Dem Sternekoch in die Suppe gespuckt

Von Lu Yen Roloff · 30.07.2013
Den Sternekoch Uwe Meßner aus Hamburg zog es ins schleswig-holsteinische Dorf Schönberg. Aber die Bevölkerung vor Ort hatte keine Lust auf sein Restaurant und die veredelte Biokost, die dort angeboten wurde. Weil seine Landliebe unerwidert blieb, gibt der Städter nun auf.
Samstagabend, halb neun in der Küche des Aarngard. Uwe Meßner, 46 Jahre, die grauen, gewellten Haare zum kurzen Pferdeschwanz gebunden, schneidet Gemüse und gibt zwei Köchen knappe Anweisungen. Die eilen, mit roten Köpfen und schweißbedeckter Stirn, hin und her – zwischen Herd und Tresen, Bestellzetteln und Kisten voll Gemüse, Fisch und Fleisch.

Einer sautiert Jakobsmuscheln auf den Punkt, richtet sie mit gebratenem Felsenoktopus auf einem Bett aus Zucchini an, beträufelt sie dann vorsichtig mit Tomatensafransud. Der andere Koch balanciert vorsichtig ein pochiertes Eigelb zu einem Teller mit Spinat-Gnocchi. Daneben! Meßner hilft kurz, dann schnippelt er weiter.

Die Gäste im vollbesetzten Restaurant Aarngard bekommen die konzentrierte Arbeit in der Küche nicht mit. Nur das Ergebnis.

Paare und kleine Gruppen sitzen zusammen, die meisten sind von außerhalb nach Schönberg gekommen. Angelockt vom guten Ruf des Kochs, der schon mit Alfons Schuhbeck und Eckart Witzigmann zusammenarbeitete. Zuletzt erkochte Meßner unter Fernsehkoch Christian Rach im Hamburger Tafelhaus einen Michelinstern und 16 von 20 möglichen Punkten im einflussreichen Restaurantführer Gault-Millau. Harte Arbeit für den 46-Jährigen – und der Beginn einer Sehnsucht nach dem Land:

"Meine Zeit im Tafelhaus mit Christian Rach sorgte dafür, dass ich 16 Stunden präsent gearbeitet habe, viele machen das genauso, auch in anderen Berufen. Wir wissen mittlerweile auch, dass es Menschen gibt, die in den großen Metropolen überlastet sind, die diesen Wunsch haben, rauszugehen aus diesen Strukturen, der Hysterie, der Schnelllebigkeit in eine Region zu kommen, wo man noch atmen kann, wo das einfach auch ein Weg ist, zu sagen: Gott sei Dank, ich bin da mal raus."

Immer wieder fuhr Meßner auf der Suche nach Ruhe mit Frau und Kindern in die Probstei, die Gegend rund um das Örtchen Schönberg unweit von Kiel. Im Sommer wiegen sich hier die leicht hügeligen Kornfelder bis zum Horizont. Die 20 Kilometer lange Küste wölbt sich sanft in die Ostsee, die weißen Strände tragen Namen wie Kalifornien und Brasilien.

Ein beliebtes Ferienziel für 70.000 Touristen im Jahr – gleichzeitig haben 2.000 Menschen hier ihre Zweitwohnung, viele pendeln zum Arbeiten die 15 km nach Kiel. Viel städtisches Publikum also, mitsamt seinen Ansprüchen an Gastronomie. Doch viele Landgasthöfe haben geschlossen, im Rest dominiert die Schniposa-Küche – Schnitzel, Pommes, Salat für 6,90. Die Meßners enttäuscht – und inspiriert das: Warum nicht bleiben und hochwertige regionale Küche anbieten?

"Ich bin ein dörflicher geprägter Mensch, ursprünglich am Rand von Hamburg aufgewachsen in dörflichen Strukturen. Meine alten Erinnerungen kamen wieder hoch, an meine schöne Kinderzeit, die Kinder sind sieben und elf, genau das richtige Alter, um das noch genießen zu können, um mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren, nicht so viel Angst haben zu müssen und vielleicht auch ein bisschen Träumerei zu sagen, auf dem Land lebt es sich einfach gesünder und schöner."

