Debut

Ein Autor, den man sich merken muss

Jahrestag der so genannten Nelkenrevolution in Portugal, die das Land von der Diktatur befreite
Jahrestag der so genannten Nelkenrevolution in Portugal, die das Land von der Diktatur befreite © picture alliance / dpa
Von Katharina Döbler · 08.04.2014
Beim Stichwort "Nelkenrevolution" weiß der zeithistorisch gebildete Leser, dass er sich im Jahre 1974 in Portugal befindet, als gegen die Diktatur geputscht wurde. Vor dieser großen historischen Bühne erzählt João Ricardo Pedro kleine private Dramen.
Es beginnt im April 1974 in einem äußerst abgelegenen Dorf Portugals mit einem Mann, der morgens mit seinem Gewehr loszieht und nicht wiederkommt. Es ist der Tag der "Nelkenrevolution", aber weder von Nelken ist hier die Rede noch von den berühmten Liedern, die im Radio gespielt wurden – als Startsignal für die Erhebung gegen die Diktatur.
Der Portugiese João Ricardo Pedro, geboren zwei Jahre vor diesem zentralen Ereignis, erzählt davon ohne die üblichen historischen Klischees; er nutzt überraschende und vielversprechende Perspektiven und erfindet Schicksale voller Widersprüche.
Sein für ein so epochales Unternehmen eher schmaler Roman erstreckt sich über drei Generationen einer bürgerlichen Familie: Großvater Augusto wird Landarzt in einem rückständigen Kaff, vom Autor liebevoll geschildert, dem er die Zivilisation erst einmal nahebringt. Vater Antonio ist nach zwei Kriegseinsätzen in Angola schwer traumatisiert. Ein Kapitel spielt am Ufer des Kongo und gibt in ungewöhnlich kalter, wie skelettiert wirkender Sprache die Kriegserinnerungen des Vaters wieder (samt einem Auftritt des späteren Rebellen General Spínola). Und dann ist da der Sohn, Duarte, ein Wunderkind am Klavier, der sich dem zerstörerischem Sog der Musik verweigert.
Joao Pedro gelingt es in diesem Buch - seinem Debüt -, seinen so verschiedenen Figuren ihren jeweils ganz eigenen Ton zu verleihen. Und der Übersetzerin Marianne Gareis ist es gelungen, diese erzählerische Polyphonie auch im Deutschen klar und hörbar zu machen.
Und das ist wichtig, denn Pedro führt, wenn auch auf großer historischer Bühne, kleine private Dramen vor, vom Mysterienspiel über die Burleske bis zur Tragödie. Gelegentlich klingt ein Kapitel ein wenig zu deutlich nach Jonathan Franzen, ein anderes nach Joseph Conrad. Und dass dieser Familienroman auch noch Künstlerroman sein will überfrachtet sein kleines Format ein wenig. Aber dennoch: Das ist ein Autor, den man sich merken muss - und von dem man hoffentlich noch viel wird lesen können.

João Ricardo Pedro: "Wohin der Wind uns weht"
Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
229 Seiten, 18,95 Euro