Dem Genre verweigert

Von Uwe Friedrich · 28.11.2010
Der Operettenklassiker "Im Weißen Rößl" wird an der Komischen Oper in einer erst kürzlich wiederentdeckten Revuefassung gespielt. Regisseur Sebastian Baumgarten verzichtet allerdings auf Ausstattungspomp und Ballett.
Beinahe vier Stunden dauert die Berliner Aufführung des Operettenklassikers "Im weißen Rößl" von Ralph Benatzky, und das ist deutlich zu lang. Denn die Version des Regisseurs Sebastian Baumgarten hat weder ausreichend Charme noch Witz, um über die lange, sehr lange Strecke zu tragen. Gespielt wird nämlich die erst vor einem Jahr wiederentdeckte Revuefassung von Erik Charell mit vielen zusätzlichen Musiknummern und etlichen Tanzeinlagen.

Doch der Regisseur verweigert sich dem Genre, bringt kein Ballett und keinen Ausstattungspomp auf die Bühne, sondern wendet die allzu gut bekannten Volksbühnenversatzstücke auch auf die Operette an. Überdehnte Slapsticknummern, immer gleich erzählte Witze und pseudospontane Texthänger der Darsteller sowie von einem nervtötenden Pianisten verklimperte Dialoge machen vor allem den zweiten Teil des Abends zur Publikumsfolter.

Einzig Peter Renz und Christoph Späth behaupten das Recht des gut platzierten Witzes gegen diese bleierne Schwere, es ist allerdings zu befürchten, dass sie diese Lichtblicke gegen den Regisseur und seine Humor freie Sicht auf das Stück durchsetzen mussten. Der hochvirtuose Schauspieler Max Hopp gibt einen handfesten Zahlkellner Leopold, dem jede Melancholie fremd ist, Dagmar Manzel stattet die Rößlwirtin mit eher preußischer Resolutheit aus. Das funktioniert bis zur Pause recht gut, doch dann fehlt dem Abend jene leicht süßliche Melancholie, durch die eine Operette erst genießbar wird, und die allen Volksbühnen-Adepten wie auch Sebastian Baumgarten zutiefst suspekt ist.

So kann auch die grandiose Dagmar Manzel den plötzlichen Stimmungsumschwung zugunsten des Zahlkellners nicht recht glaubhaft machen. Immerhin kann sie, wie auch Max Hopp, wirklich singen, ganz im Gegensatz zur Schauspielerin Kathrin Angerer, die aus Ottilie Gieseke ein Dauer zickendes, verzogenes Gör macht, bei dem der Zuschauer regelrecht Angst vor der nächsten Gesangsnummer hat. Zudem klingt die Verstärkeranlage der Komischen Oper wie ein billiges Autoradio. Da kann sich Dirigent Koen Schoots noch so viel Mühe geben mit dem Orchester der Komischen Oper, der Schramlmusi und dem BVG-Blasorchester, die eigentlich leichtfüßige Operettenmusik will nicht abheben und kann den dramaturgisch überfrachteten Abend auch nicht retten.

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