"Das muss die Bevölkerung entscheiden"

07.07.2012
Der österreichische Europa-Abgeordnete Hannes Swoboda (SPÖ) ärgert sich darüber, dass man erst jetzt beginne, sich Sorgen um die Demokratie zu machen, wo Präsident Basescu doch über Jahre "Rechte verletzt hat und alle geschwiegen haben".
Ute Welty: Ministerpräsident gegen Staatspräsident. In Rumänien findet ein Machtkampf der besonderen Art statt. So hat sich das Parlament für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsident Basescu ausgesprochen - ganz im Sinne von Ministerpräsident Ponta. Die Europäische Union zeigt sich besorgt - bis auf vielleicht Hannes Swoboda. Der österreichische Europaabgeordnete kann bisher keine Verletzung der europäischen Werte durch die rumänische Regierung erkennen. Guten Morgen, Herr Swoboda!

Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen!

Welty: Warum haben Sie recht und warum irren alle anderen, inklusive der Bundeskanzlerin und des EU-Kommissionspräsidenten?

Swoboda: Alle anderen irren nicht, sondern es gibt ja sehr viele, die die Dinge etwas objektiver oder neutraler sehen, würde ich sagen. Es geht nicht darum, ob dieses Amtenthebungsverfahren rechtszulässig ist, aber das Amtsenthebungsverfahren gegenüber einem Präsidenten ist in der Verfassung vorgesehen, das ist, glaube ich, entscheidend. Ob andere Maßnahmen, die gesetzt worden sind, europäische Werte und europäisches Recht verletzen, das muss die Kommission überprüfen. Der Präsident der Europäischen Kommission hat Sorgen, das verstehe ich, das ist keine Frage, wir halten uns da auch an seine Beurteilung.

Wenn die Kommission zum Ergebnis kommt, dass die eine oder andere Maßnahme, die gesetzt worden ist, europäisches Recht verletzt, dann bin ich absolut dafür und der Erste, der von Ministerpräsident Ponta eine Korrektur und eine Rücknahme dieser Maßnahmen verlangt. Ich bin dagegen, einseitige politische Stellungnahmen, nachdem über Jahre hindurch dort, wo der Präsident Basescu Rechte verletzt hat und alle geschwiegen haben, dagegen bin ich. Dass man jetzt plötzlich beginnt, sich um die Demokratie Sorgen zu machen und nicht über die vielen Jahre hindurch, wo durch Dekrete ... durch Dekrete Recht geschaffen worden ist, ohne das Parlament damit zu beschäftigen.

Welty: Aber man kann doch das eine Unrecht nicht durch das andere rechtfertigen.

Swoboda: Absolut nicht. Absolut nicht. Absolut nicht. Ich bin immer dafür gewesen, dass europäisches Recht und Werte sehr streng beobachtet werden, und daher bin ich auch dafür, dass die Kommission die Dinge sich genau ansieht. Und Sie werden sehen, wenn es zu einer Verletzung von europäischen Werten und Rechten gekommen ist, ist meine Fraktion der Sozialdemokraten, sind das die Ersten, die von Ministerpräsident Ponta eine Rücknahme dieser Maßnahmen verlangt.

Welty: Ponta und Sie gehören derselben Parteienfamilie an, wie weit geht denn im Ernstfall die sozialdemokratische Solidarität?

Swoboda: Ich hab's Ihnen, glaube ich, gerade gesagt: Meine Fraktion war im Falle zum Beispiel als ein Sozialdemokrat eine Koalition mit einer zweifelhaften Partei in der Slowakei eingegangen hat, sofort reagiert. Und gewisse Maßnahmen, die gedroht haben, wurden von uns kritisiert und die Rücknahme verlangt. Wir sind da eindeutig.

Ich würde mir wünschen, dass andere im Europäischen Parlament vor allem auf der rechten Seite bei Ungarn, wo es ja objektiverweise durch Empfehlungen der Kommission klargestellt wurde, dass hier Recht verletzt worden ist, wenn man genauso vorgeht. Wir gehen in allen Fällen gleichermaßen vor. Dort, wo Rechtsverletzungen drohen, sind wir eindeutig und klar auf der Seite des Rechtes und nicht auf der Seite der Regierung, welcher Couleur diese Regierung auch immer angehört.

