"Das hat eine ganz besondere Magie"

Von Christian Geuenich · 05.02.2009
Auf der Berlinale 2005 wurde die österreichische Schauspielerin Franziska Weisz als "European Shooting Star" ausgezeichnet. Morgen ist die 28-Jährige auf der Berlinale im Eröffnungsfilm "Distanz" in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino" zu sehen. Seit vier Jahren lebt die Schauspielerin in Berlin. Zu ihrem heutigen Beruf kam sie über Umwegen.
Auf der Berlinale 2005 wurde die österreichische Schauspielerin Franziska Weisz als "European Shooting Star" ausgezeichnet. Morgen ist die 28-Jährige auf der Berlinale im Eröffnungsfilm "Distanz" in der Reihe "Perspektive Deutsches Kino" zu sehen.

"Also ich habe gequietscht und gebrüllt, als ich erfahren habe, dass der Film "Distanz" die "Perspektive Deutsches Kino" eröffnen wird. Nur, was das jetzt bedeuten könnte, das realisiere ich noch nicht ganz, weil ich war halt Shooting Star, aber ich hatte noch nie einen Film auf der Berlinale und jetzt zwei. Deswegen muss ich erst einmal gucken, wie sich das anfühlt."

Denn der Eröffnungsfilm der "Perspektive Deutsches Kino" ist nicht der einzige Auftritt der dunkelblonden unglaublich wandelbaren Schauspielerin auf der diesjährigen Berlinale. Zum einen ist sie in der Reihe "Panorama Special" mit kurzen schwarz-blond gefärbten Haaren als militante Vegetarierin und gegen die Eltern revoltierende Punk-Göre in Michael Glawoggers "Das Vaterspiel" zu sehen, zum anderen als sanfte bedingungslos liebende Jana in Thomas Siebens "Distanz".

Jana: "Ist das bei dir immer so?"
Daniel: "Was?"
Jana: "Dass du mal nett bist und mal nicht ansprechbar."
Daniel: "Weiß nicht, kann sein."
Jana: "Ich mag dich trotzdem, auch wenn ich mich zuerst daran gewöhnen muss."

Jana arbeitet in der Verwaltung eines Botanischen Gartens und verliebt sich in Daniel, einen unauffälligen, zurückgezogen lebenden Gärtner. Von seinem Doppelleben hat Jana allerdings keine Ahnung. Er wirft völlig emotionslos Steine von einer Autobahnbrücke oder erschießt Jogger im Park, ohne Schuldgefühle zu empfinden. Jana bringt Daniel Gefühle entgegen, die er nicht kennt und erdrückt ihn fast mit ihrer bedingungslosen Liebe.

"Weil Daniel kann mit Emotionen nicht umgehen, der spürt auch keine Emotionen, und sie rückt ihm so nahe mit ihrer überbordenden Liebe, dass er es irgendwann nicht mehr anders kompensieren kann als mit Gewaltausbrüchen, die ja dann die Handlung auch sehr bestimmen."

"Distanz" sei "verstörend und provokant und mit Sicherheit kein Gute-Laune-Film", sagt die 28-jährige Wahlberlinerin, die ihre schulterlangen Haare unter einer grauen Wollmütze versteckt. Franziska Weisz wollte diese Rolle unbedingt spielen:

"Ich habe mich so in jede einzelne Kleinigkeit, wie sie reagiert und was sie macht, total verliebt, und das passiert mir nicht bei jedem Drehbuch, weil ich bin doch ein eher vernünftiger Mensch, und dieses komplette Reinwerfen und Alles-andere-Ausblenden und nur für diese Liebe leben und sterben wollen, das fand ich total überwältigend."

Franziska Weisz ist am grünen, südlichen Stadtrand von Wien aufgewachsen, der Vater Fahrlehrer, die Mutter Buchhalterin. Sie ist das Nesthäkchen der Familie, ihre zwei Schwestern und zwei Brüder sind mehr als acht Jahre älter. Als Kind nimmt sie sämtliche Jerry-Lewis-Filme aus dem Fernsehen auf, schaut sie sich fast täglich an und kann am Ende die Dialoge mitsprechen. Mit 12 beginnt sie ähnlich besessen Filme mit Peter Sellers zu schauen - von "Pink Panther" bis "The Party".

"Als Kind hatte ich schon so für mich diesen Traumberuf Schauspielerin, der war immer da, immer, immer, so lange ich denken kann. Nur ich dachte, mein Gott, jeder in meinem Alter träumt von Sängerin, Prinzessin, Schauspielerin, Tänzerin sonst irgend etwas. Insofern habe ich das gar nicht ausgesprochen, weil ich dachte, das ist eh normal, das geht vorbei, und irgendwann wache ich auf und habe dann normale Träume. Und deswegen habe ich mich dann auf realistische Berufsoptionen konzentriert."

