Datenschutz

Exakte Profile im Netz

Moderation: Hanns Ostermann · 28.12.2013
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Konstantin von Notz, hat das Verbot bestimmter Geschäftsmodelle zur Selbstvermessung von Gesundheitsdaten im Internet gefordert. Denn damit ließen sich sehr exakte Profile über den körperlichen und psychischen Zustand einer Person erstellen.
Hanns Ostermann: Chancen und Risiken der Selbstoptimierung sind unser Themenschwerpunkt im Deutschlandradio Kultur noch bis zum 4. Januar. Immer mehr Menschen stellen ihre ganz persönlichen Daten ins Netz, es macht ihnen Spaß, den Blutdruck zu messen und dann zu veröffentlichen, oder viele andere Werte. Nur – wie sicher sind diese Daten? Wer garantiert, dass sie nicht an Dritte weitergegeben werden? Darüber möchte ich mit Konstantin von Notz sprechen, er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen im Bundestag, der Daten- und Verbraucherschutz gehören zu seinen Arbeitsschwerpunkten. Guten Morgen, Herr Notz!
Konstantin von Notz: Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Warum habe ich Ihren Blutdruck oder Ihren Kalorienverbrauch nicht im Netz gefunden, obwohl ich mich redlich bemüht habe?
Notz: Dann bin ich ja beruhigt. Das Problem ist, dass Sie mit diesen Daten sehr exakte Profile über den körperlichen, aber auch über den psychischen Zustand einer Person erstellen können, und es gibt diverse Personen und Institutionen, die ein massives Interesse an solchen Daten haben: Krankenkassen, die Pharmaindustrie, Versicherungen, Arbeitgeber, Vermieter, Banken – alle wollen gerne wissen, wie wahrscheinlich es ist, dass ich krank werde oder eben nicht krank werde. Und man sollte ein Interesse daran haben, diese Daten zu schützen.
Ostermann: Viele nutzen trotzdem die entsprechenden Netzwerke und tauschen sich über ihre Gesundheitsdaten aus. Wer kontrolliert eigentlich, dass diese Daten nicht an Dritte weitergegeben werden?
Konstantin von Notz, Fraktionsvize der Bündnisgrünen im Bundestag, der Daten- und Verbraucherschutz gehören zu seinen Arbeitsschwerpunkten
Konstantin von Notz, Fraktionsvize der Bündnisgrünen im Bundestag, der Daten- und Verbraucherschutz gehören zu seinen Arbeitsschwerpunkten© picture alliance / dpa / Bodo Marks
Notz: Ja, das ist teilweise sehr schwierig, überhaupt für den Laien nach außen zu erkennen, weil die allgemeinen Geschäftsbedingungen, die man zum Beispiel mit einer App eingeht, schwer zu verstehen und ganz schwierig zu überprüfen sind. Und man muss sich wirklich vorstellen, dass diese Daten, die man eingibt, in Verbindung mit dem eigenen Namen einen ganz enormen Wert darstellen, und die Leute sind unterwegs, um Geld zu verdienen, auch mit Apps und ähnlichen Angeboten, und deswegen ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Daten weitergegeben werden oder andere darauf Zugriff bekommen, relativ hoch.
Ostermann: Und wo ist die Kontrolle?
Notz: Ja, die Kontrolle wäre natürlich erst mal ein Problembewusstsein bei den Betroffenen, dass das sozusagen nicht nur irgendwie lustig und interessant ist, wenn man seinen Blutdruck oder irgendwie noch ganz andere Daten von sich regelmäßig ins Netz stellt. Aber es gibt natürlich auch eine staatliche Pflicht, da ein Problembewusstsein zu haben und die Menschen auch vor solchen Geschäften zu schützen. Leider ist die Politik, was den Datenschutz angeht, seit Jahren hinterher, und das liegt auch daran, dass ein Problembewusstsein bei vielen Politikerinnen und Politikern fehlt.
Ostermann: Sie saßen selbst drei Jahre lang in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Was ist aus den rund 400 Handlungsempfehlungen, die Sie gemacht haben, was ist aus denen eigentlich geworden?
