Freitag, 29. März 2024

Archiv

US-Präsident infiziert
"Das Thema Corona ist Trumps Hauptproblem"

Mit der COVID-19-Infektion von US-Präsident Donald Trump liegt der Fokus im Wahlkampf nach Einschätzung von Josef Braml wieder auf Corona. Die Demokraten würden das zu nutzen wissen, sagte der Politologe im Dlf. Im Falle eines schweren Krankheitsverlaufs müsste Trump die Amtsgeschäfte an seinen Vize übergeben.

Josef Braml im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 02.10.2020
US-Präsident Donald Trump am 1. Oktober 2020
Eine Verschiebung der US-Wahl ist nach Einschätzung des Politologen Josef Braml äußerst unwahrscheinlich (dpa / newscom / Yuri Gripas)
US-Präsident Donald Trump hatte das Corona-Virus immer wieder verharmlost, obwohl allein in den USA inzwischen über 200.000 Tote zu beklagen sind. Auch sein Missmanagement in der Pandemie hat der Präsident stets kleingeredet und mit dem Finger auf China gezeigt. Peking sei für die Ausbreitung des Virus verantwortlich. Nun ist Donald Trump selbst positiv getestet worden, und das ausgerechnet in der heißen Phase des US-Wahlkampfs. Die Nachricht hat an den Wirtschaftsmärkten und Finanzmärkten für erhebliche Nervosität gesorgt. Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik schätzt die Lage in den USA ein.
US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania Trump laufen über eine Wiese
US-Präsident infiziert - Trump, Corona und der Wahlkampf
US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania sind nach eigenen Angaben positiv auf das Coronavirus getestet worden. Der Arzt des Präsidenten erklärte, beiden gehe es gut. Je nach Verlauf der Erkrankung könnte der US-Wahlkampf beeinträchtigt werden.
Jörg Münchenberg: Herr Braml, wie groß ist die Gefahr, dass der US-Wahlkampf jetzt zu Ende ist?
Josef Braml: Ich denke, dass er nicht zu Ende ist, und es wird auch kein Fair Play in dem Sinne geben, wenn da ein Gegenspieler mal auf dem Boden liegt. Es ist im modernen Fußball schon so, dass die andere Mannschaft dann weiterspielt, und ich traue jetzt den Demokraten nicht zu, dass sie jetzt auch mal innehalten. Im Gegenteil: Sie werden das auszunutzen wissen und werden deutlich machen, dass das Thema Corona nach wie vor aktuell ist, und das ist Trumps Hauptproblem. Er wollte ja dieses Thema vom Tisch drängen, hat da auch teilweise schon einen Bürgerkrieg im Inneren in Kauf genommen, um die Agenda anders zu setzen. Aber die wird sich jetzt wieder auf Corona festlegen. Über 200.000 Menschen sind gestorben wegen seiner Unfähigkeit, hier besser damit umzugehen, und das werden die Demokraten jetzt ausnutzen.
"Die beiden anderen TV-Duelle waren ohnehin mehr als fraglich"
Münchenberg: Aber, Herr Braml, es ist ja kaum vorstellbar - es sind eigentlich noch zwei TV-Duelle mit seinem Herausforderer Biden angesetzt -, dass diese TV-Duelle jetzt noch stattfinden können.
Braml: Das war ohnehin schon in Frage gestellt. David Axelrod hatte auf einer CNN-Schalte ohnehin Biden geraten, so was nicht mehr mit sich machen zu lassen, und man wollte Trump dann Regeln vorgeben, ihm das Mikro abschalten und dergleichen, und es war auch schon befürchtet worden, dass er da ohnehin nicht mitgespielt hätte. Die beiden anderen TV-Duelle waren ohnehin schon mehr als fraglich.
