Datenverarbeitung

Die Heimat der guten Hacker

Von Stephanie Kowalewski · 20.11.2013
Der Unternehmer Horst Götz hat in Bochum ein einzigartiges Institut gegründet. Dort werden Computerhacker ausgebildet, die digitale Systeme sicher machen - vom heimischen PC bis zur Steuerung eines Atomkraftwerks.
"Es gibt ein Praktikum während des Bachelors, wo man auch wirklich hackt, also spielt man dann quasi den Bösen."
Kathrin Weiden, 23 Jahre alt, hat den Bachelor in der Tasche und studiert jetzt im 2. Mastersemester IT-Sicherheit in Bochum.
"Angriffe auf Systeme sind meistens einfacher. Weil der Angreifer muss nur einen Weg finden, um die Schutzmechanismen zu überwinden, und dann hat er sein Ziel erreicht. Verteidigung ist deutlich schwieriger."
Thorsten Holz, 31 Jahre alt, Informatikprofessor und Leiter des Lehrstuhls für Systemsicherheit am Horst Görtz Institut.
"Bei uns gehts halt darum, dass wir alle Lücken kennen, und die dann stopfen. Das macht das Ganze so interessant, dieses breite Spektrum an Wissen."
Jazic Genevic, 22 Jahre, Bachelor-Student der IT-Sicherheit im 2. Semster.
Aber fangen wir vorne an.
Los ging es mit diesem einzigartigen Institut zur IT-Sicherheit 2001 und drei Stiftungsprofessuren in Elektrotechnik, Informationstechnik und Mathematik, erinnert sich Christof Paar. Der 48jährige ist einer der Gründungsprofessoren des HGI und Leiter des Lehrstuhls für eingebettete Sicherheit.
Und die mussten jetzt das Institut aufbauen, die Studiengänge mit Leben füllen, das heißt Studienordnungen schreiben, Lehrpläne entwickeln und so weiter. Und natürlich Forschungsprogramme etablieren.
Die ersten Studenten, die kamen direkt im ersten Jahr. Also 2001 hatten wir direkt die ersten 30 Versuchskaninchen sozusagen. Sehr, sehr engagierte Studenten. Das hat wirklich ganz tollen Spaß gemacht.
Das HGI wuchs schnell.
"Ich denke, besser und erfolgreicher, als man es damals erwartet hat."
Schließlich entwickelte sich das HGI bis heute zu einem der führenden und größten Institute für IT-Sicherheit in Europa.
"Weil das eben so ein riesiges Zukunftsthema ist, das jetzt - muss man wirklich sagen - fast explodiert ist in den letzten 12 Jahren."
Inzwischen gehören mehr als 80 Wissenschaftler zum Team – darunter Informatiker Wirtschaftswissenschaftler und Juristen. Sie beschäftigen sich in 15 Arbeitsgruppen mit so ziemlich jedem Thema rund um die Sicherheit in der Informationstechnologie – und zwar wirklich interdisziplinär – betont HGI Sprecherin Britta Scherer:
"Sonst ist es immer so, jeder Lehrstuhl ist für sich allein, aber wir sind alle zusammen ein großes gemeinsames Team und arbeiten auch zusammen."
Dazu gehöre durchaus auch mal eine ausgewachsene Schneeballschlacht im Winter und das gemeinsame Grillen im Sommer. Ein Erklärungsversuch:
"Also es muss wirklich daran liegen, dass das Team sehr jung ist und auch wirklich Spaß daran hat, neue Wege zu gehen und letztendlich ist IT sowieso über all drin."
Gut möglich also, dass demnächst auch Professoren der Psychologie Vorlesungen über das Wesen des Hackers halten werden, meint die 27-jährige.
Noch immer bietet das HGI bundesweit den einzigen Studiengang zur IT-Sicherheit bereits ab dem ersten Semster an. Normalerweise ist das erst beim Master ein Thema und auch dann beschränkt es sich meist auf einige Vorlesungen. In Bochum sind die Studieninhalte hingegen breit gefächert: am HGI wird eben nicht nur diskrete Mathematik und Programmieren gebüffelt, hier geht es auch um die Hardware und natürlich auch um Kryptographie – also die Verschlüsselung von Daten und wie man sie knacken kann. Eine äußerst reizvolle Kombination findet Masterstudentin Kathrin Weiden.
"Wenn man ein sicheres System schaffen will, dann kommts eben nicht nur darauf an, dass es funktioniert, sondern auch wie es funktioniert, wie es implementiert ist, wo es eingesetzt wird und so etwas alles. Und deswegen muss man es halt von allen Seiten betrachten und es im Gesamten sehen. Und das ist das Spannende. "