Im Oktober 2012 pachten die Meßners ein kleines Landhotel mit Restaurant im Zentrum von Schönberg. Ein Schönberger Unternehmer hat das Gebäude von 1899 für zwei Millionen Euro renovieren lassen, mitsamt dem großen Ballsaal für bis zu 300 Personen. Uwe Meßner tauft den Betrieb Aarngard – plattdeutsch für Erntegarten. Sein Konzept: regionale Bio-Küche vom Grünkohl über die Ostseescholle bis hin zur Sylter Auster, eingekauft von Bauern und Fischern aus der Gegend, ohne Zusatzstoffe – innovativ und kreativ zubereitet. Er will keine Sterneküche für Großstädter machen, sondern die Region auf neuem Niveau präsentieren. Seine Zielgruppe:
"In erster Linie die Schönberger und alles, was Drumherum ist, wir wollten für die Menschen, die hier leben, 'ne gute Gastronomie machen, Qualitativ hochwertig, seid mal stolz drauf, endlich habt ihr 'nen Neuen, den könnt ihr ausprobieren, da wird mit Leidenschaft gekocht, mit neuen Techniken, da erlebt man was, und das für Schönberg und die Region, für die Region aus der Region. Das war ein Stück Romantik, die hier 'ne Realität erlebt hat, die schon auch ganz anders ist."

Was Meßner zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Das Haus ist in der gesamten Probstei unter dem Namen Bahnhofshotel bekannt. Und war jahrzehntelang kostenloser Versammlungsort für viele der hiesigen Vereine und Verbände.

"Im Bahnhofshotel ein- und ausgegangen sind Landfrauen, Tanzsportclub Probstei, die Jagdhornbläser, die Arbeiterwohlfahrt alle Vereine und Verbände, SPD, CDU, FDP, jeder der da irgendwelche Kongresse abgehalten hat. Es war von allen gesellschaftlichen Gruppen frequentiert, es war ein sozialer Mittelpunkt."

Alte Gepflogenheiten hatten plötzlich ein Ende
Ingo Lage, 58 Jahre, ist durch und durch Probsteier. Der Sparkassenangestellte und Bürgermeister des 200-Seelen-Dorfs Bendfeld ist Gründungsmitglied der plattdeutschen Theatergruppe Lampenfewer. Über 30 Jahre lang nutzte diese den Saal des Bahnhofshotels kostenlos für Proben, holte dann mit Bussen der AWO insgesamt 2.500 Senioren pro Jahr zu 10-12 Aufführungen. Die Theatergruppe will den Saal wie gewohnt weiter nutzen und schickt direkt nach der Eröffnung eine Gruppe zur Verhandlung ins Aarngard.

Schnell zeigt sich, dass die alten Gepflogenheiten mit dem neuen Pächter ein Ende haben. Meßner hat anders als die früheren Eigentümer des Hauses keine weiteren Einnahmequellen aus Ländereien oder gut laufendem Unternehmen, bringt nur eine Finanzierung für ein Jahr mit. Er kalkuliert streng betriebswirtschaftlich:

"Kaffee satt, Kuchen, zwei Stücke Torte, ein Stück trocken, das Ganze organisiert im kleinen Saal und der große Saal komplett bestuhlt, die Theatergruppe, die im Vorfeld ihre Spielstätte natürlich auch besuchen will, um zu üben und zu proben, alles in der Zeit, in der die Kosten weiter laufen, das haben wir gerechnet und es funktioniert leider nicht zu dem Preis."

Der alte Preis von 6 Euro 50 pro Kaffeegedeck bei den Aufführungen deckt noch nicht mal seine Kosten:

"Auch wenn es die letzten zehn oder zwanzig Jahre so gewesen ist, es tut uns leid, wir können das damit überhaupt nicht decken."

