"Das wird ein schwieriger Prozess werden"

Georg Erdmann im Gespräch mit Ute Welty · 28.04.2011
Der Präsident der Gesellschaft für Energiewissenschaft und Energiepolitik, Georg Erdmann, könnte sich vorstellen, die Endlagerung deutschen Atommülls in atomar verseuchten Gebieten, wie zum Beispiel in Fukushima, vorzunehmen.
Ute Welty: Wie auch immer sich die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomkraft vorstellt, so ganz ohne Endlager wird es nicht gehen. Und das weiß auch der Bundesumweltminister.

Norbert Röttgen: Wir brauchen diesen Endlager-Standort, wir betreiben nämlich seit Jahrzehnten Kernkraftwerke. Und daraus erwächst die Verantwortung und Pflicht, das zu suchen, und wer das negiert, der ist feige und verantwortungslos, und das ändern wir …

Ute Welty: Aktuell fügt Norbert Röttgen hinzu, er würde es sehr begrüßen, wenn die Frage der Zwischen- und Endlagerung Teil eines nationalen Energiekonsenses in Deutschland würde. Dies solle nun in Gesprächen mit den Ländern thematisiert werden. Ein paar Vorschläge zum Thema, die hat wohl auch Georg Erdmann, Professor für Ökonomie in Berlin und Präsident der Gesellschaft für Energiewirtschaft und Energiepolitik, guten Morgen!

Georg Erdmann: Guten Morgen!

Ute Welty: Wird das gelingen, was Minister Röttgen sich wünscht, dass es tatsächlich eine Antwort geben wird auf die Frage: Wohin mit dem Atommüll?

Georg Erdmann: Das wird natürlich ein schwieriger Prozess werden. Da sind natürlich eine ganze Menge Interessen, und da gibt es das sogenannte Nimby-Problem – not in my backyard –, und sobald irgendwo ganz konkret ein Endlager ausgeguckt werden soll, dann wird sich natürlich sofort schnell eine Bürgerbewegung dagegen manifestieren und entwickeln.

Ute Welty: Und das wird überall so sein, egal wo man sucht?

Georg Erdmann: Na ja, das wird vielleicht an der einen oder anderen Stelle mehr oder weniger stark sein. Was typisch ist: Dort wo man den Bürgern Geld verspricht, dass sie das akzeptieren, und wo die Bürger arm sind, da wird der Widerstand vielleicht leichter zu überwinden sein als da, wo reiche Bevölkerungsgruppen in Deutschland leben. Deswegen glaube ich nicht so ganz, dass Baden-Württemberg am Schluss der Standort sein wird.

Ute Welty: Aber in Niedersachsen freut man sich, wenn in Baden-Württemberg signalisiert wird, dass man dort auch nach einem Standort suchen will.

Georg Erdmann: Ja, das ist logisch. Es ist auf jeden Fall klar, dass es eine lange Diskussion geben wird, und es ist auch klar, dass das jetzt nicht ganz unmittelbar, morgen beantwortet werden muss, weil die Endlagerungsfrage, die hat den schönen Vorteil, dass man vorher erst mal das an der Oberfläche lagern muss – die Kernabfälle –, und sich dann im Laufe der Jahrzehnte, sage ich jetzt mal, auch Gedanken machen kann, was man dann tatsächlich mit den Abfällen machen wird. Natürlich muss man auch in der Zwischenzeit die Lager sorgfältig überwachen und betreuen, aber es ist so, dass das im Prinzip nicht etwas Ausgeschlossenes ist.

Ute Welty: Aber man sucht doch schon Jahrelang, jahrelang wird Gorleben erkundet, bisher ohne greifbares Ergebnis. Gibt es denn Umstände, die das beschleunigen könnten, dieses Verfahren?

Georg Erdmann: Nein, man erkundet eben nicht, man hat ja die Erkundung in Gorleben eingestellt, weil es eben …

Ute Welty: Aber vorher hat man doch schon erkundet!

Georg Erdmann: Ja, und da gibt es natürlich die Frage, ob die Überlegungen alle so richtig waren, die dazu geführt haben, dass man dieses als einzigen Standort ausgeguckt hat. Und das wäre jetzt natürlich anders, wenn man dann am Schluss eines Erkundungsprozesses herausfindet, das ist eigentlich aus, ja, geophysikalischen Gründen, der beste Standort, dann hätte man wenigstens ein Argument, zu sagen: Hier und nicht woanders!

Ute Welty: Welches Verfahren würden Sie denn vorschlagen?

Georg Erdmann: Eine Diskussion, eine offene Diskussion ist natürlich im Grunde immer der richtige Weg. Die Kernenergie hat ja generell so ein bisschen – oder leidet darunter, wenn man da so Vertuschung betreibt. Das sieht man jetzt auch in Japan, dass die Akzeptanz der Kernenergie auch deswegen gelitten hat, weil eben man den Betreibern nicht so richtig geglaubt hat, dass die das, was sie da in der Öffentlichkeit kommunizieren, der Wahrheit entspricht. Und in Deutschland haben wir solche Probleme auch gesehen.