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Münchenberg: Wenn man mal schaut: Boris Johnson war an Covid-19 erkrankt. Er hat davon politisch profitieren können. Auch der brasilianische Präsident Bolsonaro hat nach seiner Erkrankung so was wie eine politische Auferstehung hinbekommen. Wie sehr könnte Donald Trump auch von seinem positiven Test politisch profitieren?
Braml: Ich würde erst mal sagen, ich bin jetzt kein Arzt, und wenn ich einer wäre, würde ich mich von Ferndiagnosen, was den Gesundheitszustand Trumps anbelangt, fernhalten.
Münchenberg: Es geht um die politische Einschätzung.
Braml: Das war ja auch in Ihrem Vorbericht die Ausgangslage. Sollte die Krankheit kurz und knackig sein, dann könnte er gestärkt daraus hervorgehen. Dann wäre sein Nimbus des Unverwundbaren weiterhin aufrechterhalten. Sollte der Verlauf ein anderer sein, dann wäre die Allmacht-Fantasie Trumps dahin, und auch seine Anhänger würden sich Fragen stellen müssen.
Ich würde eher vermuten, dass das, was er vorher belächelt hat, jetzt doch ernster genommen wird, dass viele Menschen vielleicht jetzt doch diese Krankheit ernster nehmen und auch die Gefahr, dass sie sich anstecken. Trump hat ja in Kauf genommen, dass sich sehr viele Menschen, auch mächtige Unterstützer angesteckt haben und dabei gestorben sind. Er hat sich wohl auch selber immer zu schützen versucht, und dass das nicht mal ihm gelingt, das sollte vielleicht seinen Anhängern dann auch zu denken geben.
Ich befürchte eher, dass das Biden in die Karten spielt, weil der ja bisher auch nicht aus seinem Keller rausgekommen ist und Trump jetzt auch nicht mehr die großen Rallyes, wie er meinte, angehen kann.
"In den USA ist bislang noch keine Wahl verschoben worden"
Münchenberg: Aber es gab jetzt auch schon länger Vermutungen, schon seit geraumer Zeit, dass Trump für eine Verschiebung der Wahlen plädieren könnte. Hätte er jetzt nicht einen plausiblen Grund, um zu sagen, es ist unmöglich, dass jetzt die US-Wahlen Anfang November stattfinden können?
Braml: Nein, das ist kein plausibler Grund. Da gibt es eine klare Rechtsregelung. In den USA ist bislang noch keine Wahl verschoben worden. Selbst der Bürgerkrieg hat den Wahlen nichts anhaben können. Die haben selbst im Bürgerkrieg eine Wahl durchgezogen. Das wird auch dieses Mal stattfinden. Da sind klare Regelungen. Wenn hier kein neuer Präsident gewählt wird und dann der Vize auch nicht hinzukommt, dann wäre die Führung des Abgeordnetenhauses und damit dann Madame Speaker Nancy Pelosi im Ring, und auf das wird sich Trump und wird sich auch Pence nicht einlassen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Münchenberg: Das Problem ist ja schon grundsätzlich. Mit der Glaubwürdigkeit des Weißen Hauses ist es ja nicht so weit her. Wie sehr kann man den Verlautbarungen trauen, die jetzt in Bezug auf den Präsidenten genannt werden? Zum Beispiel die Covid-Erkrankung der unmittelbaren Trump-Mitarbeiterin, durch die sich der Präsident offenbar angesteckt hat, die wurde zunächst einmal ja auch zurückgehalten. Wie glaubwürdig ist das, was aus dem Weißen Haus an Verlautbarungen kommt?
Braml: Sie meinen jetzt, dass Trump vielleicht gar nicht an Corona erkrankt ist und das nur ins Feld führt, um vielleicht Mitleidspunkte zu kriegen?
Münchenberg: Auch was den weiteren Verlauf seiner Erkrankung angeht.
Braml: Er wird jetzt auch im Krankenzustand nicht mit Wahrheit glänzen. Ich weiß jetzt nicht, was Corona im Hirn der Menschen anrichtet, aber er hatte ja bisher immer gute Belege dafür, dass er oft fünf, sechs Lügen in zwei Sätzen reinbrachte, und das wird sich auch durch Corona wahrscheinlich nicht verändern.
