Denk selbst!

Von Agnes Bührig · 01.01.2012
Frauenhasser, Maler, Antimilitarist - wenn es um August Strindberg geht, fallen viele Attribute. 2012 wird sein Werk vielerorts neu interpretiert werden, denn in diesem Jahr feiert Schweden mit einem Jubiläumsprogramm den 100. Todestag seines bekannten Dramatikers.
Die kleine Bühne dominiert eine schräge Fläche, die bis unter die Decke reicht. Darin Türen und Fenster, aus denen die Schauspieler auf einen mittelalterlichen Platz klettern. Er ist über und über von Schuhen bedeckt. Stolpersteine einer bürgerlichen Gesellschaft, denn hier soll scheinheilig ein Bürgermeister geehrt werden, der gar keiner ist, sagt Regisseur Richard Turpin:

"Strindberg hat sich im 19. Jahrhundert vor allem gegen seine eigene Zeit gerichtet. Diese Szene handelt von den korrumpierten Kreisen in Stockholm. Er hat sie in eine Stadt ins Mittelalter versetzt und mit einer Satire über die eigenen Kollegen verbunden, die Gedichte voll des Lobes über den Königshof verfassen. Eine andere Szene spielt im Orient und nimmt die schwedische Verfassung auf die Hörner."

Der kleine Peter wird zum Mann heranreifen, um die schöne Lisa werben und sich bei seinem Weg durchs Leben mit einem Glücksring Macht und Einfluss verschaffen. Ein Märchen als Satire auf die verwirrte Gefühlswelt der Klassengesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert.

Der Leiter des Strindbergmuseums Stefan Bohman erklärt das Motto, unter dem Strindberg 2012 in Schweden gefeiert wird:

"Wir haben uns gefragt, warum man Strindberg feiern sollte und sind darauf gekommen, dass er bis heute überall auf der Welt gespielt wird und seine Stücke gesellschaftlich relevant sind. Als die amerikanische Punk- und Rockmusikerin Patti Smith nach Stockholm kam, um den Polarpreis entgegenzunehmen, hatte sie nur einen Wunsch: das Strindbergmuseum zu sehen. Denn Strindberg stellt die Wirklichkeit in Frage, die Gesellschaft, die Beziehungen der Menschen. Unser Motto für das Strindbergjahr lautet: "Denk selbst!"."

Das Strindbergmuseum befindet sich in seiner letzten Wohnung in der Stockholmer Innenstadt. Hier feiert man den Dramatiker mit einer neuen ständigen Ausstellung. Thematisch geordnet werden sein Eingreifen in die frühe Gleichstellungsdebatte, seine Kritik am Militarismus, seine Romane und Gedichte präsentiert. Mit den Themen Wissenschaft, Musik und Malerei treten aber auch andere Talente hervor, sagt Museumsleiter Bohman und weist auf ein wildes Ölgemälde in Schwarz-Weiß:

"Strindberg hat gemalt, wie er geschrieben hat, als Symbolist. Große Naturlandschaften. Dieses Werk heißt "Die Nacht der Eifersucht". Geschenkt hat er es seiner Verlobten Friederike Uhl, die aus Österreich kam. Es ist nicht besonders groß, einen halben Meter mal 30 bis 40 Zentimeter und zeigt ein Meer in Aufruhr, mit Sturmwolken. Es spiegelt wider, welche Gefühle ein Sturm beim Betrachter auslösen kann statt ihn genau abzubilden."

Wie Strindberg 100 Jahre nach seinem Tod in Schweden geehrt wird, kann man auch auf einer Internetseite nachlesen. Es wird neue Inszenierungen bekannter Werke geben, die Compagnie für modernen Tanz Cullbergballett widmet ihm ein Tanztheater, und im Konzerthaus wird Musik zu hören sein, die Strindberg gern bei seinen privaten Einladungen spielen ließ.
Verglichen mit den opulenten Feierlichkeiten zu Ibsens 100. Todestag 2006 im Nachbarland Norwegen, führt das Strindberg-Jubiläumsjahr ein eher bescheidenes Dasein. Das Budget beträgt gerade einmal umgerechnet gut 300.000 Euro. Bei den Feierlichkeiten zu Ehren des Botanikers Carl von Linné vor fünf Jahren wurde zehn Mal so viel ausgegeben.
Was sagt uns das über Schweden? "Denk selbst!"

Veranstaltungen anlässlich des 100. Todestages von August Strindberg in Schweden
Mehr zum Thema