Den Linken droht die Spaltung

Von Gerhard Schröder, Hauptstadtstudio · 26.05.2012
Auch fünf Jahre nach der Verschmelzung von Ost-PDS und West-WASG ist in der Linkspartei nicht zusammengewachsen, was vielleicht einfach nicht zusammen passt. Es besteht die Gefahr einer anhaltenden Zersetzung, an deren Ende die Spaltung der Partei stehen könnte, meint Gerhard Schröder.
Es mag verfrüht sein, der Linkspartei schon die Totenglocke zu läuten. Der Umkehrschluss dürfte aber ebenso gewagt sein: Dass nämlich Oskar Lafontaine mit seinem Rückzug schon den Weg für einen Neuanfang geebnet habe.

Der einstige Hoffnungsträger hinterlässt die Partei in einem zerrütteten Zustand, zu dem auch seine Statthalter an der Spitze, das Führungsduo Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, maßgeblich beigetragen haben. Sie haben in ihrer zweijährigen Amtszeit kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen, die internen Streitigkeiten befeuert und sich durch Glückwunschtelegramme an greise Diktatoren und Einlassungen über Wege zum Kommunismus zum öffentlichen Gespött gemacht.

Und selbst den letzten Dienst, den sie der Partei noch hätten erweisen müssen, blieben sie schuldig: Nämlich für einen geordneten Übergang zu sorgen. Statt nach dem Programmparteitag im vergangenen Herbst eine geordnete Debatte über die neue Führungsspitze einzuleiten, ließen sie es zu, dass Lafontaine die Partei zu Stillschweigen verdonnerte, um ihr dann, zwei Wochen vor dem Wahlparteitag, die Bedingungen zu diktieren, unter denen er sich noch einmal als Retter an die Spitze rufen lassen mochte. Lafontaine forderte nichts anderes als eine Unterwerfungsgeste, indem er den Favoriten der ostdeutschen Landesverbänden, Dietmar Bartsch, zum Verzicht zwingen wollte, was auch eine seltsame Verkennung der Machtverhältnisse in der Partei dokumentiert. Denn nach wie vor liegt das Kraftzentrum der Partei im Osten, während sie sich im Westen gerade der Bedeutungslosigkeit nähert.

Sicher: Ohne Lafontaine, den einstigen SPD-Chef, hätte es die Linkspartei nie gegeben. Allein ihm ist es zu verdanken, dass eine Verschmelzung von Ost-PDS und West-WASG überhaupt möglich war. Mit Gregor Gysi, dem Fraktionschef, bildete er ein starkes Führungsduo, das ein triumphales Ergebnis bei der Bundestagswahl 2009 einfuhr.

Doch auch dieser Erfolg hat die Gräben in der Partei nicht schließen können. Auch fünf Jahre nach der Verschmelzung ist in der Linkspartei nicht zusammengewachsen, was vielleicht einfach nicht zusammen passt.

Lafontaine hinterlässt nun ein schweres Erbe. Statt die Partei zu versöhnen, hat er die Spaltung verschärft. Und es ist die Frage, wer die auseinander driftenden Pole wieder zusammen führen kann.

Dietmar Bartsch, der einstige Bundesgeschäftsführer, hätte zwar die Unterstützung der Ostverbände, gilt im Lafontaine-Lager aber als nicht tragbar, weil er den starken Mann von der Saar in die Knie gezwungen hat.

Dieser Umstand macht auch die eigentliche Paradelösung mehr als unwahrscheinlich: Nämlich ein Führungsduo mit dem profiliertesten Köpfen der beiden Lager: Dietmar Bartsch, der bekennende Pragmatiker auf der einen, und Sahra Wagenknecht, die einstige Wortführerin der marxistischen Plattform, auf der anderen. Beide zusammen könnten der Partei geben, was sie seit über zwei Jahren vermissen lässt: Ein kraftvolles Führungsduo, das in den eigenen Reihen über Autorität und Strahlkraft verfügt. Das der Partei wieder zu innerer Balance und Stabilität verhelfen könnte.

Ob beide dazu die Kraft haben, ist allerdings fraglich. Vor allem Wagenknecht hat in einem Maße polemisiert und polarisiert, dass ihr die Rolle der Versöhnerin nicht leicht von der Hand gehen kann. Aber es könnte ein Zeichen sein, dass die Partei gewillt ist, zur Besinnung zu kommen. Dass sie an einer politischen Zukunft überhaupt noch interessiert ist.

Derzeit freilich werden noch fleißig die Messer gewetzt, was eine ganz andere Variante ins Blickfeld rückt: Eine weibliche Führungsspitze, zwei Kandidatinnen, unverbraucht, jung, vom Machtkampf der Blöcke noch unbeschädigt. Könnte nicht so der Aufbruch einer Partei aussehen, die die alten Männerseilschaften und ihre Ränkespiele hinter sich lassen will?

Klingt irgendwie sympathisch. Aber auch diese Lösung hat einen schwerwiegenden Nachteil. Katja Kipping, obwohl schon stellvertretende Parteivorsitzende, ist so wenig ein politisches Schwergewicht wie Katarina Schwabedissen, die zudem die Hypothek einer krachenden Niederlage bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Gepäck führt.

Dass die beiden Frauen die widerstreitenden Lager befrieden und die Partei in eine glückliche Zukunft führen können, ist zwar nicht ausgeschlossen – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Realer sind derzeit aber die Gefahren einer anhaltenden Zersetzung, an deren Ende die Spaltung der Partei stehen könnte.

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