David gegen Goliath

Von Henryk Jarczyk · 18.09.2013
Geologen haben in Polen große Vorkommen an Schiefergas ausgemacht: Auf 100 Jahre hinaus könnte das Land damit seinen heutigen Energiebedarf decken - und Polens Abhängigkeit von russischen Lieferungen befreien. Doch die Fracking-Förderung ist umstritten, wie ein Dorf im Südosten des Landes zeigt.
Eine hitzige Debatte im Gemeindehaus von Zurawlow. Wochenlang versuchten Vertreter des Energiegiganten Chevron die örtliche Bevölkerung von den Vorzügen ihrer Arbeit zu überzeugen. Manchmal schien es, als sollte dank der Bohrungen in dem kleinen Dorf eine Goldader angezapft werden und nicht etwa Schiefergas strömen.

Da wurde Reichtum in einer Gott verlassenen Gegend im Südosten Polens versprochen. Schlagende Argumente in einer Region, in der seit Jahrzehnten Massenarbeitslosigkeit herrscht. Müsste man meinen. Doch weit gefällt. In Zurawlow werde Chevron nicht bohren, lautete das Ergebnis der Dorfsitzung. Und dabei bleibt es - bis heute.

Anfangs da waren die Bewohner von Zurawlow hellauf begeistert. Ähnlich wie in anderen Teilen des Landes in denen Geologen insgesamt knapp eine Billion Kubikmeter Schiefergas vermuten. Erst als sich herumgesprochen habe, welche Gefahren hinter der Gasförderung lauern würden, meint Katarzyna Guzek von Greenpeace Polen, da sei es den Menschen in den einzelnen Dörfern klar geworden, welche Risiken damit verbunden wären.

Guzek: "”Beispiele aus den USA zeigen, dass es sehr häufig zur Verunreinigung des Grund- und Trinkwassers kommt. Die Fördermethode ist für die Umwelt gefährlich. Deshalb sollten wir in Polen aufhören nach Schiefergas zu suchen und uns auf umweltfreundliche Lösungen konzentrieren, wie zum Beispiel erneuerbare Energiequellen.""

"Das Problem besteht nicht darin, ob es Schiefergas gibt oder nicht"
Argumente, die mittlerweile auch im Dorf Syczyn unweit der polnisch-ukrainischen Grenze diskutiert werden. Teresa und Mieczyslaw Buch wollen davon allerdings nichts wissen. Kein Wunder, hat doch der Energiekonzern PKN Orlen auf ihrem Grund den Bohrturm aufgestellt. Und das Areal für 25 Jahre gepachtet.

Was den - nicht wirklich vermögenden Bauern - ein monatliches Zusatzeinkommen von immerhin zwei ein halb Tausend Zloty garantiert. Das entspricht rund 600 Euro. Für deutsche Verhältnisse nicht unbedingt viel. Für Familie Buch hingegen durchaus eine Größenordnung, die alle Bedenken gegenüber der umstrittenen Frackingmethode schnell vergessen lässt.

Teresa Buch: "Ich weiß nicht mehr genau, was in dem Vertrag im Einzelnen steht, das sind so viele Seiten. Sicher ist nur, so viel Geld wie wir jetzt von PKN Orlen bekommen, würden wir aus dem Feld niemals herausholen."

Ob es in Polen im großen Umfang zur Gasförderung kommen wird, kann derzeit niemand vorhersagen. Allerdings nicht weil sich landesweit Protest regt. Nein mittlerweile stellt sich heraus, dass die Förderung in Polen unrentabel sein könnte. Grazyna Piotrowska-Oliwa, Vorstandsvorsitzende des staatlichen und damit größten Energieunternehmens in Polen PGNiG, rudert deshalb schon mal vorsichtig zurück:

"Das Problem besteht nicht darin, ob es Schiefergas gibt oder nicht. Wir müssen vielmehr herausfinden, ob die Kosten-Nutzen-Analyse stimmt, damit sich die Förderung auch finanziell lohnt."

Überlegungen von denen US-Konzern Chevron noch weit entfernt sein dürfte. Zumal es der Bevölkerung von Zurawlow bislang gelungen ist, den Energiegiganten am Aufstellen eines Probebohrturms im Dorf zu hindern. David habe gegen Goliath gesiegt, freuen sich die polnischen Bauern. Chevron indes schmollt und schweigt.
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