Das Label "aufabwegen"

Zwischen Noise, Geräusch, Pop


Die eine Kapsel eines Kopfhörers ist mit Telefondraht umwickelt.
Die Geräuschmusik-Szene in Deutschland ist lebendig. © picture-alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Ina Plodroch · 27.06.2016
Seit 20 Jahren veröffentlicht Till Kniola aus Köln Geräusche am Rande der Musik. Oder Musik, die zum Geräusch wird. "Aufabwegen" heißt sein Label - zum 20. Jubiläum blickt er auf deutsche Geräuschekunst und sein Label zurück - was kann Geräuschmusik noch leisten?
Stahl. Schere. Papier. Beat. Lärm. Nur ein Geräusch? Oder mehr als das?
"Geräuschmusik hab ich halt gedacht, ist es sinnvoll zu nennen, weil es sind ja nicht nur Geräusche."
Till Kniola.
"Es ist ja schon ein Gestaltungswille zu erkennen."
Manchmal sogar: Ein Instrument, ein Ton, ein Beat, der sich im Nu auflöst.
"Geräuschmusik leistet so eine Art Aneignung der Klänge, die um uns rum sind."
Musik vor allem von Laien. Nicht wie die Musique concrète, die aus Geräuschen richtige Musikstücke komponierte. Nicht so durchgängig laut und verzerrt wie Noise. Und nicht so poserhaft wie Industrial, findet Kniola. Sondern ganz frei. Diese Geräuschmusik-Szene in Deutschland ist ziemlich lebendig. Deshalb hat der Deutsche Musikrat Till Kniola gebeten:
"Mach doch was zum Thema 'aufabwegen', du hast dieses Label ..."

Geräusche oder verfremdete Alltäglichkeiten

... auf dem der Kölner seit 20 Jahren Musik aus Geräuschen oder verfremdeten Alltäglichkeiten veröffentlicht. Nischenmusik.
Als Labelmacher und Musikliebhaber hat Kniola die Compilation "aufabwegen50" zusammengestellt. Mit 29 Künstlern beziehungsweise Kollektiven aus Deutschland, Zweieinhalb Stunden Geräuschmusik. Eine Mischung aus Labelwerkschau und Rückblick auf die deutsche Szene.
Sperrig und herausfordernd für die Ohren. Mit etwas Zeit werden die Klänge reizvoll, weil man die Verbindung zum Alltag hört, bis sie sich verfremden und abdriften.
"Die nehmen Dinge, die schon da sind, nehmen die auf und entwickeln dann immer verfeinerte Techniken, diese gefundenen Klänge zu bearbeiten."
Aber, wie klingt unser Alltag heute?
Wohl kaum mehr nach Stahl, harter Arbeit, Industrie. Eher nach Silicon Valley. Unhörbare Bildschirmwischerei, Tastaturen. Längst haben Menschen begonnen, alte Geräusche zu archivieren. In einer Zeit, in der Tastentöne, Autotüren, Telefonklingeln in professionellen Geräuschelaboren gestaltet werden. Sound Design. Was macht denn das mit dieser Geräuschmusik?
Was ist Geräuschmusik?
Und Johannes Ullmaier fragt im Essay zur Veröffentlichung: Was ist Geräuschmusik, wenn Musik selbst im Supermarkt, Auto, Restaurant, Bahnhof, zum Nebengeräusch wird?
"Ist ja eigentlich eine ganz interessante Position, in der sich diese Szene befindet und glaube ich auch ein guter Antrieb, warum immer noch Menschen diese Art von Musik machen, dass man sagt: das Geräusch ist immer einfacher verfügbar. Es ist immer leichter Dinge aufzunehmen und manchmal auch durchgestylt und Klingelton. Was weiß ich wir haben ja überall Geräusche um uns herum und dann eben noch eine eigene Handschrift zu entwickeln."
Die Geräuschmusik verändert sich also nicht. Sie bleibt mal geräuschvoll, lärmig, rhythmisch, musikalisch. Denn es geht um den künstlerischen Ausdruck. Der Alltag - egal, ob der nach Stahl, Tastaturklicken oder künstlichen Sound Design klingt, liefert nur das Material. Und dieser künstlerische Ausdruck hat die Ohren geöffnet, findet Till Kniola
"Es gibt Überschneidungen zur Popkultur und das ist wo die Szene der Geräuschmusik Pionierarbeit geleistet hat in den letzten 30, 40 Jahren, denn sie hat die Ohren geöffnet für alle möglichen Experimente, die sich auch im Pop wieder finden. Wenn du schaust, Björk, wie die geräuschhaft arbeitet."
Mehr zum Thema