Notz: Na, bisher sehr wenig. Nun kann man, wenn man gutmütig ist, sagen, dass die letzte Legislaturperiode eine Zeit der Erkenntnis war. Wir haben da tatsächlich sehr gut gearbeitet, auch fraktionsübergreifend gut gearbeitet. Und nun müsste fleißig umgesetzt werden, was man da zum großen Teil fraktionsübergreifend nun als Handlungsempfehlung beschlossen hat. Bisher lässt sich das sehr zaghaft an. Wenn man in den Koalitionsvertrag guckt, sieht man sehr wenig. Also insofern – es gibt da einen ganz starken Nachholbedarf.
Und wie gesagt, es ist diese Problematik: Der technische Fortschritt und die Rechenleistung, die Sie heute haben, ermöglichen eben eine Gesamterfassbarkeit und Auswertung unseres Lebens in einer Form, wie sie nie vorstellbar war. Und deswegen muss die Politik jetzt eben sozusagen Schranken schaffen, um den Datenschutz herzustellen, denn wenn sie ihn in der digitalen Welt verlieren, den Datenschutz, dann verlieren sie ihn im gesamten Leben, dann ist die Privatsphäre von vorgestern.
Ostermann: Herr Notz, ich habe schon gesagt: Etwa 400 Handlungsempfehlungen waren es. Um nur ein konkretes Beispiel zu nennen: Was steht da für Sie ganz oben auf der Tagesordnung, was müsste umgesetzt werden?
Jetzt handeln, nicht erst in vier Jahren
Notz: Na, es sind zahlreiche Dinge, die angegangen werden müssen. Der Datenschutz ist das Grundrecht fürs digitale Zeitalter. Er muss angepasst werden auf die Digitalisierung, denn er kommt aus einer Zeit, wo Computer so groß waren wie Hochhäuser. Man muss die Datenschutzbeauftragten stärken, aber man muss eben auch bestimmte Geschäftsmodelle verbieten.
Argumentiert wird ja bei der Selbstvermessung immer mit der Freiwilligkeit. Es wird gesagt, ja, die Leute machen das ja freiwillig. Tatsächlich ist es aber so, dass natürlich, wenn Versicherungen erst mal auf den Trichter kommen, dass Leute das freiwillig machen, dann kriegen eben diejenigen, die dokumentieren, was sie tun, trinken, essen, rauchen, eben gute Tarife, und die anderen nicht – heißt, wenn Sie nicht dokumentieren, dass Sie nicht rauchen, dann rauchen Sie eben für die Versicherung, und dann bezahlen Sie einen dementsprechend höheren Tarif.
Und gegen diese Geschäftspraktiken, die sich dort jetzt sehr konkret anbahnen und die unmittelbar vor der Tür stehen, muss jetzt gehandelt werden und eben nicht erst in vier Jahren oder fünf Jahren. Es ist eben kein Science-Fiction, worüber wir hier reden, sondern es sind ganz reale Fakten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.
Ostermann: Eine Forderung bestand damals auch darin, einen ständigen Bundestagsausschuss einzurichten, der sich mit der digitalen Gesellschaft und ihren Folgen beschäftigt. Warum ist das Thema nur einen Unterausschuss wert?
Notz: Ja, wir müssen jetzt mal gucken: Die Koalition hat ja vertagt, die Entscheidung, diesen Ausschuss einzurichten. Wir haben jetzt kurz vor Weihnachten 22 Ausschüsse eingesetzt, den 23. Internetausschuss aber nicht, weil sich die Koalition nicht darauf einigen konnte, wofür der tatsächlich zuständig sein soll und ob er überhaupt für ein Thema, sagen wir mal, den Datenschutz oder den Breitbandausbau oder es gibt ganz viele Themen, wofür er überhaupt federführend zuständig sein darf. Deswegen finden wir, es lässt sich schon nicht sehr gut an mit dieser großen Koalition im Bereich Internet und Datenschutz, denn man hat sich hier eben nicht verständigt im Koalitionsvertrag, sondern man führt jetzt so ein Rückzugsgefecht, und wir sind sehr skeptisch, dass da jetzt was Vernünftiges bei rauskommt, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ostermann: Konstantin von Notz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Bundestag. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Notz: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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