Den Tiger zum Nachbarn

Von Hans-Ulrich Pönack · 02.05.2012
Es ist eine wahre Geschichte, auf der der Film "Wir kaufen einen Zoo" beruht: samt Tieren und Gehegen kauft ein Familienvater ein Haus mit Riesengrundstück - einen Zoo. Dass das einige Verwicklungen mit sich bringt, ist da außer Frage.
Der am 13. Juli 1957 im kalifornischen Palm Springs geborene Regisseur und Drehbuch-Autor Cameron Crowe ist ein spannender Typ und zählt zu den interessanteren Hollywood-Künstlern, der bekanntlich seine College-Erlebnisse in dem Drehbuch zu "Fast Times at Ridgemont High" 1981 verarbeitete (deutscher Kinotitel: "Ich glaub', ich steh' im Wald"), um später dann auch seine Jugendzeit über die Rock-Komödie "Almost Famous - Fast berühmt" (2000) erfolgreich aufzuarbeiten und dafür einen Oscar für das Beste Drehbuch sowie einen Golden Globe für den Besten Film einzuheimsen.

Den filmischen Karrieredurchbruch hatte er aber bereits 1996 mit seinem dritten Kinofilm "Jerry Maguire - Spiel des Lebens" erreicht, der fünffach Oscar nominiert wurde und mit Tom Cruise, Cuba Gooding Jr. (Nebendarsteller-Oscar) und Renée Zellweger glänzend besetzt war. "Vanilla Sky" (2001, mit Tom Cruise, Penélope Cruz und Cameron Diaz) sowie "Elizabethtown" (2005, mit Orlando Bloom, Kisten Dunst und Susan Sarandon) heißen im übrigen die weiteren Film-Stationen von Cameron Crowe. Er begann als Rock'n'Roll-Besessener mit 15 Jahren, Artikel für Musik-Zeitschriften zu verfassen und wurde später Redakteur beim Nummer 1-Magazin "Rolling Stones". Bevor er dann schließlich seine Artikel mit der Kamera schuf, auszubreiten gebann, bildlich erzählte.

Apropos, vorweg, der erstklassige Soundtrack zu seinem neuesten Werk stammt kompositorisch vom isländischen Musiker Jon Pór "Jonsi" Birgisson und beinhaltet des Weiteren schwungvolle Pop-Songs von Interpreten wie Tom Petty & The Heartbreakers ("Don't Come Around Here No More"), Bob Dylan ("Buckets of Rain"), Neil Young ("Cinnamon Girl"), The Isley Brothers ("Work to Do") oder Randy Newman ("I Think It's Going To Rain Today"). Stimmig stimmungsvoll.

Sein Name: Benjamin Mee. Der 47-jährige Brite ist gelernter Maurer und Dekorateur. Als er Mitte 20 war, wandte er sich seiner wahren Leidenschaft zu: den Tieren. Er schrieb sich am University College London für Psychologie ein, studierte dann am Imperial College Wissenschaftsjournalismus, promovierte über die Intelligenz von Delphinen und schrieb in der Folgezeit zahlreiche Fachartikel über tierisches Verhalten und Intelligenz sowie populärwissenschaftliche Texte und Abhandlungen.

2006 wohnt Benjamin Mee mit Ehefrau und zwei Kindern in Südfrankreich. Nach dem Tod seines Vaters soll das Verkaufsgeld für das Elternhaus für eine Immobilie auf dem Land verwandt werden. 2006 wird ihnen ein renovierungsbedürftiges Landhaus in der Grafschaft Devon angeboten, im Südwesten Englands. Das befindet sich inmitten eines abgewirtschafteten Zoos, des "Dartmoor Zoological Parks". Mitsamt seinen Bewohnern wie Tiger, Bären, Löwen, Strauße, Erdmännchen und Schlangen.

Wenn der Zoo vom Hauskäufer nicht mit übernommen wird, würden die Tiere getötet werden, heißt es. Entgegen allem gesunden Menschenverstand und gutgemeinter Umfeldratschläge entscheidet sich die Familie zur Gesamtübernahme und investiert sämtliche Ersparnisse in dieses Projekt. Und sie bekommen den Zoo, unterstützt von engagierten Mitarbeitern, tatsächlich wieder in Schwung - immer am Rande des Existenzminimums und der Erschöpfung.

2007 stirbt Ehefrau Catherine an einem Gehirntumor. Benjamin Mee kommt nur über die Vielbeschäftigung mit seinem Zoo und den Tieren über den Verlust hinweg. 2007 informiert eine vierteilige BBC-Dokumentation unter dem Titel "Bens Zoo" über diese außergewöhnliche Geschichte. Und sorgt so für neue Kundschaft. Zugleich veröffentlicht Benjamin Mee ein Buch unter dem Titel "We Bought a Zoo: The Amazing True Story of a Young Family, a Broken Dream Zoo, and the 200 Wild Animals That Changed Their Lives Forever”.