Ute Welty: Das heißt aber doch im Umkehrschluss, dass wir in Sachen Atomkraft – also nicht nur wir Deutschen, sondern auch wir Japaner, sozusagen – immer in einem sehr kleinen Karo denken.

Georg Erdmann: Ja, das ist immer so ein bisschen die Frage, wie denkt die Politik? Ist sie bereit, offen mit den Bürgern zu kommunizieren? Und wenn die Politik Angst hat, das zu tun, ja, dann wird man eben versuchen, zu verschleiern, zu vertuschen, gewisse Sachen nicht auf den Tisch zu legen, und wenn man das nicht tut – deswegen wird ja heute zum Beispiel über jeden kleinen Kernunfall berichtet, auch wenn es, sagen wir mal, nur kleine Lappalien sind, und deswegen gibt es auch eine öffentliche Statistik dazu, was alles in so einem Kernkraftwerk passiert ist, und die Idee dahinter war, eigentlich zu sagen: Ja, wenn wir ganz offen mit dem Problem umgehen, dann erzeugen wir dadurch auch ein Vertrauen, dass dieses Management von solchen kerntechnischen Anlagen, Speichern und so weiter, in der Lage ist, das Ganze zu beherrschen, auch wenn mal ein größerer Unfall da ist oder ein größerer Störfall.

Ute Welty: Was würden Sie denn gerne offen diskutiert sehen?

Georg Erdmann: Jetzt zum Beispiel – nicht im Zusammenhang mit der Endlagerung – zum Beispiel mal der Frage, was für Lehren ziehen wir eigentlich aus den Ereignissen in Japan für unsere eigene Sicherheit? Denn es gibt ja Kernkraftwerke, die eine ähnliche Bauart haben: Sind die sicher? Sind die sicher, wenn wir sie abgestellt haben? Warum sind in Japan gewisse Szenarien passiert, die jetzt nichts mit der Tsunami-Welle zu tun haben, sondern mit der Tatsache, dass dort gewisse Sicherheitseinrichtungen entweder nicht funktioniert haben oder nicht vorhanden waren? Wie sieht das bei uns aus? Wie sieht das bei uns mit dem, ich sage mal, Zivilschutz aus, wenn eben doch mal ein größerer Störfall ist? Haben wir dann, ich sage mal, eine Feuerwehr im Land, die in der Lage ist, ein nuklear verseuchtes Gebiet zu betreten? Und so weiter, und so fort. Wie würden denn bei uns die Sicherheitsorgane reagieren können, und können die das glaubhaft kommunizieren, dass sie dafür vorbereitet sind? Und wenn das der Fall wäre, dann würde sofort auch das Gefühl sein, ah, doch, bei uns gibt es welche, die sich mit den schlimmsten Fällen auch auseinandersetzen können.

Ute Welty: Wenn Sie schon Fukushima erwähnen, dort ist ja das Kind in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen, der Ort wird auf sehr lange Zeit sehr stark belastet sein – wäre das eine Idee, den Müll direkt dorthin zu bringen?

Georg Erdmann: Das ist natürlich eine gute Idee, es gibt ja nicht nur in Fukushima Gegenden, die radioaktiv verseucht sind, sondern es gibt natürlich auch in Russland solche Gebiete, und ich habe ja schon früher mal gelegentlich mich entsprechend geäußert, dass man sich natürlich im Rahmen der internationalen Atomenergiebehörde Verfahren ausdenken könnte, um jetzt zum Beispiel ein internationales Endlager zu definieren, wo dann diejenigen, die das Endlager nutzen, auch gleichzeitig Aufwand betreiben, um die dortigen Belastungen an der Oberfläche zu beseitigen. Natürlich braucht das ein internationales Abkommen, natürlich braucht das auch internationale Glaubwürdigkeit, dass der Transport von dem Atommüll dahin nicht unterwegs verloren gehen kann, das ist alles kompliziert.

Ute Welty: Ich sage mal es gibt kleinere Probleme, auf die die Staatengemeinschaft sich nicht hat einigen können.

Georg Erdmann: … nicht hat einigen können, richtig. Und deswegen – und da ist genau das Problem, ob man da nicht einen Deal hinbekommt. Und wenn das der Fall wäre, und wenn das glaubwürdig ist, und wenn das der Bevölkerung auch vermittelbar ist, dass da eben die Schiffe nicht unterwegs den Atommüll ins Meer verklappen, und sobald die Glaubwürdigkeit des Managements da ist, ist auch eine gewisse Glaubwürdigkeit dafür, dass das im Griff ist. Wenn ich meinem Arzt glaube, dass er mich in einer schweren Krankheit heilen kann, dann geht es mir besser, und ich akzeptiere andere Dinge, als wenn ich das Gefühl habe, das ist ein Halsabschneider, der denkt nur an sein eigenes Portmonee.

Ute Welty: Professor Georg Erdmann, Präsident der Gesellschaft für Energiewirtschaft und Energiepolitik. Ich danke für Ihre Einschätzung, und einen guten Tag noch!

Georg Erdmann: Dankeschön, ebenfalls!