Das glückliche Huhn

Von Michael Engel · 01.11.2013
Die Öko-Bauern stehen möglicherweise vor einer Revolution. Und zwar durch den Einsatz von mobilen Hühnerställen. Damit vermeiden die Landwirte die Kontamination auf den immer gleichen Böden - und die Tiere genießen ein "erweitertes Pickerlebnis".
Es dreht sich alles ums Ei auf dem Biolandbetrieb von Irmgard und Jörge Penk. An die 800 Eier sind es täglich, die in Großenrode bei Göttingen anfallen und vor dem Verkauf erst mal sortiert werden - mit Hilfe einer Eiersortiermaschine.

Irmgard Penk: "Also hier werden die Eier sortiert. Die kommen ja unsortiert aus dem Stall. So wie wir sie gesammelt haben. Sie werden hier draufgelegt. Und die Maschine sortiert dann die Eier nach Größen. In XL-Eier, L-, M- und S-Eier."

Nur ein paar Schritte weiter werden die Eier verkauft, im Hofladen, urig untergebracht in der Remise des alten Bauernhofes mitten im Dorf. Neben Salat, Möhren und Kartoffeln sind es vor allem die Eier, die von Kunden wie Jürgen Groß geschätzt werden. Man kennt sich ...

Jürgen Groß: "Guten Tag, Herr Penk. Ich möchte gerne zehn Eier bitte."

Penk: "Gerne. Was möchten Sie haben. Normale Größe oder XL?"

Groß: "Nein, XL ist besser, da kann ich beim Kochen und Frühstücken mehr mit anfangen ..."

Ich komme extra hier her, um die Eier zu kaufen, weil sie von der Qualität und vom Geschmack besser sind als das, was ich im Supermarkt kaufe oder irgendwo anders. Und ich weiß auch, dass die Eier hier aus dem Hühnermobil kommen, ich habe das besichtigt und kann feststellen, dass nicht irgendein Futter da hinkommt, was auf die Qualität der Eier Einfluss hat."

Das "Hühnermobil" ist ein beweglicher Stall, zu dem Jörge Penk mit dem Traktor fahren muss, wenn er nach dem Rechten sehen will und Nachschub holen muss. 500 Meter ist der Stall entfernt. Genauer gesagt: ein Stall auf Rädern - ähnlich wie ein Campingwagen - mitten auf einer grünen Kleewiese. Im "Hühnermobil" leben 800 Hühner, sagt er und öffnet eine durchsichtige Tür aus Plastik.

Jörge Penk: "Wir haben hier die Bodenplatte, die acht mal zehn Meter groß ist. Dann haben wir den Mittelgang, der etwas erhöht ist. Da drüber sitzen die Sitzstangen, und in der Mitte sind dann die Lebenester und oben drüber auch wieder Sitzstangen, weil die Hühner abends gerne auf eine erhöhte Sitzgelegenheit gehen - zum Übernachten.

Ja, und die Klappen gehen so gegen 10.00 Uhr auf. Und die Hühner können frei entscheiden, ob sie rein oder raus wollen, um wieder Grünzeug zu fressen ..."

Hähne sind auch dabei. Die belasten zwar die Bilanz, sind aber für den Betriebsfrieden auf dem rollenden Hühnerhof unerlässlich. Tatsächlich bilden die Hühner draußen auf der eingezäunten Wiese immer kleine Grüppchen. Kein Kannibalismus, nicht mal Federpicken, die Tiere wirken zufrieden. Und Jörge Penk ist es auch!

Hotel Adlon als Kunde
Jörge Penk: "Wir sehen hier jetzt auf der Wiese ein ganz ruhiges Treiben. Dass die Hühner hier vollkommen entspannt über die Wiese ziehen und mal hier und mal da picken, und sie finden ganz besonders den Klee interessant.

Sehen wir auch da vorne, wie das Huhn da steht und die Blätter pickt. Also das ist für Hühner erstmal ganz attraktiv, dass es verschiedene Kräuter, Klee und Gräser gibt. Das funktioniert prima."

Kräuter, Gräser, Klee und viel Auslauf in der frischen Luft. Das ist das Geheimnis der schmackhaften Eier aus dem Hühnermobil. Das Hotel Adlon ist Kunde, und auch andere Gourmettempel schwören auf den gelben Dotter, die dicken Schalen, auf das "Ei" als Naturprodukt.

Ist der Klee nach zwei Wochen abgegrast, zieht Jörge Penk das 13 Tonnen schwere Hühnermobil 50 Meter weiter. mobiler Elektrozaun drum, fertig ist der Umzug. Genügend Platz hat er auf seinem drei Hektar großen Kleegrasfeld.

Langsam nähert sich ein Auto, Iris Weiland steigt aus ...

Iris Weiland: "Hallo Jörge, schön, dass ich Dich hier treffe. Wir haben dieses Jahr wieder Stallbetreibertreffen, und ich würde mich total freuen, wenn Ihr auch kommen könnt, wenn ihr Zeit habt ..."

Iris Weiland ist die Erfinderin des Hühnermobils. 240 solcher Ställe hat sie schon verkauft. Kostenpunkt: Um die 30.000 Euro für die kleinste Variante. Mit 120 Euro pro Henne ist die Investition zwar geringfügig höher als bei herkömmlichen Ställen, sagt sie. Doch die Verbraucher, so die Firmenchefin aus dem nahe gelegenen Bad Soden-Allendorf - honorieren das.

Iris Weiland: "Also, was man mit diesen Ställen wunderbar erreichen kann, ist, dass man wirklich die Vorstellungen, die Verbraucher haben von einer guten Tierhaltung, umsetzen kann. Wenn man dem Verhalten der Tiere zuschaut und sieht, denen geht’s wirklich gut, die können scharren, picken, finden das, was sie brauchen, dann haben wir hier eine Form, diese gute Haltung wirklich transparent zu machen. Und wenn die Eierkunden, die Verbraucher, im Grunde Du und ich, wenn wir sehen, ja, da sind Tiere gut gehalten, dann zahlen wir auch einen fairen Preis dafür."

Michael: "38 Cent kostet ein Ei bei Irmgard und Jörge Penk im Hofladen. Das ist doppelt so viel als beim Discounter. Aber: Der Bauer muss jeden Tag raus zu seinen Hühnern, Wasser bringen, nach dem Futter schauen, die Eier aus den Nestern von Hand sammeln.

Nur die Kosten für den Tierarzt kann er sich sparen. Noch nie war eines seiner Hühner krank, sagt er stolz. Und Antibiotika braucht er sowieso nicht im mobilen Stall, draußen auf der grünen Wiese."

Jörge Penk: "... und die Hühner sind jetzt ein dreiviertel Jahr alt und sehen noch absolut super aus. Sind kerngesund und haben gleichzeitig eine hohe Leistung. Das zeigt, dass wir ins richtige System investiert haben."

Noch sind die Eier mit den dicken Schalen und dem gelben Dotter echte Mangelware, denn das "System Hühnermobil" ist neu und mit 240 Ställen noch wenig verbreitet. Ob es viele Nachahmer findet, hängt davon ab, ob der Verbraucher bereit ist, für ein gutes Ei einen guten Preis zu bezahlen.
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