"Das Schwein von Gaza"

Von Jörg Taszman · 29.07.2012
In dem Film "Das Schwein von Gaza" macht ein palästinensischer Fischer einen ungewöhnlichen Fang: Er findet ein Schwein in seinem Netz - das er aus religiösen Gründen nicht einmal anfassen darf. Eine originelle Geschichte des französischen Filmemachers Sylvain Estébal.
Jafaar ist Fischer und als solcher kann man in Gaza als Palästinenser kaum überleben. Die Israelis erlauben es nicht, mit dem Fischkutter weit herauszufahren, und so "angelt" Jafaar nicht nur viel zu kleine und unverkäufliche Sardinen, sondern fischt auch schon mal Badelatschen und anderen Unrat aus dem Meer. Eines Tages entdeckt er zu seinem Schrecken ein Schwein in seinem Netz. Nun verbietet ihm seine Religion, das unreine Tier auch nur anzufassen. Also versucht sich Jafaar dann doch lieber als Geschäftsmann. Aber auch der Verkauf an einen Deutschen scheitert. Ulrich Tukur spielt diesen Beamten herrlich cholerisch. Für den französischen Regisseur Sylvain Estebal verkörpert Ulrich Tukur hier noch viel mehr:

"Die Rolle für Ulrich Tukur stand genauso im Drehbuch. Es sollte nur die Absurdität Europas symbolisieren, die Unmöglichkeit, diesen Konflikt aus Europa heraus zu lösen. Die Idee war, wenn es nicht einmal einem Deutschen gelingt, da durchzublicken, dann ist eine Lösung des Problems unmöglich. Und es ist schon amüsant, dass Jafaar der Tropfen ist, der das Fass beim deutschen Funktionär zum Überlaufen bringt, der die Kriege in Somalia und andere schreckliche Konfliktherde der Welt kennt. Diesmal flippt er aus."

Vor dem Hintergrund des unendlichen palästinensisch-israelischen Konflikts setzt der Franzose zunächst auf Humor. In seiner absurden Komödie mit sympathisch surrealistischen Zügen teilt er kräftig nach beiden Seiten aus. Da sind die Hardliner: sture israelische Soldaten und verblendete arabische Judenhasser, die Jafaar als Selbstmordattentäter rekrutieren wollen, weil der ja mit dem Halten eines Schweins auch schwer gesündigt hat. Solch einen Film in der Region zu drehen, erwies sich als schwierig.

"Ich wollte ursprünglich in Gaza drehen, weil der Film ebenso realistisch wie verträumt sein sollte. Wir haben es versucht, aber es war schlicht unmöglich. Allein fünf Schweine einzuführen, das ging schon mal gar nicht. Wir hätten uns solchen Problemen ausgesetzt, dass der Film am Ende gar nicht zustande gekommen wäre. Dann schlug man mir Malta vor. Ich war zunächst zögerlich, aber als ich ankam, bemerkte ich dort das gleiche Licht und wir fanden Drehorte, die durchaus funktionieren konnten."

Zu Recht erhielt der Film in Frankreich den César für das beste Regiedebüt und konnte auch in den französischen Kinos 200.000 Zuschauer erfreuen. Regisseur Sylvain Estebal lebte die letzten fünf Jahre hauptsächlich in Uruguay und ist Fotograf bei der AFP. Seine Arbeit führte ihn auch nach Hebron, wo er ein Jahr lang Israelis und Palästinenser bat, sich im Alltag zu fotografieren. Danach zeigten sich die offiziell miteinander verfeindeten Teilnehmer ihre Fotos. Das war ein Ausgangspunkt des Films, aber Sylvain Estébal wollte auch gerne einmal etwas Neues ausprobieren:

"Ich kritisiere nicht den Journalismus, den ich für einen edlen Beruf halte. Und wenn er gut gemacht wird, ist es großartig. Aber der Journalismus stößt auch an seine Grenzen. Man ist den Zwängen der Realität ausgesetzt. In einer Fiktion kann man auch ganz andere Wege einschlagen, sagen, was man denkt und dabei zu ganz anderen künstlerischen Mitteln greifen. Das gibt einem eine zusätzliche Freiheit."

In den arabischen Ländern und in Israel wurde das Werk bisher nicht gezeigt. Israelis und Palästinensern mag die Friedensbotschaft am Ende ein wenig zu idyllisch erscheinen. Genau das ärgert Myriam Tekaia, die im Film eine russische Jüdin spielt, die mit Jafaar ins Geschäft kommt, weil sie heimlich Schweine hält. Myriam Tekaia ist Tunesierin, wuchs aber vor allem in Italien und Kanada auf und besuchte französische Schulen. Die Muslimin, die im Film die Jüdin spielt, verteidigt die Botschaft des Films:

"Es gibt Leute die sagen, das Ende, das ist naiv. Das tut mir richtig weh. Soll das bedeuten, dass es keine Hoffnung mehr geben darf, wenn man eine Friedenslösung als naiv bezeichnet? Darf man nicht mehr daran glauben, dass es auch eine Verständigung geben könnte? Für mich ist das ein Ding der Unmöglichkeit, das man sich nicht verständigt. Damit verneint man die Möglichkeiten der Solidarität untereinander. Andere Gruppen wiederum halten es für ein Tabu, den Frieden überhaupt nur in Erwägung zu ziehen. Diese Haltungen sind dann jedoch stark politisch gefärbt. Ich finde das unmöglich."

Bei allen politischen Querelen um den Film, der übrigens auch in den USA noch keinen Verleih findet, überzeugt das Werk vor allem dann, wenn es richtig absurd wird. So ist hier der neueste Störenfried des Friedens ein vietnamesisches Schwein. Und das Schwein muss weg. Wenigstens hier sind sich Araber und Juden einmal einig.