Blick auf die beiden Vizepräsidentschaftskandidaten richten
Münchenberg: In dem Flugzeug von Donald Trump waren auch wichtige Akteure seiner Regierung, seine Tochter Yvanka zum Beispiel, sein Stabschef, auch der Schwiegersohn, der ja in der amerikanischen Regierung eine wichtige Rolle spielt. Könnte am Ende die komplette Regierung arbeitsunfähig werden?
Braml: Ich würde mich dabei zunächst auf den Präsidenten und Oberbefehlshaber konzentrieren. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass es andere Länder auch noch gibt, die alle auch ihre Interessen haben, die diese Schwäche vielleicht ausnutzen könnten. Das heißt, es wird schon jetzt interessant werden, ob Trump, sollte der Verlauf der Krankheit doch schwerer ausfallen, den 25. Verfassungszusatz bemüht, den es seit 1967 gibt, der ihm erlauben würde, die Regierungsgeschäfte auf seinen Vize Mike Pence zu übertragen. Das könnte durchaus sein. Das hat es bereits gegeben. Reagan hat das gemacht, auch George W. Bush. Die hatten beide Eingriffe und haben dann jeweils auf ihre Vizepräsidenten, Bush Vater beziehungsweise Cheney übertragen. Das könnte passieren und dann ist schon der Vizepräsident da.
Ich würde jetzt sagen, dass das interessant ist, und dass auch interessant sein könnte, dass auch Mike Pence jetzt genauer angeschaut wird, dass er vielleicht dann auch der Präsident werden könnte. Bei Kamala Harris hatte man die Debatte ja schon, weil Biden doch ein bisschen gebrechlich wirkte, dass man die dann schon nach Präsidentschaftsholz abklopfte, und das gleiche wird man jetzt bei Mike Pence auch machen. Konzentrieren Sie sich bitte auf die nächste Vizepräsidentschaftskandidaten-Debatte, die bislang immer unter ferner liefen lief, aber dieses Mal umso interessanter werden könnte.
Aktienmärkte "leben weiterhin im Traumland"
Münchenberg: Ziehen wir zum Schluss noch mal einen Strich. Wie ist Ihre Einschätzung? Wer kann am Ende eher politisch gesehen, wenn man das Medizinische jetzt mal außen vor lässt, von der Positivtestung des Präsidenten profitieren, die Republikaner eher oder die Demokraten?
Braml: Wir können nicht einschätzen, wie lange Trump jetzt keinen Wahlkampf führen können wird. Aber was einzuschätzen ist, ist die Tatsache, dass das Thema jetzt wieder bei Covid-19, bei Corona liegt, und da hat Amerika Riesenprobleme – nicht nur über 200.000 Tote, mehr Tote, als die vergangenen Kriege zusammen genommen an Gefallenen gekostet haben, und eine Wirtschaft, die sich auch nur erholen kann, wenn Corona besiegt wird. Das ist nicht abzusehen und Ihre Berichte, was die Aktienmärkte angeht, sind doch sehr bedenklich. Die machen sich Sorgen jetzt um eine Einzelperson, haben aber bisher ausgeblendet, dass die Realwirtschaft darniederliegt, hoffen auf einen Impfstoff und vieles mehr. Die leben weiterhin im Traumland und haben jetzt wieder irgendwelche Aktionalitäten. Den Märkten kann man nicht nur unterstellen, dass sie keine Gefühle hineinlegen, sondern auch die Rationalität zu kurz greift. Ich glaube, wir haben alle, vor allem auch die Märkte, die Aktienmärkte, diese Pandemie noch nicht richtig verarbeitet und deren Auswirkungen – jetzt nicht nur auf die Politik, sondern auch auf die Weltwirtschaft. Sie wird wohl demnächst in eine noch größere Krise gestürzt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.