Den Mond vom Himmel schießen

Von Elske Brault · 25.11.2012
Eine Mischung aus romantischem Liederabend, Las-Vegas-Show und Travestie-Einlage ist "The Right Bullets" am Schauspielhaus Hamburg. Ein großer Chanson-Darsteller verhebt sich anfangs und kriegt dann noch die Kurve.
22 Jahre ist es her, dass Dominique Horwitz aus dem Bühnenboden des Thalia-Theaters hinabschwebte und eher schnarrte als sang "Come on along with the black rider, we’ll have a gay old time". In der legendären "Freischütz"-Adaption von Songtexter Tom Waits und Regisseur Robert Wilson. Eine schöne alte Zeit soll es nun wieder werden, und doch auch eine neue, denn Dominique Horwitz hat sich gesanglich weiterentwickelt und mit seinem Jacques-Brel-Liederabend bewiesen, dass er durchaus in der Lage ist, eine Legende zu neuem Leben zu erwecken.

Sieben Männer in weißen Astronauten-Overalls, mit verspiegelten Sonnenbrillen und überdimensionalen Elvistollen-Perücken platzieren sich in einem verwirrend überreichen Instrumenten-Park, auf der Bühne des wegen Umbauarbeiten auf 600 Plätze reduzierten Schauspielhaus-"Spielfelds". Ein paar angekokelte Bretter ragen dort in die Höhe, zwischen ihnen tänzelt Dominique Horwitz herein, ganz in Rot, mit Zylinder und Gehrock wie ein Gentleman des 19. Jahrhunderts. Das Konzert präsentiert sich entsprechend als eine Mischung aus romantischem Liederabend und Las-Vegas-Show.

Nahtlos geht ein Freundinnen-Duett aus dem Weberschen "Freischütz" über in den Schmachtfetzen "Calling You", bekannt aus dem Marianne-Sägebrecht-Film "Out of Rosenheim", und das Rezitativ des vom Schützenpech verfolgten Max "Länger trag ich nicht die Qualen" mündet in Tom Waits "I’ll shoot the moon". Doch den Mond vom Himmel schießt Dominique Horwitz damit eben noch nicht, so klug das Ganze auch von Pianist Jan Christof Scheibe arrangiert worden ist.

Zum einen taugt die Freischütz-Geschichte, anfangs noch zwischen den Liedern verbindend erzählt, wenig zur sofortigen Identifikation: Mutprobe und Gesellenstück sind ebenso aus der Mode gekommen wie die Hochzeit. Wie soll ein Zuschauer da die eigenen Liebesnöte gespiegelt sehen? Zum anderen hat Horwitz’ Stimme eben eher dramatische als lyrische Qualitäten, er kann somit gar nicht anders, als die Opernpassagen zu ironisieren – die könnten jedoch ihre volle Wirkung im Gegensatz zu den Popsongs nur dann entfalten, wenn sie ganz ernsthaft, mit allem Schmelz und Schmalz vorgetragen würden. Ein klassisch ausgebildeter Opernsänger oder eine Sängerin hätte dem Abend hier gut getan.

Erst als Horwitz nach einem Kostümwechsel zurückkehrt in schwarzer Hose, schwarzem Tanktop und mit einem Zylinder, aus dem ein Hirschgeweih wächst, nimmt die Sache Fahrt auf. War er vorher mehr Harlekin als Mephisto, bekommt nun die Bühnenfigur mehr Tiefe, weil das absurde Geweih das Animalische, Kreatürliche im Manne unterstreicht. Und mit Tom Waits’ "November" singt der Schauspieler von Regen und verfaulenden Blättern, holt den Zuschauer also inhaltlich da ab, wo er am Totensonntag notgedrungen steht.

So wird das Ganze doch noch ein recht gelungener Kabarett-Abend, wenngleich besser passend zu einem Zirkuszelt als zu einem Theater: Im Tipi am Kanzleramt soll denn auch in Berlin weitergespielt werden. Nach der Pause gibt Dominique Horwitz mit einer Travestie-Einlage dem Affen Zucker: Mit der gleichen bizarren schwarzen Elvistolle wie seine Musiker, in Netzstrümpfen und roten High-Heels singt er "If you can’t be with the one you love, love the one you’re with". Die weibliche Kostümierung liefert dazu den unausgesprochenen Kommentar: Wenn du nicht sein kannst, wie du bist, verkleide dich eben als der, der du sein willst.

Ein großer Chanson-Darsteller hat sich hier anfangs verhoben – und dann doch noch die Kurve gekriegt. Sein Publikum dankt es ihm mit kreischendem Applaus und gibt erst Ruhe nach einer Zugabe: Natürlich "The Black Rider". A gay old time? Ja, wir hatten eine lustige Zeit mit altbekannten Liedern.

Informationen des Schauspielhauses Hamburg zu "The Right Bullets"
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