Das Geheimnis des Whiskys

Von Udo Pollmer · 28.12.2008
Sylvester: Wer es sich leisten kann, genießt einen echten Single Malt Whisky - Symbol für unberührtes schottisches Hochland, Torfmoore und alte Destillen, die nach dem Brauch ihrer Väter nicht an schnelles Geld denken, sondern die edlen Brände zehn, zwanzig Jahre reifen lassen, bis sie als Nobelprodukt in die weite Welt hinausgehen.
Was ist dran an dieser Vorstellung? Die Whiskyproduktion liegt in der Hand weniger Unternehmen, denen die bekannten Markennamen gehören. Logischerweise ist die Produktion vollautomatisiert und hat in der Praxis nur noch wenig mit den Werbebildchen oder der Wikipedia zu tun. Die Gerste wird in riesigen Anlagen gemälzt – was sich durch Zugabe von Hormonen wie Gibberellinsäure beschleunigen lässt – dann in Trommeln getrocknet, geschwefelt und an die Destillen geliefert. Dort wird das Malz zerkleinert, gemaischt und die Hefe dazugeben - so wie beim Bierbrauen. In riesigen Fermentationsanlagen aus Stahl oder Alu wird die Maische vergoren – unter Zusatz von Schaumverhütern. Für die Besucher sind die Tanks natürlich mit Holz vertäfelt. Die Hefen sind optimiert, sie arbeiten nicht nur wirtschaftlich, sondern tragen wesentlich zum Geschmack bei, so dass heute kürzere Reifungszeiten erforderlich sind.

Bevor die Spirituosen reifen können, müssen sie erst mal gebrannt werden. Beim Malt-Whisky geschieht das in Brennblasen mit einem Fassungsvermögen von bis zu 150.000 Litern. Sie bestehen aus Kupfer. Kupfer ist bis heute unverzichtbar, obwohl es in den Destillen auch in Schottland als ernstes Umweltproblem angesehen wird. Aber nur dieses Metall zersetzt als Katalysator unerwünschte Schwefelverbindungen, die das Aroma beeinträchtigen.

Der stolze Preis für einen guten Whisky liegt ja nicht nur an der Steuer, sondern auch an der Lagerung. Je älter desto besser? Im Prinzip ja, aber diese Regel ist mit Vorsicht zu genießen. Zunächst: Bei der Lagerung werden unerwünschte Stoffe absorbiert. Das ist auch der Grund, warum die Fässer manchmal innen abgeflämmt werden. Das dient weniger dem Rauchgeschmack, sondern der Bildung von Aktivkohle. Zudem kommt zu Reaktionen mit dem Holz, es wird z.B. etwas Vanillin herausgelöst. Schließlich werden im Fass einige Stoffe oxidiert, die ihrerseits das Aroma beeinflussen. Bleibt der Whisky zu lange im Fass, wird er – so wie auch der Wein – nicht besser. Die Reifung hat aber noch eine Funktion: Sie sorgt für die Bildung von Stimmungsbeeinflussenden Stoffen. Es ist mitnichten nur der Alkohol, der für die gute Stimmung sorgt.

Die Reifung erfolgt ja in Eichenfässern – daher Geschmack und Färbung. Traditionell wurden dafür ausgemusterte Fässer der spanischen Portweingewinnung und der amerikanischen Bourbonproduktion verwendet. Das Aroma stammt ja nicht vom Malz, sondern von der jeweiligen Hefe und von den Geschmacksstoffen aus den alten Fässern, von den Getränken, die da vorher drin waren. Sind die ausgelutscht, müssen sie durch neue ersetzt werden. Das Problem ist, dass es kaum noch Port- und Sherryfässer gibt. Auch die Farbe kommt ja nicht unbedingt vom Holz, sondern wird mit einem Farbstoff verstärkt, der auch Colagetränke bräunt.

Und was macht man jetzt ohne die richtigen Fässer? Manche Whiskydestillen liefern den Spaniern, die ihre Fässer durch Stahltanks ersetzt haben, frei Haus neue Fässer, damit sie vielleicht doch noch etwas Alkoholisches darin reifen lassen. Neues Fassholz wurde sogar schon mit Wein unter Hochdruck imprägniert. Man kauft jegliche Art von Fässern auf, in denen irgendwas gereift wurde. Andere Betriebe verwenden einfach die alten Fässer aufs Neue und füllen den Inhalt erst am Schluss für einige Zeit in die richtigen Fässer. Das Verfahren heißt "back end loading".

Wenn die alten Fässer immer wieder verwendet werden, wie kriegen die dann das typische Markenaroma hin? Fragen Sie das lieber meine Kollegen von der Aromenindustrie. Die haben bestimmt eine interessante Idee, wie sich das elegant lösen ließe. Denn das Problem verschärft sich von Jahr zu Jahr. Die Produktion an Whisky steigt weltweit an, während das Angebot an Fässern durch die Verwendung von Stahltanks ebenso schnell sinkt. Ein Insider spottete kürzlich, die Branche würde derzeit nur noch vor alten Heringsfässern zurückschrecken. Aber vielleicht hilft die Edelspirituose dann gegen den Kater!

Literatur:
Halliday DJ: Tradition and innovation in the Scotch whisky industry. In: Bryce JH, Stewart GG (Eds): Distilled Spirits. Nottingham University Press, Nottingham 2004: pp 1-12
Koda H et al: Aging of whiskey increases the potentiation of GABA receptor response. Journal of Agricultural & Food Chemistry 2003; 51: 5238-5244
Lyons TP: Production of Scotch and Irish whiskies: their history and evolution. In: Jacques KA et al: The Alcohol Textbook. Nottingham University Press, Nottingham 2004: pp 193-222
Kolb E (Hrsg): Spirituosen-Technologie. Behr’s Verlag, Hamburg 2002