Debüt im Deutschlandradio Kultur

Die Philister ärgern

Der Cellist Valentin Radutiu
Der Cellist Valentin Radutiu © Felix Broede
24.02.2015
Drei junge Künstler stellen sich vor im Debüt mit dem DSO Berlin: Die Pianistin Ottavia Maria Maceratini, der Cellist Valentin Radutiu und der Dirigent Gustavo Gimeno. Auf dem Programm steht Musik aus England, das Cellokonzert von Weinberg und die klassische Jugendsinfonie Prokofjews, mit der er nach eigenen Worten "die Philister ärgern" wollte.
Wenn wir junge erstklassige Solisten und Dirigenten einladen, sich gemeinsam mit dem DSO zum ersten Mal in Berlin vorzustellen, erklingen immer auch selten zu hörende Werke. Diesmal dabei: das Klavierkonzert des englischen Komponisten John Foulds als deutsche Erstaufführung.
Gespielt wird das originelle Werk von der Pianistin Ottavia Maria Maceratini. In Italien zunächst von Lorenzo Di Bella ausgebildet, studierte sie anschließend in München bei Elisso Wirsaladze. Ottavia Maria Maceratini konzertierte als Solistin mit zahlreichen Orchestern, u.a. in Rom, Mailand, München, Wien, Florenz und auf Schloss Elmau. 2012 nahm Ottavia Maria Maceratini am Festival „Chamber Music connects the world" in Kronberg teil und konzertierte dort u.a. mit Gidon Kremer und Steven Isserlis. 2014 debütierte sie beim Nowosibirsk Sinfonie Orchester mit dem Klavierkonzert für die linke Hand von Maurice Ravel. Im Juni 2014 spielte sie beim Eröffnungskonzert des Bonner Schumannfestes und bei der Schumann-Festwoche Leipzig.
Der in München geborene Cellist Valentin Radutiu erhielt zunächst Unterricht von seinem Vater und studierte anschließend in Salzburg, Wien und Berlin bei Clemens Hagen, Heinrich Schiff und David Geringas. Zu den Wettbewerbserfolgen von Valentin Radutiu gehören der 1. Preis beim Internationalen Karl Davidov-Wettbewerb in Riga und der 2. Preis beim Internationalen Enescu-Wettbewerb in Bukarest 2012. Valentin Radutiu konzertierte u.a. mit der Camerata Salzburg, dem Stuttgarter Kammerorchester und dem World Youth Symphony Orchestra. Zu seinen Kammermusikpartnern zählen das Hagen Quartett, Ilya Gringolts, Ib Hausmann, Antje Weithaas und die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker.
Der Dirigent Gustavo Gimeno wurde in Valencia geboren. Bereits in seiner Zeit als Solo-Schlagzeuger beim Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam widmete er sich dem Dirigierstudium. Seine internationale Dirigentenkarriere begann er 2012 als Assistent von Mariss Jansons. Erfahrungen sammelte er zudem als Assistent von Bernard Haitink und Claudio Abbado. Nach Debüts beim Royal Concertgebouw Orchestra und den Münchner Philharmonikern wurde Gustavo Gimeno im Juni 2014 zum Musikdirektor des Orchestre Philharmonique du Luxembourg berufen und tritt diese Position mit Beginn der Spielzeit 2015/16 an. Gastdirigate führen Gimeno in der Saison 2014/15 zu Orchestern wie dem Tonhalle Orchester Zürich, dem Rotterdam Philharmonic Orchestra und dem City of Birmingham Symphony Orchestra. Mit den Komponisten Pierre Boulez, Peter Eötvös und George Benjamin verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit. In Valencia wird Gustavo Gimeno 2015 eine Neuproduktion von Bellinis „Norma" leiten.
Thomas Adès: Ouvertüre zur Oper „The Tempest"
In den letzten Jahrzehnten macht sich verstärkt eine jüngere Generation hochbegabter britischer Komponisten bemerkbar. Zu ihnen gehört der 1971 in London geborene Thomas Adès. Dieser in London und Cambridge ausgebildete Komponist trat früh mit großen Orchesterwerken hervor, bei denen sein eminenter Klangsinn auffiel. Im Alter von 24 Jahren schuf Thomas Adès seine erste Oper. Acht Jahre später entstand ein zweites Bühnenwerk, dessen von Meredith Oakes verfasstes Textbuch auf dem bekannten Shakespeare-Drama „Der Sturm" beruht. Die Londoner Uraufführung vom Februar 2004 war auch deshalb so erfolgreich, weil sie alle Erwartungen an eine „richtige Oper" erfüllte. Der Text war verständlich, Personen und Orte wurden durch die Musik, durch Motive und bestimmte Klangkombinationen jeweils deutlich charakterisiert. Dabei gelang es dem Komponisten, Vertrautes neu klingen zu lassen.
