Das kommt mir spanisch vor …

Von Rolf-Bernhard Essig · 17.10.2008
Diesmal geht es um die Redensarten: Das kommt mir spanisch vor, Jemand ist eine Koryphäe, Es regnet Schusterjungen, Ach du meine feldgraue Schnauze u.a.
Das kommt mir spanisch vor

Als Karl V. 1519 deutscher Koenig wurde, brachte er, der in Spanien erzogen und aufgewachsen war, seinen Hofstaat und dessen Zeremoniell von dort mit. Das kam den Deutschen merkwürdig, unverständlich und seltsam vor, weshalb sich der Ausdruck verbreiten konnte.

Jemand ist eine Koryphäe

Man sollte sich nie auf seine spontane Eingebung und fremde Recherche verlassen. Ich muss zugeben, dass ich hier in Frankfurt ohne Nachschlagewerke einen Redakteur bat, mir das Wort nachzusehen. Der fand ganz richtig die Bedeutung, aber nicht die Wortherkunft. Die schien mir klar zu sein, doch täuschte ich mich. Ein Hörer wies mich netterweise auf den Fehler hin.
Es handelt sich um eine Bezeichnung für einen Experten. Sie kommt vom altgriechischen Ausdruck "koruefae", der soviel wie "Gipfel, Spitze" bedeutet. Er wurde auf den Chorführer der griechischen Tragödie übertragen. In dieser Form des antiken Dramas gab es nämlich neben den handelnden Personen noch einen Chor auf der Szene, der das Geschehen kommentierte. Diesem stand der Chorführer vor, er war Stimmführer, also herausgehoben wie ein Gipfel aus einer Ebene ragt oder ein Experte durch sein hohes Maß an Wissen aus der Plattheit des Durchschnittswissens.

Es regnet Schusterjungen

Der starke Regen mit riesigen Tropfen regte die Phantasie schon immer an, Vergleich zu finden. Jeder kennt noch aus dem Englischunterricht die Wendung "it rains cats and dogs". Im Deutschen gibt es auch sehr viele. Dass Auszubildende des Schuhmacherhandwerks vom Himmel fallen, muss man freilich nicht fürchten. Es geht entweder um die "Schusterjungen" genannten Brötchen - das wäre mächtig heftiger Regen - oder um die Schusterjungen des Setzerhandwerks. Hier bezeichnet der Begriff eine typographische Sünde, wenn von einem Absatz nur eine Zeile auf der Seite gedruckt ist. "Regnete" es in einem Text "Schusterjungen", dann war er voller Fehler dieser Art. Vielleicht kam der Fachausdruck in die Alltagssprache. Beim "Zwiebelfisch" war es ja auch so. Das ist eigentlich eine umgedrehte Drucktype. Das "a" oder "q" steht im Satz Kopf.

Ach du meine feldgraue Schnauze

Soldaten haben wenig zu lachen und viel zu fluchen. Kein Wunder, dass sie auch bekannte Kraftausdrücke verstärkten. "Ach du meine Fresse!" ist ja ganz verbreitet. Als die prächtigen Uniformen der alten Zeiten aber unauffälligeren Stoffen wichen, kleidete man die deutschen Soldaten in Grau, das man "Feldgrau" nannte und die Soldaten selbst einfach "unsere Feldgrauen". So konnte es auch zur Selbstbezeichnung dienen, selbst der der Schnauze, war der ganze Mensch ja gleichsam in Feldgrau getaucht.

Da zieht kein Pferd ein Haar von ab

Gut, gut, eigentlich müsste es lauten "davon zieht kein Pferd ein Haar ab", aber der Volksmund macht, was er will. Die Redewendung verbindet ähnlich lässig zwei andere zu einer neuen: "Hier bringen mich keine zehn Pferde weg!" und Haareredensarten wie "kein Haar krümmen", bei denen es auf die Geringfügigkeit des Unterschieds ankam. Wenn also das kräftige Zugtier Pferd, nicht einmal ein Haar von etwas abzuziehen vermag, dann wird nichts, aber auch gar nichts geändert. Man könnte auch sagen "kein Iota", denn das war der kleinste, unscheinbarste Buchstabe im griechischen Alphabet.