Phänomen  Hacker: Es gibt die Attackierer, aber auch die, die das System von Unternehmen und Privatnutzern schützen.
Phänomen Hacker: Es gibt die Attackierer, aber auch die, die das System von Unternehmen und Privatnutzern schützen.© picture alliance / dpa - Jana Pape
So werden am Horst Görtz Insitut quasi die akademischen Hacker ausgebildet, die sich im Rahmen von Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten in vermeintlich sichere Systeme einschleichen, sagt Christof Paar.
"Wir sind die guten Hacker. Unser normaler Ansatz ist, wenn wir eine Schwachstelle gefunden haben, wird der Hersteller informiert, wird gesagt, hier sind die Schwachstellen. Die meisten reagieren recht positiv darauf und setzten sich typischerweise mit uns zusammen, die werden repariert und danach gehen wir damit an die Öffentlichkeit, also nachdem die Produkte repariert worden sind."
Das ist hilfreich und kostenlos für die Unternehmen und eine gute Werbung für das Institut. Seit Bestehen des HGI haben die Bochumer Forscher zusammen mit Studiernden zahlreiche Sicherheitslücken in sozialen Netzwerken wie facebook oder Xing ebenso aufgedeckt wie Schwachstellen in der Amazon-Cloud und bei Windows. Und die Arbeit wird nicht weniger. Im Gegenteil, sagt Informatikprofessor Thorsten Holz.
"Aktuell haben wir mehrere Projekte im Bereich Sicherheit von Smartphones, weil das eben so eine Bereich ist, wo wir relativ viele neue Angriffe sehen. Wir forschen an Methoden, wie man Angriffe auf solche Geräte verhindert und entsprechend Smartphones in Zukunft sicherer macht. "
Diese Mischung aus exelenter Forschung, Praxisnähe und direkten Kontakten zu mehr als hundert Kooperationspartnern und weltweit agierenden Firmen und Behörden wie dem Bundeskrimanlamt sorgen für eine stetig wachsende Nachfrage bei Studierenden.
"Wir haben im Moment pro Semester 150 Bachelorstudis, die bei uns beginnen. Und das ist für uns dann auch in etwa so das Kapazitätslimit, weil wir gerade im Bachelor auch Praktika anbieten oder Seminare anbieten, wo wir die Leute individuell betreuen. Und da haben wir dann ein bisschen das Problem, dass wir eben nicht viel mehr Leute entsprechend gut betreuen können. Und deshalb haben wir jetzt auch den NC eingeführt."
Der liegt derzeit aber noch bei recht harmlosen 3,0. Aktuell sind rund 600 meist männliche Studierende eingeschrieben, von denen 50 pro Jahr ihren Abschluss machen. Jobsorgen sind den Absolventen des HGI übrigens fremd, sagt Christof Paar.
"Wir haben zwei Arten von Absolventen. Nämlich die ein, die eine Bewerbung schreibt und die andere Art, die keine Bewerbung schreibt. Also die Leute werden uns wirklich aus den Händen gerissen. Im Moment ist also die Marktnachfrage deutlich höher als das, was akademisch ausgebildet wird in Deutschland."
Immer wiederkehrende Nachrichten über Sicherheitslücken in digitalen Systemen geben ihm recht.
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