Das Leben der Vierzigjährigen

06.06.2007
Zwei Paare um die Vierzig erleben gemeinsam turbulente Tage. Die klassische Viererkonstellation, bei der sich die Partner wechselseitig angezogen fühlen, erinnert an Goethes Roman "Die Wahlverwandtschaften". Autor Thomas Lang, ein Altersgenosse seiner Protagonisten, gewann 2005 den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis.
Der 1967 in Nümbrecht (NRW) geborene Thomas Lang debütierte 2002 mit "Than" und erhielt für einen Auszug aus seinem Roman "Am Seil" 2005 den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis. Nun hat Lang mit "Unter Paaren" in erstaunlich kurzer Zeit seinen dritten Roman vorgelegt. Erneut entwirft er eine Szenerie von kammerspielartigem Zuschnitt. Per und Rafa, beide Anfang 40, ein Paar, das sich seit 15 Jahren kennt, warten auf das Eintreffen von Pers bestem Freund Pascal. Die Situation ist delikat, denn Rafa hatte, bevor sie sich für Per entschied, ein Verhältnis mit Pascal, von dem sie ihrem Lebenspartner nicht alles erzählt hat. Als Pascal erscheint, befindet sich in seiner Begleitung die wesentlich jüngere Inita.

Der Roman erzählt von zwei Tagen und einer Nacht, die die beiden Paare in Pers Haus verbringen, einem Anwesen mit Park außerhalb von Köln. Diese klassische Viererkonstellation, bei der sich die Partner wechselseitig angezogen fühlen, erinnert an Goethes Roman "Die Wahlverwandtschaften", in dem die Frage aufgeworfen wird: Was verändert sich in einer festen Beziehung, wenn zunächst ein Dritter und schließlich eine Vierte hinzutritt. Gleichnishaft verwendet Goethe ein chemisches Experiment und stellt die Unfreiheit der Elemente, die nicht wählen können, ins Verhältnis zur vermeintlichen Entscheidungsfreiheit seiner Figuren.

Thomas Lang nimmt Bezug auf diesen klassischen Roman des frühen 19. Jahrhunderts durch ein Zitat, das er als Motto für das 2. der insgesamt 41 Kapitel verwendet. Es handelt sich um Charlottes Bemerkung: "Nichts ist bedeutender in jedem Zustande als die Dazwischenkunft eines Dritten." Die Befürchtung, die sich darin ausdrückt, tritt ein. Aufregung und Unruhe gibt es auch in Langs Roman, in dem sich durch das Hinzukommen von Pascal und Inita die Gefühlslagen der Beteiligten verändern. Allerdings wird in "Unter Paaren", anders als bei Goethe, kein Partnertausch vollzogen. Alle bleiben in ihren Beziehungen, obwohl es den Anschein hat, als würden sie durch ihre erotischen Phantasien aus der Bahn geworfen werden.

Thomas Lang schildert, was sich in nur wenigen Tagen ereignet und beschreibt, wie die Ereignisse von den Beteiligten im Nachhinein bewertet werden. Alle haben sich nach den turbulent verlaufenen Tagen vor laufender Kamera von einem Bekannten interviewen lassen. Diese Mitschnitte, man weiß nicht genau, wofür Marc sie verwenden will, sind den einzelnen Kapiteln als kursiv geschriebener Kommentar hinzugefügt worden.

Thomas Langs Interesse ist auf die Lebensvorstellungen der Vierzigjährigen, also seiner Generation gerichtet. Der Autor schaut genau hin, wie sich seine Protagonisten kleiden und womit sie sich ausstaffieren. Allerdings ist diese durch Markenlabels dominierte Welt sehr fragil. Dennoch überrascht beim Lesen, wie viel Raum Lang in seinem Roman der Erwähnung von Requisiten einräumt. Ohne Grund geschieht es nicht, denn es ist ein Hinweis auf die Bedeutungslosigkeit. Würde aus diesem Leben verschwinden, was die Drei für so unverzichtbar halten, sie wären von sehr viel Leere umgeben.

Rezensiert von Michael Opitz

Thomas Lang: Unter Paaren. Roman.
Verlag C. H. Beck. München 2007, 208 Seiten. 17,90 Euro.