät oder nicht ihre Völker behandeln. Und dann gibt es auch hier in Deutschland immer wieder mal Bienensterben. Aber prinzipiell muss man sagen, dass man diese Phänomene, wie wir sie in den USA beobachtet haben, in Europa nicht in diesem Umfang – zum Glück – beobachten konnten.

Müller: Also das, was da aus den USA sehr bedrohlich klingt, spielt für uns demnach keine Rolle? Also unserer Biene geht es demnach noch gut?

Moritz: Unserer Biene geht es so lala, muss man sagen. Es ist vor 30 Jahren, wurde eben jene Varroa-Milbe aus Asien auf unsere Honigbiene übertragen. In Asien gibt es ganz viele Honigbienenarten, und diese Milbe war ursprünglich ein Parasit auf der Apis cerana, also einer asiatischen Honigbiene und hat da eigentlich keine Schäden angerichtet. Dann wurde aber durch Bienenhaltung in Asien – also da wird dann auch unsere europäische Honigbiene … wurde dort importiert, weil sie dann mehr Honig erzeugt, nach Asien transportiert –, und dann ist dieser Parasit umgestiegen auf unsere Honigbiene, und dann ist durch Entwicklungshilfe, durch Transporte von Bienen, sage ich mal, sie peu à peu immer weiter nach Westen vorgerückt, und ist nun ein globales Problem geworden für die Imkerei mit der westlichen Honigbiene. Und das ist schon lästig natürlich – es ist noch mehr als lästig eigentlich, weil wenn der Imker jetzt seine Bienenvölker nicht behandelt, dann hat er in drei Jahren keine mehr.

Müller: Varroa destructor heißt dieses Tier …

Moritz: Genau, die hat diesen dramatischen Namen, ja.

Müller: … dramatischer Name – was kann man denn dagegen tun? Auf die natürliche Auslese vertrauen hilft nicht?

Moritz: Jein, also es ist – für den Imker kann man natürlich nicht sagen, der hat jetzt da 100 Bienenvölker, und dem kann man nicht sagen: Du, nun vertraue einfach mal auf natürliche Auslese, und dann werden am Ende vielleicht zwei Bienenvölker dabei sein, die überleben. Dann hat er nur noch diese zwei, oder vielleicht auch gar keins. Das ist also keine Konzeption, also im Moment ist die einzige Lösung tatsächlich: Zu behandeln mit Akariziden, also Mitteln, die Milben umbringen und die Insekten am Leben lassen. Das funktioniert, aber das Lästige ist einfach, dass, wenn der Imker zu spät kommt mit einer Behandlung und das Jahr zum Beispiel früher ist, dass die Varroa-Milbe sich halt früher reproduziert als sie das sonst tut, es dann immer wieder zu sehr bedauerlichen Verlusten kommt, die dann oftmals nicht mehr beherrscht werden können, und dann gibt es Verluste. Und das Problem ist, glaube ich, im Moment für die Imkerei weniger die Varroa als mehr, dass uns die Imker verloren gehen. Also dann, wenn der Bienenstand dann zusammengebrochen ist, sind immer nur wenige dann bereit, erneut aufzubauen.

Müller: Es gibt nun auch Leute, die sagen, wir gehen in die Städte mit unseren Völkern, also es gibt immer mehr so eine urbane Imkerei – das stellt man in Berlin zum Beispiel fest –, und da heißt es, der Honig ist viel besser eigentlich als der, der auf dem Lande gewonnen wird, die Bienen sind gesünder, weil sie eben in der Stadt gar nicht mit Insektiziden in Verbindung kommen.

Moritz: Also ich begrüße das außerordentlich, sage ich mal, diesen Trend, dass man nun im urbanen Bereich beginnt, die Bienenhaltung wieder verstärkt zu betreiben. Das ist sicher eine schöne Alternative, sage ich mal, zu der Imkerei im ländlichen Raum, und in der Tat ist, sage ich mal, die Belastung mit Insektiziden dort geringer, es erleichtert den Imkern dort, sage ich mal, die Bienen zu halten. Sicher ist die Imkerei in der Stadt ein großes Potential, das wir für die Imkerei sehen, also jetzt nicht nur die Bienenforschung, sondern auch die Imkerverbände insgesamt, was bislang nicht hinreichend genutzt wird. Wenn Sie mal so ein paar Zahlen zu Bienenvölkern – gerade in Deutschland, also vor der Wende hatten wir in der Bundesrepublik und der ehemaligen sogenannten DDR zusammen zwei Millionen Bienenvölker und heute haben wir nur noch eine Million. Das zeigt Ihnen, dass die soziopolitischen Veränderungen in der ehemaligen DDR zu einem riesigen Verlust geführt haben an Imker-Potential.

Müller: In Halle an der Saale treffen sich 400 Apidologen, dass sind Bienenforscher, zum EURBEE-Kongress. Im "Radiofeuilleton" spreche ich mit Robin Moritz, selber Bienenforscher und Organisator der Veranstaltung. Sie sind Evolutionsgenetiker. Was interessiert denn Genetiker an Bienen?