Heizkosten, Reinigung, Service, Investitionen in den Brandschutz. Das alles muss Meßner in den Preis einbeziehen. Sein Angebot: 12,50 pro Kaffeegedeck am Aufführungstag – für den Gastronom bedeutet das zwar keinen großen Gewinn, aber immerhin keinen Verlust:

"Ich möchte die Menschen ja haben, sie sollen ja ihren Platz haben. Ich selber komm' aus so einem Elternhaus. Mein Vater war lange Amtsvorsitzender der AWO im Kreis Stormann, ich kenn die AWO und die ganze Verbindungen der Sozialgeflechte auf den Dörfern, ich kenn das. Ich weiß auch dass meine Mutter viele Torten gebacken hat, und das war immer unterfinanziert."

Dazu veranschlagt Meßner eine Saalmiete für Probenabende, einen Mindestumsatz für jeden Theaterabend und möchte nur drei Aufführungen im Jahr garantieren - statt zehn. Ein Schock für die Theatergruppe der AWO:

"Welchen Eintritt hätten wir dann nehmen müssen, um das reinzuholen? Da muss man dann erst mal schlucken, wenn man da so nicht mehr weitermachen kann."

Ingo Lage, der bei den Verhandlungen nicht dabei war, ärgert sich über die Konditionen:

"Mich hat geärgert, das ihm nicht zu vermitteln war, wo wir leben, ob er weiß, wo er überhaupt hingezogen ist, nicht nur mich sondern auch tausend andere Leute, man hatte so das Gefühl, man war nicht mehr willkommen, man war nicht mehr gut genug für den Laden und wir alten Ländler hier, da holt er sich sein Publikum aus Hamburg oder den Metropolen, die zu ihm wallfahrten um seine Cuisine zu genießen. So‘n spinnerten Kram liest man immer in Hochglanzmagazinen. Weiß nicht, ob er gute Mann da an der richtigen Stelle ist."

Die Gerüchteküche brodelt, die Küche bleibt kalt
Die Verhandlung endet ohne Vertrag – aber mit dem Ergebnis, dass sich die Theatergruppe verdrängt fühlt und die Gerüchteküche im Dorf zu brodeln beginnt. Manche reagieren darauf aggressiv:

"Nach Ende des Gesprächs sind die ersten Dinge hier im Ort passiert zum Thema Drohanrufe. Das Telefon geht, man geht mit 'ner guten Freundlichkeit dran, dann wird man bepöbelt: Ihr Idioten, was macht ihr da, ihr Arschlöcher, das wird nie klappen, ihr werdet euch nie wohl fühlen, ihr werdet schon sehen, es wird nicht mehr lange dauern, dann seid ihr weg hier, wir werden schon alles dagegen tun, dass ihr nicht bleibt! Das nicht einmal, nicht zehnmal gewesen, sondern das passiert in regelmäßigen Abständen, auch immer noch."

Nur einen Steinwurf entfernt vom Aarngard führt Peter Wahl die Königlich-privilegierte- und Kurapotheke an der Bahnhofsstraße. Ein Ort, an dem viel Dorftratsch aufläuft:

"Was geplaudert wird: Das Essen ist zu teuer, dass es unmöglich ist, dass gewisse Sachen nicht mehr so wie früher stattfinden immer so mit dem Grundtenor: Plötzlich ist alles anders. Und es ist ja auch so: Es ist jetzt anders. Sehr viel mehr ist bei neutraler Betrachtung erst mal nicht. Es ist nicht mehr so wie früher."

Apotheker Peter Wahl hört, dass viele Schönberger mit den Neuerungen des Sternekochs fremdeln. Statt Bratkartoffeln mit Sauerfleisch und Grünkohl in Riesenportionen gibt es nun aufeinander abgestimmte Menüs mit zum Teil exotischen Zutaten. Eine moderne, helle Einrichtung – an Stelle der früheren Rustikalität. Und vor der Tür: Mercedes, BMW und Porsche.