John Foulds: „Dynamic Triptych" für Klavier und Orchester op. 88
John Herbert Foulds, 1880 als Sohn eines Fagottisten in Manchester geboren, wurde im Alter von zwanzig Jahren Cellist im damals von Hans Richter geleiteten Hallé Orchester. Daneben entwickelte er sich autodidaktisch zum Komponisten, wobei er sich zunächst an Richard Strauss und Edward Elgar orientierte, aber bereits ab 1898 auch Vierteltöne verwendete. Von größter Bedeutung wurde für Foulds 1915 die Begegnung mit der Geigerin Maud MacCarthy, einer Kennerin indischer Musik und Geisteswelt. Sie hatte in Indien Volksmelodien gesammelt und beherrschte auf mehreren indischen Instrumenten und als Sängerin die traditionellen mikrointervallischen Skalen. Bei ihr erlernte Foulds das Spiel auf Tabla und Vina. Daraufhin erstellte er eine Tabelle von 90 Tonleitern oder Modi, die für ihn gleichberechtigt waren mit den im Westen üblichen Dur- und Moll-Tonleitern. Zu Foulds besten Werken gehört das 1929 in Paris vollendete und 1931 in Edinburgh uraufgeführte „Dynamic Triptych" für Klavier und Orchester. Die drei Sätze dieses hochoriginellen Klavierkonzerts präsentieren drei verschiedene Existenzformen von Energie: die Energie eines bestimmten Tonvorrats oder Modus, die Energie wechselnder Klangfarben und schließlich die Energie des Rhythmus.
Mieczyslaw Weinberg: Konzert für Violoncello und Orchester c-Moll
Bis vor wenigen Jahren war auch der Komponist Mieczyslaw Weinberg im deutschen Musikleben fast unbekannt. 1919 als Sohn eines jüdischen Musikers in Warschau geboren, hatte er am dortigen Konservatorium Klavier studiert. Wegen des deutschen Überfalls auf Polen verlor er 1939 seine ganze Familie. Er selbst floh zu Fuß nach Minsk, wo er ein Kompositionsstudium aufnahm. Auch von dort vertrieben ihn 1941 die deutschen Truppen. Über Taschkent kam Weinberg 1943 nach Moskau, wo Dmitrij Schostakowitsch ihn förderte. Als Weinberg 1953 als „jüdischer Verschwörer" verhaftet wurde, kam er nur durch Schostakowitschs Fürsprache frei. Spätestens seit der szenischen Uraufführung seiner Oper „Die Passagierin" 2010 in Bregenz wird Weinbergs vielgestaltiges Werk auch außerhalb Russlands entdeckt und in seiner Eigenständigkeit gewürdigt. Seine Musik ist trotz ihrer Nähe zu Schostakowitsch stärker melodisch und weniger rhythmisch geprägt. Weinbergs c-Moll-Cellokonzert, das er Mstislaw Rostropowitsch widmete, scheint weit entfernt von den Auseinandersetzungen um die Formalismus-Dekrete des Jahres 1948 zu sein. Obwohl Weinberg nicht als „Formalist" verfemt wurde – er verzichtete auf „atonale Experimente" – , kam sein Cellokonzert mit großer Verzögerung erst 1957 zur Uraufführung.
Sergej Prokofiew: Sinfonie Nr. 1 D-Dur „Klassische"
Sergej Prokofiew, neben Schostakowitsch der bekannteste Repräsentant des russisch-sowjetischen Nationalstils, geriet wie dieser in ein Wechselbad von Förderung und Ablehnung. Schon im Alter von 13 Jahren begann Prokofiew 1904 sein Studium am Konservatorium von St. Petersburg und beeindruckte dort seine Lehrer Anatolij Ljadow, Nikolai Rimski-Korsakow und Nikolai Tscherepnin. Er vertiefte sich in die Tradition der europäischen Musik, bewunderte ihre Meister, ging aber auch in ironische Distanz zu ihnen. Die für ihn typische Verbindung von Ferne und Nähe, der Verfremdung des Vertrauten, wird besonders deutlich in seiner 1. Sinfonie, diesem Musterbeispiel des Neoklassizismus. Ihr Ausgangspunkt war Prokofiews Bewunderung für Joseph Haydn. Statt jedoch historische Modelle einfach zu übernehmen, verknüpfte der 25-jährige Russe sie mit musikalischen Mitteln des 20. Jahrhunderts. Die Wahl des Titels „Symphonie classique" erklärte der Komponist so: „Erstens, weil es so einfacher war; zum anderen in der Absicht, die Philister zu ärgern, und außerdem in der heimlichen Hoffnung, letzten Endes zu gewinnen, wenn die Sinfonie sich wirklich als ‚klassisch' erwiese."
(Werkkommentare: Albrecht Dümling)
Debüt im Deutschlandradio Kultur
Live aus der Philharmonie Berlin
Thomas Adès
Ouvertüre zur Oper „The Tempest"
John Foulds
„Dynamic Triptych" für Klavier und Orchester op. 88
ca. 20.55 Uhr Konzertpause, darin: Die Debütanten des Abends im Gespräch mit Marei Ahmia
Mieczyslaw Weinberg
Konzert für Violoncello und Orchester c-Moll op. 43
Sergej Prokofiew
Sinfonie Nr. 1 D-Dur op. 25 „Klassische"
Ottavia Maria Maceratini, Klavier
Valentin Radutiu, Violoncello
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Gustavo Gimeno