Moritz: Nun, das Genom der Honigbiene wurde vor, ich glaube, drei, vier, fünf Jahren komplett durchsequenziert, und was den Genetiker oder den Evolutionsgenetiker insbesondere interessiert, ist natürlich, warum sind die Honigbienen sozial? Warum beschließt eine Arbeiterin, nun selber keine Nachkommen zu erzeugen, ordnet sich einer Königin unter, die nun dann Nachkommen erzeugt, und sammelt stattdessen Pollen und Honig, die sie dann den Nachkommen dieser Königin füttert und die aufzieht? Das ist also, glaube ich, das was den Evolutionsbiologen nun am meisten interessiert: Wie kann Sozialität überhaupt eine evolutiv stabile Strategie sein? Warum sind die nicht alle solitär und jeder macht seins?

Das ist, woran wir arbeiten, und so konnten wir zum Beispiel ein einziges Gen finden, das, wenn man es so, also nicht verändert, sondern die Natur hat das für uns verändert, also es gibt dann Mutanten, die tatsächlich alles andere als sozial sind, sondern die reine Sozialparasiten sind, die also nicht mehr für die Königin arbeiten, sondern selber Eier legen, die nicht mehr Honig sammeln, die nicht mehr Pollen sammeln …

Müller: Also das Bild von der selbstlosen Biene musste da offensichtlich ein bisschen korrigiert werden.

Moritz: Ja, genau.

Müller: Wir kennen ja alle den Bienentanz, glaube ich. Das hat jeder schon mal gehört, also da wird Entfernung zur Nahrung, Dichte der Nahrung et cetera in einem Tanz beschrieben für die anderen. Wie intelligent sind Bienen eigentlich?

Moritz: Intelligent ist schwierig, weil Intelligenz an sich ja schon mal schwer zu messen ist, auch beim Menschen. Was man bei der Honigbiene allerdings sehr gut messen kann, ist so etwas wie Lernvermögen oder Gedächtnisleistung, und da ist die Honigbiene tatsächlich auch ein Modellsystem in der Biologie, also in der Neurobiologie, wo man also prüft, welche neuronalen Verschaltungen im Gehirn bei Honigbienen zum Beispiel aktiviert werden, einen bestimmten Duft zu riechen oder eine bestimmte Farbe zu sehen, oder auch sich etwas zu merken, oder etwas zu erkennen. Da ist die Honigbiene wirklich ideal, weil sie mit einem sehr einfachen Testverfahren überprüft werden kann oder abgefragt werden kann, was sie gelernt hat und was sie nicht gelernt hat.

Müller: Was kann Sie denn lernen?

Moritz: Nun, insbesondere Sachen, die für sie wichtig sind, also Blütenfarben – sie fliegt aus zu einer Blüte und findet da zum Beispiel Honig, und die Blüte ist blau meinetwegen, und die Blüte nebenan ist gelb, und da findet sie keinen Honig, dann lernt sie, dass die blauen Blüten eben diesen Nektar haben, den sie dann besucht, und sie wird dann bevorzugt die blauen Blüten befliegen, sie wird dann auch diesen Duft lernen und eben nur auf die blauen Blüten sich konzentrieren. In dem Moment, wo die blauen Blüten keinen Nektar mehr haben, wird sie andere Blüten suchen und wieder lernen, andere Farben, andere Düfte, die dann eben gerade aktuell sind.

Müller: Ich möchte noch mal zurück zum Anfang kommen auf dieses Zitat, das wahrscheinlich fälschlicherweise Albert Einstein zugeschrieben wurde, wenn es denn keine Bienen mehr gäbe, gäbe es in ein paar Jahren keine Menschen mehr. Was ist da eigentlich dran, was wäre, wenn all die Milliarden Bienen ihre Bestäubungstätigkeit einstellten, weil sie einfach gestorben sind und es sie nicht mehr gäbe?

Moritz: Ja, ich glaube, das ist tatsächlich nicht so weit daneben gegriffen, das ist durchaus eine reale Überlegung. Sie müssen bedenken, alles was an bestäubtem Obst – Äpfel, Kirschen, Pflaumen –, das würde alles wegfallen, viel Gemüse – Tomaten – würden Sie nicht mehr haben. Alle insektenbestäubten Früchte und Ernten, Sonnenblumen, würden einfach nicht mehr da sein. Das wäre das eine, das andere ist aber, dass natürlich die Natur, wie wir sie kennen, komplett zusammenbrechen würde, nur weil alle bestäubten Pflanzen, also insektenbestäubten Pflanzen mehr oder minder sich nicht mehr reproduzieren könnten und aussterben würden. Nur zum Glück gibt es nicht nur die Honigbiene, sondern auch 2.000 andere Arten von Bienen, die auch noch Bestäubungsleistungen erbringen. Aber diese leiden natürlich auch unter der Umweltveränderung, und da gibt es keine Imker, die helfen, sondern die müssen so sehen, wie sie ihr täglich Brot oder ihr täglich Nektar und täglich Pollen besorgen.

Müller: Und vielleicht können wir ihnen dabei helfen, indem wir unsere Gärten vielleicht nicht ganz allzu sehr domestizieren, vielleicht ein paar Blümchen stehen lassen, an denen die Biene sich bedienen kann, auch die wilde Biene. In Halle an der Saale beginnt heute EURBEE, ein internationaler Kongress der Bienenforscher. Ich sprach mit dem Evolutionsbiologen und Bienenforscher Professor Robin Moritz. Haben Sie vielen Dank!

Moritz: Ja, gern geschehen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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