Und am Aarngard prallen nicht nur wirtschaftliche Interessen unvereinbar aufeinander – da kollidiert auch die schöne, hochwertige Ländlichkeit der gut betuchten Städter, wie sie von Zeitschriften wie Landlust und Landliebe dargestellt wird – mit der Realität einer vom Strukturwandel betroffenen Region:

"Wenn der so schreibt auf seiner Webseite, man will Gemüse und Fleisch aus der Region und Fisch vom Kutter, dann ist das für mich so Heile-Welt-Geschwafel. Die Landwirtschaft hat sich anders entwickelt, muh und mäh und Kikeriki auf‘m Dorf, wie man das so lauschig kennt, ist es nicht. Hier gibt es Biogasanlagen, Monokulturen, das sind alles fatale Entwicklungen."

Innerhalb von wenigen Wochen hat Uwe Meßner das gesamte Dorf gegen sich. Als er Anfang 2013 dem Vorsitzenden einer lokalen Wählerinitiative aufgrund einer Doppelbuchung einen Termin absagt, antwortet dieser per E-Mail:

"Es ist natürlich erfreulich für Sie, dass Ihr Geschäft so gut geht, dass Sie auf so eine Veranstaltung verzichten können, die nach der Erfahrung vergangener Jahre einen Gewinn von mehreren Tausend Euro abwirft. Es entsteht der Eindruck, dass Sie mit uns genau so wenig zusammenarbeiten wollen wie mit anderen lokalen Vereinen und Verbänden. Natürlich werden wir unseren ca. 200 Gästen über Ihre Ablehnung berichten. Es wird sie in der in Schönberg weit verbreiteten Meinung bestärken, dass Sie an einer lokalen Verwurzelung Ihres Hauses nicht interessiert sind."

Und so denken inzwischen fast alle Schönberger, sagt Ingo Lage – und meiden als Konsequenz das Aarngard von vornherein:

"AWO 500 Mitglieder, TSV oder ne politische Partei das sind 500 Leute, dann gibt’s noch das Rote Kreuz, dann sind das 200 - 300 Leute, dann gibt’s noch den Sozialverband, das sind 500 Leute, mit Familie, Freunden und Bekannten, es summiert sich ja, Schönberg hat so 6000 Einwohner und Umfeld in der Probstei sind so 10.000 insgesamt, und wenn man die Vernetzung sieht und die ganzen Zusammenhänge, dann ist das schon ne ganze Ecke, die aufgrund der Vereinstätigkeiten nicht mehr hingeht."

(Lisa Matheoschat:) "Die Tradition verschwindet da mit den Vereinen, die da ihre Versammlungen abgehalten haben, das verschwindet ja leider."

Lisa Matheoschat ist die Souffleuse der AWO-Theatergruppe Lampenfewer. Die große, weißhaarige Siebzigjährige sitzt vor einem Backshop und blickt auf den großen Parkplatz, um den sich Supermärkte, Discounter und ein Gemischtwarenkaufhaus gruppieren. Zwischen langsam fahrenden Autos schieben Sommertouristen vollgepackte Einkaufswagen hindurch. Hier, am neuen Einkaufszentrum, spielt sich heute das gesellschaftliche Leben von Schönberg ab:

"Wie ich zum Konfirmandenunterricht gegangen bin, da war ich ja 13, da war Schönberg noch ein echtes Bauerndorf, mit einer Meierei, die Meierei hatte auch 'nen Milchladen, dann waren hier viele kleine Kaufläden so. Dieses Ländliche, das ist natürlich weg. Weil all diese alten Häuser, vieles, vieles ist abgerissen, neu gebaut, Straßen durch Schönberg gebaut. Das ist so schade, dass Schönberg sich so ... eigentlich zum Negativen gewandelt hat."

