Debatte um "Europäische Republik"

Die EU ist kein Staat und wird es auch nicht werden

Eine Europafahne weht auf dem Reichstag in Berlin.
Eine Europafahne weht auf dem Reichstag in Berlin. © picture alliance / Wolfram Steinberg
Von Matthias Buth · 28.06.2016
Die Union ist ein Staatenbund, da ohne geschlossenes Staatsgebiet, eigenständige Staatsgewalt und demokratisch-legitimierte Verfassungsstruktur. Von "Vereinigten Staaten von Europa" könne man also gar nicht sprechen, meint der Schriftsteller Matthias Buth.
Für Voltaire gab es nur eins: die "Europäische Republik" als Gemeinschaft der Humanität. Damit schloss er an Erasmus von Rotterdam und Johann Amos Comenius an. Aufgeklärte Gläubigkeit, Wissenschaft und Menschenbildung, das war der Wunsch nach einem Europa, in dem der Geist in Freiheit herrschen sollte.
Und Ludwig Börne setzte 1836 auf die Literatur. Denn sie achte weder Schlagbäume noch Grenzsteine der Völker und würde sich über Gesetze, Verträge, Hass und Vorurteile emporheben.
Später nach zwei Weltkriegen forderte Winston Churchill "eine Art Vereinigte Staaten von Europa", man höre: "eine Art". De Gaulle strebte ein "Europa der Vaterländer" an, das unter der Vorherrschaft Frankreichs allerdings nur Deutschland und die Benelux-Staaten umfassen sollte. Im Begriff "Kerneuropa" taucht diese Idee modifiziert wieder auf.
Und heute erscheinen die Vorstellungen ähnlich diffus: Ein politischer Regionalismus drängt zu staatlichen Einheiten wie im spanischen Baskenland und Katalonien oder in Schottland.

Vereinigte Staaten versus Staatenbund Europa

Zum anderen wird im Zentral-Europa das Heil gesucht. "Vereinigte Staaten von Europa" fordern nun Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble. Sie wollen einen europäischen Staat, der föderal-demokratisch verfasst ist. Geht das rechtlich und politisch?
Polen, Ungarn und auch Groß-Britannien sehen die EU und Brüssel als Moloch, bürokratisch und übergriffig in die Souveränität der Staaten.
Nicht nur sie fühlten sich vom fast schon monarchischen Merkel-Satz "Wir schaffen das" provoziert, der – zum zweiten Mal nach der Finanzkrise - das deutsche Wir zum europäischen moralischen Imperativ auf die politische Bühne stellte. Von Athen über Budapest bis nach London warnen einige davor, dass der Kontinent mal wirtschaftlich, mal politisch von den Deutschen unterworfen werde – wie zu Zeiten der Feldzüge des Nationalsozialismus. Das ist grotesk.
Was kann der Nationalstaat für sich allein noch ausrichten, um die globalen Themen anzugehen? Sehr wenig. Solidarität erfordert Souveränität. Und diese setzen Grenzen - nach innen und außen - ebenso voraus wie demokratische Rechtsstaaten.

Souveränität durch nationale Parlamente nach GG

Unser Grundgesetz gibt zu Europa eine eindeutige Antwort. Und das sind nicht die "Vereinigten Staaten von Europa". Die USA sind eben nicht das Modell. Das Grundgesetz verpflichtet Deutschland aber, dem Frieden der Welt zu dienen.
Indes verlangt Art 23 des Grundgesetzes rechtlich nicht, die Nationalstaatlichkeit Deutschlands aufzugeben. Und Art 79 Abs. 3 - die sogenannte Ewigkeitsgarantie der Verfassung - ist eine Hürde, die auch der Deutsche Bundestag nicht überspringen kann. Die EU ist kein Staat. Und sie wird es auch nicht werden.
Die Union ist ein Staatenbund, da ohne geschlossenes Staatsgebiet, eigenständige Staatsgewalt und demokratisch-legitimierte Verfassungsstruktur. Sie wird nur durch nationale Parlamente legitimiert. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unmissverständlich deutlich gemacht.
Demnach sollten Bundesminister nicht von den "Vereinigten Staaten von Europa" sprechen. Wir brauchen vielmehr ein modernes, das heißt Welten öffnendes Verständnis der Nationalstaaten und so bei den Bürgern ein Gefühl für Solidarität und Verantwortung.
Und auch ohne die Internationalität der Dichter und Denker aller 28 Staaten geht es nicht. Börne wusste es. Voltaire auch. Die Unterscheidbarkeit der Sprachen und Künste sind dabei unser Lebenselement. Europa liegt an den Meeren. Und jede Nation ist ein Meer von Nationen. So ist die Welt.

Matthias Buth, geboren 1951 in Wuppertal, hat eine Doppelexistenz als Schriftsteller und Jurist. Zum einen ist er Justitiar bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Und zum anderen veröffentlicht er seit 1973 Gedichte, Essays und Rezensionen. Seine Lyrik wurde ins Arabische, Englische, Französische, Polnische, Rumänische und Tschechische übersetzt sowie vertont in Kammermusik- und Chorwerken. Er ist Mitglied des PEN und gehört zu den Gründern der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft (Wuppertal).

Der Jurist und Schriftsteller Matthias Buth
© Quelle: privat
Mehr zum Thema