Welty: Werden Sie mit Ratschlägen von Parteifreund zu Parteifreund gehört? Sie haben ja Kontakt zu Ponta, Sie waren ja auch vor Kurzem noch in Rumänien.

Swoboda: Ich hab das immer gesagt und ich werde Herrn Ponta am Mittwoch treffen. Ich werde Herrn Ponta klar sagen, er muss sich an das halten, was die Europäische Kommission feststellt. Wenn die Europäische Kommission zum Schluss kommt, hier wurde Recht verletzt, dann muss das sofort korrigiert werden. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel daran.

Welty: Bis Ende des Monats entscheidet jetzt eine Volksabstimmung über das politische Schicksal von Staatspräsident Basescu, von welchem Ergebnis gehen Sie aus?

Swoboda: Das weiß ich nicht. Also die Befragungen, die bisher gemacht worden sind, die Meinungsbefragungen, zeigen eine große Unzufriedenheit mit Präsident Basescu, und da muss man ja sagen, warum. Ein Staatspräsident ist da, zu vermitteln. Ein Staatspräsident ist dazu da, Konsens herbeizuführen. Herr Basescu hat über die letzte Zeit nie vermittelt, sondern im Gegenteil, er hat nur geschaut, dass er gut davon wegkommt, dass er Lösungen anbietet, die er nicht mehr anbietet zur Verhandlung, sondern durchgesetzt hat.

Ein Staatspräsident hat zumindest politisch, wie Basescu, hat zumindest politisch nicht im Interesse der Bevölkerung des Konsenses gewirkt. Ob das ein Grund ist, ihn abzusetzen, das muss die Bevölkerung entscheiden. Ich gehe davon aus, was immer die Bevölkerung entscheidet in diesem Fall, hat zu geschehen. Und wenn die Bevölkerung das Amtenthebungsverfahren des Parlaments ablehnt, dann ist es selbstverständlich, dass das zu respektieren ist.

Welty: Ebenfalls bis Ende des Monats legt die EU-Kommission ihren Bericht über die Justizreform in Rumänien vor und warnt jetzt schon vor Rückschritten. Wie beurteilen Sie das?

Swoboda: Ich habe ganz klargemacht, als der Justizminister einige Bemerkungen gemacht hat hinsichtlich einer Änderung beim Verfassungsgerichtshof, dass das nicht akzeptabel ist, und Gott sei Dank hat Ministerpräsident Ponta das ebenfalls so gesehen. Ich würde mir wünschen, dass man zu einem Ernennungsverfahren in Rumänien kommt, das ein europäisches Ernennungsverfahren ist, wie wir es in vielen anderen Ländern haben, und nicht nur jeweils die Vertreter der Machthaber, sondern auch die Vertreter der Opposition dabei sind. Und wenn sich das jetzt umgedreht hat, so geht es sicherlich nicht darum - das habe ich auch Herrn Ministerpräsident Ponta klar gesagt -, dass das, was Basescu gemacht hat, jetzt dasselbe die Regierung macht, nämlich alle Positionen mit eigenen Gefolgsleuten zu besetzen. Das ist für mich nicht akzeptabel.

Nochmals: Ich hätte mir gewünscht, dass viele diese Dinge vorher einfach als selbstverständlich und natürlich gesehen haben, nämlich den Machtzuwachs und die Machtentfaltung von Präsident Basescu, das früher schon gesagt hätten, dann hätten wir uns diese Situation heute vermieden. Aber sei's drum. Es geht nicht um eine Rechtfertigung von Maßnahmen, die nicht den europäischen Werten entspricht, sondern es geht um die Durchsetzung von Maßnahmen, die mit den europäischen Werten voll im Einklang sind.

Welty: Der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda. Ich danke sehr für dieses Interview hier in Deutschlandradio Kultur!

Swoboda: Bitte sehr, gern geschehen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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