Dass eine große Immobilie wie das Bahnhofshotel mit Uwe Meßner einen neuen Pächter gefunden hat, ist eine Ausnahme. Der andere große Veranstaltungssaal im Ort, das Stadt Kiel, ist längst insolvent und geschlossen. Strukturwandel prägt die ehemals sehr bäuerliche Region. Viele Landwirte haben in den vergangenen Jahrzehnten aufgegeben, ohne die Bauern verlagerten sich auch die Arbeitsplätze ins nahe gelegene Kiel. Gerade die jüngeren Menschen nutzen Schönberg nur noch zum Schlafen und Einkaufen, ihr gesellschaftliches Leben spielt sich woanders ab. Lisa Matheoschat blättert in dem Manuskript des letzten Theaterstücks, dass die nun seit fast einem Jahr Probenraum-lose Gruppe Lampenfewer im Juni aufgeführt hat.

"Der dösige Kröger, der wolln uns doch gar nicht hem in sen Krog, det hab ich wohl glick smaak."

Der traditionelle Thing-Tag ist ein Schönberger Kulturereignis, bei der eine historische Gerichtsverhandlung auf Plattdeutsch nachgespielt wird. In diesem Jahr hat Lampenfewer-Gründer Ingo Lage selbst das Theaterstück geschrieben – und darin einen Gastwirt vor Gericht gestellt. Den sonnigen Nachmittag Mitte Juni hat die Gruppe auf DVD festgehalten.

Im Hof des Heimatmuseums Probstei sitzen hunderte, meist ältere Gäste. Vor Gericht steht Kröger Hendrik. Der Gastwirt ist aus dem feinen Kloster Preetz ins bäuerliche Schönberg gekommen. Nicht nur kocht der Kröger Besseres als die hier gewohnte Grütze. Er verklagt auch eine Magd, die sich das feine Essen und von ihm verlangte Stuhlgeld nicht leisten konnte – und sich deswegen heimlich schwarzgebrautes Bier besorgte. Während des Prozesses stürzt sich die Magd wütend auf den Kröger und zwingt ihn, Grütze zu essen. Viele Schönberger sind amüsiert. Auch die Kieler Nachrichten berichten:

"Alles frei erfunden, hieß es zwar wie immer im Abspann. Aber die meisten Zuschauer auf den Bänken dachten bei dieser Geschichte unweigerlich an die vor einem Jahr veränderte und viel kritisierte Praxis im einstigen Bahnhofshotel, der ehemaligen Spielstätte des AWO-Theaters. Denn die Theaterleute sind wegen der finanziellen Forderungen des neuen Betreibers seit einem Jahr ohne Übungsstätte."

Zeitungsbericht besiegelt das Schicksal des "Aarngard"
Die Gerichtsverhandlung und die anschließende Presseberichterstattung gibt dem Aarngard den Rest, erzählt Uwe Meßner:

"Wir leben seit zehn Monaten völlig ohne Verdienst, weil alles hineingeflossen ist, in diese Unternehmung und sie hat mir bislang keinen Cent gebracht – und wenn ich meine Tochter nicht rausschicken kann, um ein Eis zu kaufen, dann ist das extrem traurig. Das hat nix damit zu tun, dass wir nicht wirtschaften können, wir haben unsere Zahlen gut im Blick ...

Dadurch, dass der Thing Tag in der Presse so extrem auf uns gemünzt wurde, ist uns das Mittagsgeschäft weggebrochen – es ist komplett weggebrochen, wir standen mittags seit dieser Veranstaltung mit Null Gästen da. Das hat uns sehr erstaunt, dass auf einmal keiner mehr kam, da haben wir den Sozialdruck schon gemerkt."

(Dirk Osbahr:) "Der Punkt ist der, dass Theater Finger in Wunden legen soll, das ist schon richtig ..."

Der frisch gebackene Bürgermeister Dirk Osbahr sitzt in einem Cafe am Schönberger Strand. Touristen schieben Kinderwägen und Fahrräder umher, im Wasser warten Surfer auf die nächste Welle, ein paar ältere Paare liegen im Sand und lesen.

"… aber es schürt natürlich eher die Gerüchteküche, wenn man das eher einseitig präsentiert."