Die Memoiren werden ein Bestseller, alle Einnahmen fließen in den Zoo. Der Band ist jetzt auch hierzulande unter dem Titel "Benjamin Mee: Wir kaufen einen Zoo - Eine ganz normale Familie und ein verrückter Traum" erschienen. Doch trotz dieser Zusatzeinnahmen schrammt das Lebensprojekt vom Team Mee immer am Rande der Pleite, der Insolvenz, des Scheiterns. Wenn nicht genügend Besucher in den Sommermonaten kommen (und die dürfen dann auch nicht so grauenvoll verregnet sein wie der Juli von 2008 und der August von 2009) und die trockene Bank den (Finanz-)Hahn zudreht. Forever.

2010 tritt Hollywood auf den Plan und kauft die Geschichte auf - für eine Verfilmung. Mit einem Millionenbudget von 50 Millionen Dollar Produktionskosten. Als Matt Damen und Scarlett Johansson für die Hauptrollen gewonnen werden können, kommt Hoffnung, sprich Geld, in die leere Zoo-Kasse. Es kann in Devon weitergehen. Vorerst. In der Hoffnung, dass auch über den Spielfilm viele neue Interessenten, Besucher gewonnen werden können. In den USA hat der Film seit seinem Start am 26. November 2011 bislang über 100 Millionen Dollar an den Kinokassen eingespielt.

Als amerikanisches Familienprogramm - denn "We bought a Zoo" wurde umgepolt, spielt nun nicht im ländlichen Regen-Britannien, sondern im sonnigen Kalifornien mit einem nun überarbeiteten Arrangement für Kinder jedweden Alters (deutsche Freigabe: ab 0 Jahren). Matt Damon, 41, spielt Benjamin Mee, einen Zeitungskolumnisten und Abenteuerjournalisten aus Los Angeles. Herausforderungen bestimmen sein Berufsleben. Als aber seine Ehefrau stirbt, stehen er und seine beiden Kinder, die kleine Rosie und der 14-jährige Dylan, vor der bisher größten Anforderung: Wie weitermachen? Vor allem Dylan ist vom Verlust traumatisiert. Deshalb will Benjamin Mee weg.

Fernab der normalen Zivilisation findet er im kalifornischen Süden ein traumhaftes Grundstück, 70.000 Quadratmeter. Allerdings - mit einem maroden Zoo als Beigabe. Und mit dessen über 200 Tiere, die von der reizenden Tierpflegerin Kelly Foster (Scarlet Johansson, 27, gerade auch als "Avenger Black Widow Leinwand-aktiv) und ihrem engagierten Team betreut werden. Ohne die geringsten Erfahrungen mit Tieren und überhaupt einem Zoo und dessen Leitung zu besitzen, macht sich Ben ans Wagnis als ein neues Lebensabenteuer, seelenbaumelnd und kräftezehrend zwischen Melancholie und Lebensmut. Und, natürlich, mit vorhersehbarem filmischem Süße-Fortgang, aber mit Okay-Appeal.

Denn: Hier sind Einwände nur begrenzt und wenn, dann lächelnd erlaubt, meine ich zustimmend. Motto: Denk einfach pragmatisch, ein Zoo ist ein Zoo ist ein Zoo. Wenn es dem über/mit diesem Kinofilm hilft zu überleben, weiterhin zu existieren, sind näselnde Bemerkungen in Richtung Klischeefiguren (herrlich säuerlich: ein fieser, gefürchteter Zooinspektor, der versehentlich ins Bärengehege gerät) unangebracht. Hier geht es einzig und allein ums große tierische Ganze in Sachen tolle Hilfe plus nette Unterhaltung. Für Tiere und mit menschelndem Personal.

Regisseur und Mitautor Cameron Crowe hat, gemeinsam mit seiner namhaften Co-Autorin Aline Brosh McKenna ("Der Teufel trägt Prada"; "Morning Glory") auf sympathisches Family-Entertainment gesetzt, das spaßig-simpel gut amüsiert. Während die attraktive Pflegerin Scarlett-Kelly viel Herz beweist, trägt, vorführt. Schön.

USA 2011. Originaltitel: We Bought a Zoo. Regie: Cameron Crowe. Darsteller: Matt Damon, Scarlett Johansson, Thomas Haden Church, Maggie Elizabeth Jones, Colin Ford, Elle Fanning. Ohne Altersbeschränkung. 123 Minuten..

Filmhomepage "Wir kaufen einen Zoo"
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