Nach der Matura bewirbt sie sich für ein Studium für Internationale Beziehungen und Entwicklungspolitik in England mit dem vagen Ziel, später als Diplomatin zu arbeiten. Während der Wartezeit wird sie von Regisseur Ulrich Seidl, der gerne mit Laien arbeitet, für seinen Episodenfilm "Hundstage" entdeckt und spielt die gedemütigte Freundin eines Machos. Der Regisseur ist begeistert.

"Und am letzten Drehtag meinte er so, ja ich habe jetzt keine Ahnung, was du so vorhast, so im Leben und mit Beruf, aber Schauspielen wäre schon eine gute Option. Und da dachte ich so, hm interessant. Und dann war ich in England und dachte mir, das war wirklich mit Abstand das Beste, was ich bisher gemacht habe, einfach nur da am Set stehen, das Drehen, sich fallen lassen vor der Kamera und gucken, was passiert. Das hat eine ganz besondere Magie, die mich nicht los gelassen hat."

Trotzdem studiert sie erst einmal vier Jahre in Leicester und London, arbeitet nebenbei in fünf Jobs gleichzeitig, um ihr Studium zu finanzieren. Nach ihrem Abschluss kehrt sie nach Österreich zurück und steht direkt in einer Hauptrolle vor der Kamera. Sie spielt eine biedere Rezeptionistin, die in einem gespenstischen einsamen Waldhotel arbeitet.

Der Gruselthriller "Hotel" wird in Cannes uraufgeführt und Franziska Weisz für ihre Darstellung mit dem "European Shooting Star" auf der Berlinale 2005 ausgezeichnet. Nun weiß sie endgültig, dass sie ihren Traumberuf gefunden hat.

"Zum einen liebe ich die Atmosphäre am Set. Ich komme da hin, und ich fühle mich wie ein Fisch im Wasser, weil alle eine Vision haben, alle ziehen an einem Strang, und für mich ist das eine große Geborgenheit. Ich finde das total faszinierend, mir einen Charakter anzueignen, einfach ein anderer Mensch sein zu können, und wenn ich drehe, dann gibt es für mich den Rest der Welt nicht mehr."

Sobald sie über Dreharbeiten spricht, überzieht ein Strahlen das Gesicht von Franziska Weisz, die braunen Augen leuchten, ihr Mund lächelt bis in die kleinen Grübchen. Ihre Familie ist inzwischen mächtig stolz auf sie, zumal sie im Vorfeld der Berlinale in ein paar österreichischen Zeitungen zu sehen war.

"Dann liest das meine Mutter, dann wird sie angestupst von irgendwelchen Kollegen, "oh ich habe deine Tochter gesehen", und jetzt hat meine Mutter gerade dieses "Oh meine Tochter ist Schauspielerin" (lacht) aber das hat lange gebraucht, bis die realisiert haben, dass ich das echt beruflich mache."

Seit vier Jahren lebt die Schauspielerin in Berlin, erst in Charlottenburg, jetzt in Kreuzberg. Dort ist sie in eine stark renovierungsbedürftige Wohnung gezogen. Sie sei im letzten Jahr eine richtige Heimwerkerin geworden, erzählt sie lachend, der Baumarkt eine Art zweites zu Hause. Überhaupt lacht Franziska Weisz sehr gerne und sehr viel, von Innen heraus und zeigt noch ein ganz anderes Gesicht als in ihren bisherigen eher ernsten Filmen. Aber das kann sich ja noch ändern.

"Im Gegenteil, ich würde total gerne was Lustiges machen. Kann ja auch eine große Botschaft sein. Ob es dann lustig wird oder nicht (lacht) das sieht man dann, aber es muss nicht immer das große Drama sein."


Service
Distanz läuft am 06.02. (19.30 Uhr, Cinemaxx 3) und am 07.02. (13 Uhr Colosseum 1 und 20.30 Uhr Cinemaxx 1) läuft am 06.02. (19.30 Uhr, Cinemaxx 3) und am 07.02. (13 Uhr Colosseum 1 und 20.30 Uhr Cinemaxx 1)

Das Vaterspiel läuft am 08.02. (21.30 Uhr Zoopalast 1), 09.02. (12.45 Uhr Cinemaxx 7), 12.02. (17 Uhr Cubix 9) und 13.02. (22.30 Uhr Colosseum 1). läuft am 08.02. (21.30 Uhr Zoopalast 1), 09.02. (12.45 Uhr Cinemaxx 7), 12.02. (17 Uhr Cubix 9) und 13.02. (22.30 Uhr Colosseum 1).