David Adjaye

Pulsierende Orte für alle schaffen

Entwurf einer Dachlandschaft der Konzeptstudie des britischen Architekten David Adjaye für den geplanten Frankfurter Kulturcampus von 2012. Der Entwurf zeigt mehrere rechteckige Gebäude in unterschiedlichen Größen, die teils komplett aus Glas sind oder statt Glas ein Grasdach haben
Entwurf einer Dachlandschaft der Konzeptstudie des britischen Architekten David Adjaye für den geplanten Frankfurter Kulturcampus von 2012 © Adjaye Associates
Von Astrid Mayerle · 28.01.2015
Radikal ist der Architekt David Adjaye in verschiedener Hinsicht. Die große Überblicksschau im Haus der Kunst München lässt vermuten, dass er sich kaum auf falsche Kompromisse einlässt.
Die großzügigen Wandfluchten im Haus der Kunst präsentieren sich als flirrende Storyboards. Handzeichnungen, Fotos von Straßenhändlern, Abbildungen afroamerikanischer Kunst und Diagramme zur Bevölkerungsstruktur bestimmter Stadtteile in London, alles unmittelbar nebeneinander. Das Projektmaterial aus dem Studio David Adjayes erzählt nicht nur die Vorgeschichte einzelner Gebäude, sondern zeigt auch, was ihn eigentlich antreibt: ein höchst demokratisches Anliegen, nämlich Orte für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen, wie etwa den Idea Store in London. Ein experimentelles Kulturzentrum mit Bibliothek, Yoga-Räumen und Cafe, flankiert von den Buden der Straßenhändler. Entstanden ist ein zu allen Tageszeiten pulsierender Magnet:
"The relationship between the street and interior and the building is very clear. There is no treshhold so that the doors opens directly onto the street. There is no inner division between the activities on the street and what goes on inside. Its two different kind of marketplaces that are joined together here and that's what really makes the idea store so architectural successful and as an urban design really terrific."
Das Verhältnis von Innen und Außen, Straße und Gebäude ist offensichtlich: Es gibt keine Barrieren, die Türen öffnen sich direkt zur Straße hin. Somit entsteht eine einfache Verbindung zweier unterschiedlicher Marktplätze und das macht den Idea Store als städtischen Raum wirklich grandios, so Okwui Enwezor, Direktor des Hauses der Kunst.
Die Schau in München trennt in ihren beiden Ausstellungsflügeln Adjayes öffentliche und private Projekte. Mit letzteren fing seine Karriere an: für verschiedene Künstler, darunter Chris Ofili, Jürgen Teller, Sue Webster und Tim Noble, baute er Privathäuser mit Studios. In einem Dokumentarfilm erzählen der Architekt und seine Auftraggeber von ihrer Zusammenarbeit, von überraschenden Momenten während der Planung, aber auch von sehr unterschiedlichen Vorstellungen, etwa beim Charakter der Fassade.
Originalton aus einem Video von Sue Webster:
"... he just said, I can´t do that, I have a duty to push this building forward. And I of course felt quite comfortable with the bare brick, because I´ve never had a building before. And so he was testing my boundries."
... Er sagte einfach: Ich kann das nicht machen, ich hab was anderes vor mit dem Gebäude. Ich selbst fand den rohen Backstein schon ziemlich gut. Aber er testete meine Grenzen, erzählt die Künstlerin Sue Webster.
Fassadenfragmente und Verandasäulen
Dieses und andere Interviews bringen die Diskussion darüber, was Architektur heute leisten kann und soll, auf sehr beiläufige Weise in die Schau. Überhaupt ist das gesamte Konzept sehr haptisch: So platzierten die Macher auch eine Pavillonarchitektur eins zu eins in das Haus der Kunst. Während viele Architekturausstellungen mit sprödem Papiermaterial darum kämpfen, Räume erlebbar zu machen, gelingt dies hier mit einer unglaublichen Leichtigkeit: Fassadenfragmente und eigens für die Schau angefertige Modelle lassen Adjayes Materialvorlieben und seine markante Lichtregie ungemein plastisch werden. Auch zwei überlebensgroße afrikanische Verandasäulen tauchen in der Schau auf und deuten an, woher der Architekt seine Ideen für das neue Museum in Washington bezieht. Adjayes Nähe zur Kunst mag Okwui Enwezor wohl auf die Idee gebracht haben, ihn für die diesjährige Biennale in Venedig zu engagieren:
"In Venice, the work I am doing with David is designing the choreography of the spaces – primaryly the Arsenale and the Central Pavillion. He is designing one specific space, with I will not describe because you need to come and see it. There will be an arena where a lot of performances and readings and talks takes place."
In Venedig wird David die Choreografie der Räume gestalten – vor allem im Arsenale, der ehemaligen Schiffswerft, und im Zentralen Pavillon. Dort wird es eine Arena geben, in der Performances, Lesungen und Gespräche stattfinden. Mehr verrate ich jetzt nicht, das muss man einfach sehen.
... und das will man auch unbedingt sehen nach dieser überwältigenden Schau im Haus der Kunst. Die Ausstellung ist in München am richtigen Ort. Denn Stadt und Freistaat haben in den vergangen Jahren als Bauträger verschiedener Museen vor allem die Portfolios so genannter Stararchitekten durchgeblättert und sie bei Auftrag unter lokale Bedingungen geknebelt. Heraus kamen unzeitgemäßes Renommiergefuchtel, Betonblendwerk mit kurzer Halbwertszeit und tote Winkel im öffentlichen Raum.
All das wäre mit einem David Adjaye kaum passiert. Gerade jetzt, wo München über große Architekturprojekte wie einen neuen Konzertsaal diskutiert – eine wichtige Schau für die Stadt.
Informationen des Hauses der Kunst in München zur Ausstellung "David Adjaye: Form, Gewicht, Material" vom 30.1. bis 31.5.2015
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