Das Leben der Frauen in Bali

04.07.2007
In ihrem Roman "Erdentanz" zeigt Oka Rusmini über vier Generationen das Leben der Frauen ihrer Heimat, die jeweils eine sehr eigene Vorstellung vom Glück haben und ihren Weg zielstrebig verfolgen. Eine von ihnen ist Telega, die mit ihren Tänzen alle Männer betört. Die Autorin arbeitet als Journalistin bei der "Bali Post".
Bali ist die Insel der Schönheit, der Sonne, der Heiterkeit. Touristen sehen die bunt geschmückten Tempel, wunderschöne Tänzerinnen und eventuell die offiziell verbotenen Hahnenkämpfe. Die Faszination der Insel liegt neben der Natur in der Leichtigkeit und Freundlichkeit, die die Balinesen ausstrahlen, begründet. Doch dahinter steht eine hierarchisch gegliederte Gesellschaft in der traditionelle Werte wie das Adat-Recht auch heute noch eine große Rolle spielen. Wie sehr das balinesische Kastenwesen das Leben der Menschen beeinflusst, zeigt Oka Rusmini in ihrem ersten Roman "Erdentanz".

Telega ist eine Brahmana, das heißt, sie gehört zur obersten Kaste auf Bali. Sie ist nicht nur adelig und reich, sondern dazu auch noch schön. Mit ihren Tänzen betört sie alle Männer und zieht teilweise den Neid ihrer Freundinnen auf sich. Doch die Götter haben ihr keinen geraden Lebensweg beschieden. Seit ihrer frühesten Jugend liebt sie den Maler Wayan, der der niedrigsten Kaste der Sudra angehört. Gegen die Widerstände aus beiden Familien setzen Telega und Wayan ihre Heirat durch. Doch es ist ihnen nur ein kurzes Glück beschieden, da der junge Maler auf Grund eines Herzfehlers sehr früh stirbt. Telega muss ihren Adelstitel aufgeben und eine Sudra werden, die aber trotz allem von ihrer neuen Familie nicht herzlich aufgenommen wird.

Dieser Weg ist für ihre Mutter Luh Sekar nicht nachvollziehbar, denn Telegas Mutter wurde als Sudra geboren. Ihr Vater war durch eine politische Betätigung verschwunden, ihre arme Mutter wurde auf dem Weg zum Markt, wo sie Schweine verkaufte, überfallen und vergewaltigt und war danach blind. Luh Sekar beschließt daraufhin, ihre Schönheit zu nutzen und die beste Tänzerin zu werden. Darin sieht sie die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit eines Brahmana-Mannes auf sich zu ziehen und durch eine Heirat in die höchste Kaste aufzusteigen.

Sie gelangt schließlich auch an ihr Ziel, aber der Preis dafür ist unsagbar hoch. Sie muss jeden Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie abbrechen, sie erhält einen neuen Namen und muss ein völlig neues Verhalten annehmen. Dies alles wäre sicherlich erträglich, wenn sie eine gute Beziehung zu ihrem Ehemann hätte. Doch dieser Adelige ist dumm und überheblich. Er trinkt und hält sich überwiegend bei Prostituierten auf. Dieses Fehlverhalten lastet seine Mutter der Schwiegertochter an, weil eine Sudra einen Brahmana nicht wirklich glücklich machen kann. Die Verbitterung der alten Frau hat ihre Ursache allerdings auch in ihrer eigenen Lebensgeschichte und Ehe ihren Ursprung.

Etwas verwickelt zeigt Oka Rusmini über vier Generationen das Leben der Frauen auf, die jeweils eine sehr eigene Vorstellung vom Glück haben und ihren Weg zielstrebig verfolgen. Dass dabei alle viel Leid tragen müssen, macht das Buch zu einer nicht ganz einfachen Lektüre. Beeindruckend ist allerdings die Konsequenz der Frauen, mit der sie ihr Schicksal tragen, ohne sich gegen die Widrigkeiten aufzulehnen, nachdem sie ihren einmal selbst gewählten Weg eingeschlagen haben.

Dass dieses Verhalten sehr authentisch wirkt, hat sicherlich etwas mit der eigenen Erfahrung Oka Rusminis zu tun. Die Journalistin, die bei der "Bali Post" arbeitet, ist mit dem Dichter Arif B Prasetyo, einem Ostjavaner, verheiratet. Seine ethnische Herkunft und seine Religionszugehörigkeit haben die Familie von Oka Rusmini so erbost, dass sie die junge Frau enterbt haben.

Rezensiert von Birgit Koß

Oka Rusmini: Erdentanz. Roman aus Bali.
Horlemann 2007
Aus dem Indonesischen von Birgit Lattenkamp,
149 Seiten, € 16,90