Dave Eggers: "Eure Väter, wo sind sie?"

Die Suche nach Antworten

Kalifornien, Salton Sea, fotografiert am 31.10.2011
Der neue Eggers-Roman spielt in der kalifornischen Wüste. © picture alliance / dpa / Jim Lo Scalzo
Von Philipp Albers · 02.04.2015
Der Autor Dave Eggers gilt als großer Zeitdiagnostiker, der in seinen Romanen die Probleme der Gegenwart verhandelt. Jetzt erscheint mit "Eure Väter, wo sind sie?" innerhalb von zwei Jahren sein dritter Roman: es geht wieder um die ganz großen Fragen.
Dave Eggers ist der Mann fürs Große. Seine Romane haben den Anspruch, die Gegenwart und was in ihr alles falsch läuft, auf den Punkt zu bringen. Sein vor zwei Jahren erschienener Roman "Ein Hologramm für den König" thematisierte den Niedergang Amerikas in der globalisierten Welt und die verheerenden Auswirkungen des Kapitalismus. Der letztes Jahr veröffentlichte Bestseller "Der Circle" führte vor, wie die Verführungen der datenhungrigen Silicon-Valley-Konzerne den Weg in eine totalitäre Transparenz-Gesellschaft ebnen.
Schuld und Verantwortung
Nun erscheint der neueste Roman des umtriebigen Vielschreibers und Zeitdiagnostikers. Sein Anspruch ist nicht geringer geworden. Unter dem einer Bibelstelle entliehenen Titel "Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?" geht es irgendwie um alles: um das Ende der amerikanischen Ambitionen im Weltraum, um den Vietnamkrieg, um Kindesmissbrauch, um Rassismus und Polizeigewalt, um den Verlust des amerikanischen Zukunftsoptimismus. Und nicht zuletzt geht es um die ganz großen Fragen von Schuld und Verantwortung und die Suche nach Orientierung und dem Sinn des Lebens in einer saturierten, westlichen Welt, in der das größte Problem von Männern über dreißig ist, das ihnen nie im Leben etwas passiert ist.
Das Setting für die Verhandlung dieser Themen ist so abstrus wie rasch erzählt: wir befinden uns in einem verlassenen Militärstützpunkt an der kalifornischen Küste. Thomas, ein verwirrter, von den Zumutungen des Lebens, seinen idealistischen Träumen und hochtrabenden moralischen Maßstäben überforderter Mittdreißiger, weiß sich in seiner verzweifelten Suche nach Antworten nicht anders zu helfen, als andere Menschen zu entführen, sie anzuketten und in einer Verhörsituation ehrliche Antworten von ihnen einzufordern. Erst kidnappt er einen Astronauten, dessen hochfliegende Pläne mit der Einstellung des Shuttle-Programms zum Erliegen kommen. Später kommen ein Kongressabgeordneter, ein ehemaliger Lehrer von Thomas, seine Mutter, ein Polizist und eine Krankenhausangestellte hinzu.
Ein Kammerspiel ohne Handlung
Das Ganze ist als reines Dialogstück angelegt, als Kammerspiel ohne Handlung oder Entwicklung der Charaktere. Die Gespräche oszillieren zwischen Verhör, Therapiesitzung und philosophischer Seminardiskussion. Trotz der politisch-moralischen Dringlichkeit, die teils in ihnen steckt – etwa wenn es um die Frage geht, warum Thomas' verstörter, nur mit einem Küchenmesser bewaffneter Jugendfreund Don in seinem eigenen Garten von einem Spezialkommando der Polizei erschossen wurde - vermögen sie nicht zu fesseln.
Dass Eggers seiner literarischen Versuchsanordnung eine Überfülle an Themen aufbürdet, tut dem Roman nicht gut, um nicht zu sagen, er bricht unter ihr zusammen. Der Witz, den dieser Autor auch kann, blitzt nur gelegentlich auf. Auch das Mitgefühl, das er sonst seinen Protagonisten angedeihen lässt, vermag sich beim Lesen nicht recht einzustellen. Dazu ist Thomas' Charakter eine zu krude Mischung aus kindlich-naiver Begeisterung und hohem moralischen Ton, aus Wahnsinn und Melancholie. Diesmal bleibt Dave Eggers der Mann fürs Grobe.
Dave Eggers: "Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?"
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015
224 Seiten, 18,99 Euro
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