DDR

Kurz und kritisch

Ein kaputter taubenblauber Trabi in einem baumbestandenen Garten
Das Wrack eines Trabant steht in einem Garten in Haldensleben (Bördekreis) © dpa / Jens Wolf
09.03.2014
Warum schrieb der DDR-Kulturfunktionär Alfred Kurella einen Roman? Um sich außer Lebensgefahr zu bringen, meint der Historiker Martin Schaad. Und: Ein Bildband gaukelt dem Betrachter eine bunte, allzu heile DDR-Welt vor.
Ein Mann schreibt einen Roman. Als der fast 20 Jahre später veröffentlicht wird, dominiert der Mann längst die Kulturproduktion eines ganzen Landes. Er heißt Alfred Kurella, und seinem Namen haften üble Erinnerungen an. Ein Kulturfunktionär der frühen DDR ist er, dessen schriftstellerisches Werk sich auf "ideologisch gefärbte Kongressberichte und einschläfernde Sitzungsprotokolle" beschränkt. Und doch schreibt dieser knochentrockene Apparatschik 1936 im Moskauer Exil einen Roman, während er – glühender Kommunist seit Jugendtagen – damit rechnen muss, den stalinistischen Säuberungen zum Opfer zu fallen.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Cover: "Die fabelhaften Bekenntnisse des Genossen Alfred Kurella. Eine biografische Spurensuche" von Martin Schaad© Hamburger Edition
Ist sein Text, der Roman "Die Gronauer Akten" in Wirklichkeit nicht nur ein verkappter Brief an Georgi Dimitroff, den mächtigen Stalin-Freund, damit der Alfred Kurella rehabilitiere? Romane allerdings sind keine Briefe, sie werden nicht verlässlich zugestellt: "Der eine Leser, für den Alfred Kurella die 'Gronauer Akten' verfasst hatte", schreibt Martin Schaad, "sollte das Buch nie in Händen halten."
Alfred Kurella überlebt den Stalinterror, während sein jüngerer Bruder Heinrich auf der Strecke bleibt. Zwar kann der Historiker Martin Schaad nicht endgültig belegen, dass sich Hardliner Kurella 1936 via proletarischer Belletristik aus der Lebensgefahr herauszuschreiben versuchte, doch die These ist schlüssig. Deshalb auch lieferte dieser Mann später trotz mehrfacher Partei-Aufforderungen niemals seine Autobiografie ab. Sie hätte ihn zu nahe an die Bruchzone des eigenen Lebens geführt – dort, wo er sich vom denkenden Menschen zum Parteisoldaten verwandelte und nie mehr zurück zum Menschsein fand. Literaturwissenschaft als kriminalistische Spurensuche, spannend wie ein Thriller.

Martin Schaad: Die fabelhaften Bekenntnisse des Genossen Alfred Kurella
Hamburger Edition
182 Seiten, 22 Euro

So also war die DDR: Bunt, mit leichter Farbverschiebung auf dem ORWO-Filmmaterial. Während man im Westen mit kapitalistischen Barbiepuppen spielte, hatte man im Osten Steffis, die fast identisch aussahen. Hatte man? Ein Foto kann lügen, zumindest falsche Tatsachen vorspiegeln: "Die Teenager-Puppe Steffi ist ein begehrter Exportartikel" vermerkt die kleingedruckte Bildunterschrift zu Martin Schmids Fotografie der östlichen Barbie-Klone, die vermutlich nie in den Handel vor Ort kamen.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Cover: "Farbe für die Republik: Fotoreportagen aus dem Alltagsleben der DDR" von Martin Schmidt / Kurt Schwarzer© Quadriga Verlag
Aber wer den opulenten Bildband zweier renommierter DDR-Magazin-Fotografen "Farbe für die Republik" als objektives Zeugnis nimmt, muss schwer ostalgisch angekränkelt sein: Auftragsarbeiten, Werbung fürs System und seine schwachbrüstige Konsumgüterindustrie füllen die Fotostrecken. Nirgendwo ist ein Mangel zu entdecken, reich gefüllte Regale offerieren eine Angebotsfülle, die selten gab.
Und wie gut muss die Laune im piefigsten aller deutschsprachigen Staaten gewesen sein: Lachende Menschen allerorten! Das ist ein wenig befremdlich. Wird das Deutsche Historische Museum demnächst einen BRD-Bildband mit Fotos der Rama-Frühstücksmargarine-Familie herausbringen? Dann könnten wir endlich sagen: Ganz Nachkriegsdeutschland ist stets perfekt gewesen, Bürger schaut auf diese Fotos! Oder besser nicht.

Martin Schmid / Kurt Schwarzer: "Farbe für die Republik"
Herausgegeben vom Deutschen Historischen Museum
Quadriga Verlag
304 Seiten, 29,99 Euro