Das Heft in der Hand

Von Philipp Schnee und Swantje Unterberg · 30.10.2013
Vor 20 Jahren tauchten in mehreren deutschen Städten erstmals Straßenzeitungen auf. Heute gehören sie zum Alltag vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Straßenzeitung sollte Obdachlosen helfen, aus ihrer Lage herauszukommen und wieder ein normales Leben führen zu können.
"Nicht mehr betteln müssen" - mit diesem Anspruch sind die Straßenzeitungen in den frühen 90er-Jahren angetreten. Den Wohnungslosen sollte ein Stück Würde zurückgegeben werden. Mit der Zeitung in der Hand - so der Plan - mussten sie fortan vor dem Supermarkt und in der U-Bahn nicht mehr um Almosen bitten, sondern konnten ein Produkt anbieten und im Idealfall ökonomisch auf eigenen Beinen stehen, die Beschäftigung als Sprungbrett ins Berufsleben nutzen.

Manche Zeitungsgründer träumten gar von der "Abschaffung der Obdachlosigkeit". Angefangen von Köln, Hamburg und München verbreitete sich die Geschäftsidee schnell über das ganze Bundesgebiet. Heute ist es wieder etwas ruhiger geworden um die Straßenzeitungen, trotzdem sind sie fester Bestandteil jeder Großstadtszenerie. Und die grundlegenden Fragen bleiben: Wer schreibt hier eigentlich für wen? Sind die Straßenzeitungen ein Sprachrohr für Randgruppen oder schreiben karitativ bewegte Profis? Und wie sehen eigentlich die verschiedenen Geschäftsmodelle für die soziale "Unternehmung Straßenzeitung" aus?

Spätestens nach den Hartz-IV-Gesetzen haben sich auch das Klientel und mit ihm die Themen verändert: Weniger Drogen und Alkohol, mehr Mittelstand in der Krise, der Rentner als Verkäufer. Da stellt sich immer häufiger die Frage: Wer ist hier eigentlich arm genug für den Verkauf? Und wie reagieren die Straßenzeitungen auf den Protest, den osteuropäische Verkäufer bei ihren Unterstützern und Käufern auslösen? Gelingt es den Magazinen, eine Gegenöffentlichkeit für sozioökonomische Randgruppen zu sein, ihre Lebenslagen bis in die Mainstream-Medien zu tragen?

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