DDR-Flüchtlinge

"Warum bleiben die nicht hier?"

Ausreisewillige DDR-Bürger steigen am 29.9.1989 mit ihren Kindern über den Zaun der bundesdeutschen Botschaft in der tschechoslowakischen Hauptstadt Prag.
Ein anderes Leben statt einer anderen DDR: Flüchtlinge vor der Prager Botschaft im Herbst 1989 © picture-alliance / dpa
Moderation: Dieter Kassel und Ute Welty · 30.09.2014
"Wir wollen raus" war 1989 auch die Parole der Flüchtlinge in der Prager Botschaft. Den DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer machte sie damals vor allem wütend.
Die Ausreiseerlaubnis für die Botschaftsflüchtlinge einen Tag vor der geplanten Gründung des "Demokratischen Aufbruchs" habe ihn "angerührt und erschüttert zugleich", erinnert sich Friedrich Schorlemmer. "Wir hatten eine ziemliche Wut, also eine doppelte Wut: Warum bleiben die nicht hier und machen mit?"
Demokratischer Aufbruch statt Rückzug
Während die Botschaftsflüchtlinge in verplombten Zügen durch die DDR nach Westdeutschland fuhren, seien er und seine Mitstreiter in Berlin von Bereitschaftspolizisten in Mannschaftswagen empfangen worden, erzählt der evangelische Theologe und frühere DDR-Bürgerrechtler über die Septembertage 1989. "Wir wollten nicht resignieren, sondern demonstrieren. Wir wollten nicht weiter den Rückzug, sondern den Aufbruch, den demokratischen Aufbruch raus aus der Nische und hin auf die Straße."
Die "Braven" wollten weg
Es seien wohl eher die "Braven" gewesen, die gedacht hätten: "Nix wie weg", meint Schorlemmer. Diese Menschen hätten wohl eher ein anderes Leben gewollt, als sich dafür einzusetzen, die Verhältnisse in der DDR neu zu gestalten. Letztlich seien jedoch beide Parolen - das "Wir wollen raus!" und das "Wir bleiben hier!" - für die Erosion des Systems notwendig gewesen.
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