Das Gema-Urteil und die Folgen

Existenzbedrohend für die Musikverlage

So unscheinbar diese Geige auch aussehen mag, ist sie mit einem Kaufpreis von 1 Millionen Euro eine der teuersten Geigen der Welt. Gebaut wurde sie von dem berühmten Geigenbauer Antonio Stradivari vor 300 Jahren.
Besonders für Klassik-Musikverlage, die bislang mehr auf die Entdeckung als den Kommerz setzen, könnte das Gema-Urteil schwierige Zeit einläuten. © picture alliance / dpa / Miguel Villagran )
Von Uwe Friedrich · 15.11.2016
Die Verwertungsgesellschaft Gema darf nicht länger Musikverlage pauschal an den Einnahmen aus Musik-Nutzungsrechten beteiligen. Viele Verlage stünden dadurch vor dem Aus oder würden jede Risikofreude verlieren, kommentiert Musikkritiker Uwe Friedrich. Besonders für die Klassikszene sei das fatal.
Bruno Gert Kramm ist in Feierlaune. Der Musiker und Piratenpolitiker sieht das Urteil des Berliner Kammergerichts als Ansporn, endlich die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz Gema, zu reformieren. Das Geld soll wieder an die Urheber der Musik gehen und nicht mehr an die Wirtschaftsbetriebe.
Tatsächlich gärt die Unzufriedenheit mit der Gema schon lange, und nicht nur, wenn Kindergärten für das Singen harmloser Liedchen abgemahnt werden.*
Ein Kernargument: Die Musikverleger leisteten in Zeiten der Digitalisierung ohnehin nichts Nennenswertes mehr und deshalb solle man diese analogen Dinosaurier auch nicht unter Artenschutz stellen. Das mag für Teile der Popmusik zutreffen, verkennt aber vollkommen die Situation der Verleger klassischer Musik. Die leisten nämlich gute, sehr teure und häufig auch risikoreiche Arbeit, wenn sie etwa Aufführungsmaterial für zeitgenössische Musik herausgeben oder kritische Neuausgaben der Klassiker produzieren.

Für die Klassik sind Musikverlage unverzichtbar

Der Musikbetrieb in Opernhäusern und Konzertsälen ist ohne die Verlage schlicht undenkbar, folgerichtig sehen sich viele Komponisten und ausübende Musiker eher als Partner der Verlage und nicht als deren Feinde. Um die 20 Prozent ihres Einkommens haben deutsche Musikverleger bisher mit Überweisungen der Gema erzielt, doch nun müssen die Verlage vollkommen neu kalkulieren.
Auch wenn die Gema heute betont, das Urteil des Berliner Kammergerichts sei noch nicht rechtskräftig, spricht nämlich wenig dafür, dass eine Revision beim Bundesgerichtshof möglich sein wird. Und selbst wenn, wird der BGH wahrscheinlich dem Kammergericht folgen, denn die Berliner Richter haben sich wiederum am VG-Wort–Urteil der Karlsruher Kollegen orientiert.

Die Betroffenen wähnten sich in Sicherheit

Jetzt hat es also auch die Gema und die Musikverlage erwischt. Das alte Geschäftsmodell ist dahin, ein neues nicht in Sicht. Auch deshalb, weil die Beteiligten sich zu lange in der Sicherheit wähnten, das bewährte Modell werde schon nicht geändert, nur weil ein paar Querulanten mehr Geld für sich haben wollen. Da haben sie sich getäuscht. Wie werden die Verlage damit umgehen, nun deutlich weniger Geld zur Verfügung zu haben?
Sicher werden sie vorsichtiger agieren, werden bei Neuveröffentlichungen auf den garantierten Erfolg setzen statt aufs Risiko. Für viele kleinere Verlage kann die neue Situation darüber hinaus existenzbedrohend sein, mit der Folge, dass auch unser Musikleben ärmer wird. Seinem Ziel, die Gema zu reformieren, ist Bruno Gert Kramm mit diesem Urteil noch keinen Schritt näher gekommen. Ein funktionierendes System der Musikfinanzierung hat er damit aber akut gefährdet. Da fällt es schwer, ihm zu seinem Erfolg vor Gericht zu gratulieren.

*Anm. d. Red.: Die GEMA legt Wert auf die Feststellung, dass es zu keiner Zeit Abmahnung von Kindergärten durch die GEMA gab. Dieses Gerücht sei in der Welt, seit die VG Musikedition damals Kindergärten auf Gesetzesverstöße im Bereich von Noten- und Liedkopien aufmerksam gemacht habe.
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