Einen Zahn zulegen

Immer noch verbreitet ist die Geschichte vom Topf, der an einer Zahnstange über dem Feuer aufgehängt wurde, wobei man schneller kochen konnte, wenn man ihn niedriger hängte. Das klingt gut und älter als die Lokomotivenerklärung, hat aber einige Fehler. Niedriger wird niemals mit "zulegen" verbunden, sondern eher mit "verringern", dazu wirkt es etwas hergeholt, den Kochvorgang und dessen kürzere Dauer zu verbinden mit dem Tempo. Bei der Lokomotiven und ihrem zahnstangengeregelten Antrieb ist all das nicht der Fall. Hier bedeutet die Redewendung "schneller werden".

Die Katze im Sack kaufen / die Katze aus dem Sack lassen

Auf dem Markt wurde viel und oft und manchmal direkt etwas hektisch gekauft. Natürlich trieben sich bei solchen Menschenzusammenballungen auch unehrliche Leute herum. Die betrogen zum Beispiel, indem sie ein Ferkel verkauften, dem Käufer zeigten und freundlicherweise gleich hinter der Bude in einen Sack steckten, um es leichter zu transportieren. Dort nahmen sie aber eine Katze, gaben dem Gutgläubigen den Sack und hofften darauf, dass er ihn erst daheim öffnen würde. Daher kommt also die erste Redensart, die sich auf unsichere Geschäfte und ähnliches bezog. Die zweite ist direkt damit verbunden, denn wer die Katze aus dem Sack lässt, macht deutlich, was da drin gesteckt hat. Die Wahrheit kommt mit der Katze ans Licht."

Etwas ist in trockenen Tüchern

So alt ist die Redensart nicht, aber ungeheuer beliebt, selbst bei gestandenen Männern. Hoffentlich, weil auch die inzwischen in Elternzeit gehen und wissen, wie wichtig, ja überlebenswichtig es ist, Kleinstkinder nicht in feuchten Windeln liegenzulassen. Das Kind in trockenen Tüchern zu haben, kommt tatsächlich daher, ein Baby trockenzulegen, dass sich dann wohl und sicher fühlen kann.

Eine hanebüchene Geschichte

Wenn etwas unglaubwürdig ist, aus den Fingern gesogen, schlicht Unsinn, dann benutzt man den Ausdruck. Er kommt vom knorrigen Holz der Hagebuche her, das schwer zu bearbeiten war. So ergab sich erst einmal die Bedeutung "schwierig", "hartnäckig", "widerborstig". Wenn etwas wirklicher Unsinn war, dann konnte man ihn mit dem Wort "hanebüchen" steigern, also "schwerer Unsinn" sozusagen. Das war so beliebt, dass das zweite Wort wegfallen konnte und hanebüchen allein "Unsinn" bedeuten konnte.

Alles in Butter

Die zufriedene Formel nach geglücktem Einsatz oder vollendeter Arbeit hat verschiedene Erklärungen erfahren. Die eine bezieht sich auf Berliner Gastwirte, die in Zeiten anderer Misch- und Pflanzenfette mit Schildern darauf hingewiesen hätten, bei ihnen sei "alles in Butter", wozu man in ergänzen musste "gebraten, gekocht ..." Der Ausdruck ist freilich älter. Nicht hundertprozentig sicher sein kann man sich über die Erklärung, die ich für sehr plausibel halte: Venezianisches Glas wurde in Fässern über die Alpen oder noch weiter exportiert. Um das kostbare Gut sicher zu lagern, ließ man Butter schmelzen, füllte etwas davon in ein Fass, ließ sie abkühlen, legte eine Schicht Gläser darauf, goss Butter nach, die das Glas sicher umschloss, und fuhr so fort, bis oben eine abschließende Butterschicht alles schützend deckte. Dann war "alles in Butter" und konnte relativ sicher transportiert werden.