Der Tourismus ist die wichtigste Einkommensquelle für die Probstei. Das Land Schleswig-Holstein spricht gezielt junge Familien, sogenannte "best ager" und "anspruchsvolle Genießer" an. Für die beiden letzten, das ergaben Studien, ist eine gute Gastronomie sogar noch wichtiger als Strandbesuche. Eigentlich müsste Schönberg deswegen einen überregional bekannten Koch wie Uwe Meßner mit Kusshand begrüßen. Dirk Osbahr betrachtet den Horizont:

"Ist die Bevölkerung insgesamt schon bereit gewesen für diesen Wandel? Und ich glaube, dass sich viele noch damit auseinandersetzen müssen, dass es Wandel gibt und dass er unter Umständen sehr plötzlich kommt und sehr krass ausfallen kann."

Ein weiterer, nicht ausgebuchter Abend im Saal des Aarngard. Während vorne im Restaurant Betrieb ist, bringt auch dieser Abend Uwe Meßner Verluste. Der Koch wirft den Schönbergern eine mangelnde Wertschätzung für die eigene Kultur vor:

"Die Denkmalschutzstellung des Hauses, das schreit ja förmlich danach dass es beibehalten wird, das muss aber auch finanziert werden, und das muss jedem klar sein. Grundsätzlich abzulehnen weil man sagt: Das war nie so, das war immer umsonst, wir haben nie was dafür bezahlt, das ist nicht der Weg für die Zukunft, das ist ein Augenverschließen vor der Realität und sorgt dafür, dass alles in der Region von Menschen, die auch Potenzial hat, die kreativ sind, immer weiter Dinge kaputt gehen, Das heißt, man macht sein eigenes Nest kaputt, man beschmutzt es selbst und schlussendlich hat man auch gar keine Chance mehr, Kultur zu leben."

Allein in den vergangenen drei, vier Jahren ist die Zahl der Landgasthöfe in der Region um 20 Prozent zurückgegangen, schätzt der deutsche Hotel- und Gaststättenverband Schleswig-Holstein. Viele schaffen es nicht, sich vom Treffpunkt für Dorfbewohner zum Anlaufpunkt für die Touristen und Pendler aus den Städten zu entwickeln.

(Uwe Meßner:) "Wir müssen uns ja entwickeln, Weil der Gast entwickelt sich auch weiter in den Großstädten, in einer unglaublichen Geschwindigkeit, bei der man schon fast nicht mehr mitkommt. Das müssen wir auch tun. Sicherlich, es sind einige, die auf der Strecke bleiben, weil sie die Neuerungen nicht wollen oder ja, vielleicht auch nicht können. Aber die Region wird davon profitieren, und das ist nun mal der Wunsch.

Dass die Bevölkerung von sich aus das nicht akzeptiert und noch gar nicht sieht, was in Vision daraus werden könnte, das glaub ich allerdings auch. Wir brauchen die Zustimmung der Menschen hier in Schönberg, damit wir existieren, und vor allem, damit auch die Zukunft dieses Hauses gesichert ist. Ohne Zuspruch der Menschen hier wird es im Endeffekt nicht weiter laufen, egal mit wem es nachher weiterläuft."

Am 24. Juli haben Uwe Meßner und seine Frau den Termin für die Anschlussfinanzierung. Ergebnis: Die Einnahmen des ersten Jahres haben nicht gereicht, das Aarngard wird geschlossen. Ab August wird der Eigentümer das Restaurant übernehmen – wieder mit gutbürgerlicher Küche. Uwe Meßner macht sich auf die Suche nach einem neuen Standort. Bis eine neue Immobilie gefunden ist, bleibt vom Aarngard nur noch die Vision auf der Webseite:

"An diesem Ort ist es noch möglich, die Natur ganz pur zu genießen. Hier leben herzliche Menschen, hier zählt das Wort. Kommen sie nach Schönberg und genießen sie diese heile Welt aus Tradition, Natürlichkeit und höchstem kulinarischem Anspruch."
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